Liechtensteiner Volksblatt
Ausländ
Donnerstag, 13. April 2000 31
Nachrichten
Untersuchung neuer
Gräber
DEN HAAG/BERN: Ermittler des UNO-
Kriegsverbrechertribunals in Den Haag begin
nen nächste Woche wieder mit der Untersu
chung von Massengräbern im Kosovo. Nach der
wilterungsbcdingten Unterbrechung im Winter
hofft das Tribunal die forensische Untersu
chung von etwa 300 mutmasslichen Tatorten im
Kosovo in den nächsten vier Monaten ab-
schliessen zu können. Bisher wurden 2108 Lei
chen geborgen. Von Mai an werden die Tribu
nalmitarbeiter wie im Sommer vorigen Jahres
wieder von Expertengruppen aus mehreren
Ländern unterstützt, teilte ein Sprecher des
Gerichtshofs am Mittwoch in Den Haag mit.
Auch die Schweiz wurde erneut von der UNO
um Unterstützung gebeten. Die Anfrage werde
zurzeit geprüft, sagte eine Sprecherin des Bun
desamtes für Polizeiwesen (BAP). Im vergan
genen Jahr hatten zwei Gruppen von vier
respektive 13 Schweizer Polizisten an den Er
mittlungen mitgeholfen.
Proteste gegen
regionale Schulpolitik
BERLIN: Mit Streiks und Demonstrationen
haben am Mittwoch in Berlin 50 000 Lehrer,
Schüler und Eltern gegen die Bildungspolitik
der regionalen Regierung demonstriert. Nach
Angaben der Lehrergewerkschaft legten 10 000
Pädagogen vorübergehend die Arbeit nieder.
An den Protesten, deren Höhepunkt eine zen
trale Kundgebung vor dem Brandenburger Tor
war, beteiligten sich zudem Zehntausende
Schüler und Eltern. Der Protest richtete sich vor
allem gegen die Einführung einer zusätzlichen
unbezahlten Unterrichtsstunde pro Woche ab
dem nächsten Schuljahr. Ausserdem forderten
die Pädagogen die Neueinstellung junger Kolle
gen. Nach Ansicht der Gewerkschaft fehlen in
Berlin rund 1800 Lehrer.
Zur Arbeit verpflichtet
WIEN: In Österreich werden Langzeitarbeits
lose zur Arbeit verpflichtet. Das hat die Regie
rung beschlossen, berichtete der öffentlich-
rechtliche Rundfunk (ORF) am Mittwoch in
Wien. Demnach müssen rund 1000 Betroffene
vom 1. Juni an beispielsweise in der Denkmals
pflege oder bei der Strassenreinigung arbeiten.
Sie bekommen dafür als Minimum ein so ge
nanntes Bürgergeld von 8240 Schilling (rund
970 Franken). Wer eine zumutbare Arbeil ab
lehnt, muss acht Wochen auf die Arbeitslosen
hilfe verzichten.
Gipfeltreffen beendet
Clinton nach Treffen mit Barak: Zuversicht über Friedensprozess
WASHINGTON: US-Präsi
dent Clinton ist nach einem
Treffen mit Israels Minister
präsidenten Barak zuversicht
lich, dass der Nahost-Frieden-
sprozess fortgesetzt werden
kann. Derweil sorgen in Israel
Bauaktivitäten jüdischer Sied
ler für Spannungen.
In der Nacht zum Mittwoch traf Bill
Clinton in Washington mit Israels
Ministerpräsident Ehud Barak zu
sammen. Nach der Unterredung
sagte ein US-Regierungssprecher,
Clinton und Barak hätten die mei
ste Zeit über die Verhandlungen
Israels mit den Palästinensern ge
sprochen, aber auch über Syrien
und Libanon.
Barak sagte, es gebe eine ganze
Reihe neuer Ideen, um die Ver
handlungen mit den Palästinensern
voranzubringen. Unterhändler bei
der Seiten beraten derzeit in Wa
shington über das Grundsatzab
kommen, das bis zum 13. Mai unter
zeichnet werden soll.
Möglicher Dreiergipfel
im Mai
Nach israelischen Medienberichten
soll Clinton ein Spitzentreffen mit
Barak und Palästinenser-Präsident
Jassir Arafat im Mai vorgeschlagen
haben. Dafür gab es jedoch keine
Bestätigung.
Barak soll in Washington einen
Grundsatzplan für die Gründung ei
nes palästinensischen Staates auf 60
Prozent des Territoriums des West
jordanlandes vorgestellt haben.
