Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Mittwoch, 12. April 2(XX) 23
NACHRICHTEN
220 Bootsflüchtlinge
ums Leben gekommen
SYDNEY: Auf ihrer Seereise nach Australien
sind vermutlich bis zu 220 illegale Einwanderer
in ihrem baufälligen Fischerboot gekentert und
ertrunken. Das gab am Dienstag der australi
sche Einwanderungsminister Philip Ruddock
bekannt. An Bord befanden sich nach Angaben
von Ruddock Menschen aus dem Nahen Osten,
die von Java aus in See stachen und die austra
lisch verwaltete Weihnachts-lnsel im Indischen
Ozean als Ziel hatten. Zuletzt waren Ende ver
gangenen Jahres 14 Srilanker in der Nähe der
Insel ertrunken, die Schlepper für eine illegale
Überfahrt bezahlt und sich in einem wohlha
benden Land ein besseres Leben erhofft hatten.
Irving verliert Prozess
LONDON: Der britische Geschichtsautor Da
vid Irving (62) hat einen von ihm selbst ange
strengten Verleumdungsprozess um die Leug
nung des Holocaust verloren. Das oberste briti
sche Zivilgericht, der High Court in London, ur
teilte am Dienstag, dass man Irving ungestraft
als «Hitler-Bewunderer» bezeichnen kann. Er
hatte die US-Historikerin Deborah Lipstadt
und den britischen Penguin Verlag wegen Ruf
schädigung verklagt. Lipstadt hatte Irving in ei
nem 1994 erschienenen Buch als einen «Hitler-
Bewunderer» charakterisiert, der «Scheuklap
pen trägt. Dokumente verfälscht und Fakten
unrichtig wiedergibt». Richter Charles Gray
sagte in der Urteilsbergündung. Irving habe in
gravierender Weise die Beweislagc falsch dar
gestellt und historische Fakten manipuliert. Ir
ving bezeichnet sich selbst als Historiker und
hat den Holocaust in mehreren seiner Bücher
als reine Erfindung bezeichnet. Die Anwälte
Lipstadts, die Geschichtswissenschaften an der
Universität Emory in Atlanta lehrt, und die
Rechtsvertreter des Penguin-Verlages versuch
ten in dem Verfahren darzustellen, dass Irving
mit der Verdrehung von Tatsachen, mit Fäl
schungen und inkorrekten Zitaten versucht,
den Holocaust zu leugnen und seine rechtsex
tremistischen Ansichten zu untermauern. Irving
hatte erklärte, es gehe in dem Verfahren nicht
um Geschichte, sondern darum, ob über Ge
schichte debattiert werden dürfe.
Drei Kinder von
Minenexplosion getötet
SARAJEVO: Eine explodierende Mine hat in
der bosnischen Hauptstadt Sarajevo drei spie
lende Kinder getötet. Bosnische Zeitungen be
richteten am Dienstag in Sarajevo, die beiden
Knaben und ein Mädchen hätten am Montag
abend versucht, am Stadtrand in militärische
Unterstände aus der Zeit des Krieges zu gelan
gen,die noch nicht von Minen geräumt sind. Ein
Rettungsteam habe fünf Stunden gebraucht, um
zu den tödlich verletzten Kindern zu gelangen.
Schweiz verlangt
Ermittlungen
GENF: Die Schweiz hat Moskau aufgefordert,
eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe
des Massenmordes und der Folterungen in
Tschetschenien durchzuführen. Brüssel pochte
am Dienstag vor der UNO-Menschenrechts-
kommission nicht auf eine Verurteilung
Russlands. Eine unabhängige nationale Unter
suchung müsse gemäss den internationalen
Normen durchgeführt werden, sagte der
Schweizer Botschafter, Francis Nordmann, vor
dem Gremium.
CDU: Die Mehrheit erreichen
Deutsche Christdemokraten setzen auf neues Vertrauen
ESSEN: Nach der tiefsten Kri
se ihrer Geschichte wollen die
deutschen Christdemokraten
(CDU) wieder die Mehrheit
der Bürger für sich gewinnen.
Die neue CDU-Chefin Angela
Merkel unterstrich zum Ah-
schluss des Parteitages am
, Dienstag in Essen: «Wir wollen
kämpfen. Wir sind wieder da.»
Merkel, die am Vorabend mit 96
Prozent der Stimmen zur neuen
| CDU-Vorsitzenden gewählt wor-
; den war. sprach von einem «Partei-
i tag des Aufbruchs» nach dem Fi
nanzskandal. Die Partei müsse die
sen Aufbruch für die anstehenden
Wahlen nutzen, etwa in rund vier
Wochen in Nordrhein-Westfalen,
j In einer «Essener Erklärung»
| steckte sich die CDU inhaltliche
j Ziele. Weiter kündigt die CDU da-
| rin an, bis 2002, dem Jahr der näch-
sten Bundestagswahl, wieder die
'! Mehrheit im Land zu gewinnen.
Neue Antworten
Bei nur einer Enthaltung nahm
der Parteitag die Erklärung an. Sie
wurde unter Merkels Federführung
erarbeitet und beschreibt die Pro
blemfelder der thematischen Arbeit
der CDU wie etwa Rentenreform
und Steuerpolitik. Deutschland
brauche neue Antworten für seine
Rolle in Europa und in der Welt,
heisst es weiter.
Bejaht wird die Erweiterung der
Europäischen Union durch mittel
europäische Staaten ab 2003, sofern
diese die Voraussetzungen dafür er
füllen. Ehrlich müsse aber auch
über die Ziele und Grenzen einer
EU-Mitgliedschaft gesprochen wer
den. Ein angestrebter Beitritt der
Türkei sei falsch, «denn er überfor
dert den Einigungsprozess».
Nach der Krise machten die Christdemokraten wieder die Nummer-Eins-Partei in Deutschland werden.
Wie Merkel am Vortag attackier
ten am Dienstng andere führende
Unions-Politiker in Essen die rot
grüne Regierung. «Jetzt wird zur Sa
che geredet. Herr Schröder», erklär
te der neue Oppositionsführer im
Parlament, Friedrich Merz.
Der Vorsitzende der bayerischen
CDU-Schwesterpartei Christlich
Soziale Union (CSU). Bayerns Mi
nisterpräsident Edmund Stoiber,
bescheinigte der Regierung eben
falls Versagen in den wichtigen Fra
gen. Merz und Stoiber kritisierten
vor allem eine unzureichende
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Stoiber sagte als Gastredner der
neuen CDU-Führung eine stabile
und verlässliche Partnerschaft zu.
Angesichts der Ereignisse der
vergangenen Monate demonstrier
te der Parteitag grosse Geschlos
senheit. Der erstmals seit Jahr
zehnten abwesende frühere