Das hatte die israelische Zeitung
«Maariv» am Dienstag berichtet.
Die Palästinenser fordern 90 Pro
zent. Am Donnerstag kommender
In der Nacht zum Mittwoch traf Bill Clinton (rechts) mit Israels Ministerpräsident Ehud Barak z
Woche wird nun Palästinenserpräsi
dent Yassir Arafat in Washington zu
einer Unterredung erwartet.
Erneute Provokationen
Unmittelbar nach dem Treffen
von Clinton und Barak haben radi
kale Juden mit der Vergrösserung
einer Siedlung im Westjordanland
begonnen. Mit dem Beginn der Ar
beiten provozierten die radikalen
Siedler die israelische Regierung
und die Palästinenser zum zweiten
Mal binnen 24 Stunden.
Palästinensische Parlamentarier
haben am Mittwoch angesichts neu
er jüdischer Bauaktivitäten im
Westjordanland den Abbruch der
Verhandlungen mit Israel gefor
dert.
Chinas Präsident beginnt
Staatsbesuch in Israel
Unterdessen hat Chinas Präsi
dent Jiang Zemin am Mittwoch sei
nen einwöchigen Nahost-Besuch in
Israel begonnen. Jiang ist der erste
chinesische Präsident, der Israel
und die Palästinenser-Gebiete be
sucht.
In seinem Reisegepäck hat Jiang
ein Hilfspaket für die Palästinenser
im Wert von umgerechnet 5,9 Mil
lionen Franken, sowie Gelder für
usammen.
ein Spital im Gaza-Streifen und für
ein Computer-Ausbildungszentrum
in Jericho.
Debatte über Radartechnik
für China
Der Besuch Jiangs wird von einer
Debatte zwischen Israel und den
USA über die Lieferung moderner
Radartechnik an China begleitet.
Das Geschäft betrifft Frühwarn-
und Kontrollsysteme, die wie das
amerikanische AWACS auf Flug
zeugen installiert werden. Die USA
haben wegen Chinas Drohungen
gegen Taiwan Bedenken gegen die
Lieferung.
Neuer Resolutionsentwurf eingereicht
UNO-Menschenrechtskommission EU-Resolution zu Tschetschenien - Unterstützung der Schweiz
GENF: Die Europäische Union
(EU) hat an der UNO- Menschen
rechtskommission in Genf einen Re-
solutionsentwurf zur Situation in
Tschetschenien eingereicht. Dies gab
der Sprecher der Kommission, Jose
Diaz, am Mittwoch in Genf bekannt.
Russland wird in dem Text aufge
fordert, so schnell wie möglich eine
unabhängige nationale Kommission
zur Untersuchung der Berichte
über schwere Menschenrechtsver-
letzungen einzurichten. Die
Schweiz hatte in der Tschetscheni
en-Debatte am Dienstag von Mos
kau eine unabhängige Untersu
chungskommission mit Einschluss
internationaler Experten gefordert.
Gleichzeitig brachten die USA
eine Resolution zu China ein. Darin
wird die grosse Sorge über andau
ernde Menschenrechtsverletzungen
zum Ausdruck gebracht, darunter
die Lage der Tibeter und die Re
pressionen gegen die Anhänger der
Kultbewegung Falun Gong.
Die Schweiz unterzeichnet die
vom EU-Vorsitz bei der UNO-
Menschenrechtskommission einge
reichte Resolution gegen Russland
wegen des Tschetschenien-Kriegs.
Die USA-Resolution wegen der
Menschenrechte in China unter
stützt der Bundesrat hingegen nicht.
Der Bundesrat bekräftigte am
Mittwoch seine kritische Haltung
gegenüber den Menschenrechtsver-
letzungen in China. Er hält aber ei
nen kontinuierlichen Dialog mit
dem Land für aussichtsreicher als
Verurteilungen. Die EU nimmt
die gleiche Haltung ein.
Die Resolution der USA fordert
China unter anderem auf. politische
Gefangene freizulassen, religiöse
Gruppen nicht zu behindern und
die kulturelle Identität der Tibeter
zu schützen. In den vergangenen
Jahren hatte China immer eine
Mehrheit der 53 Kommissionsmit
glieder dazu gebracht, das Thema
China von der Tagesordnung zu
streichen.
Der Kommission liegen weitere
Länderresolutionen - unter ande
rem zu Jugoslawien und Ruanda -
vor. Über diese Resolutionen wird
am kommenden Dienstag abge
stimmt.
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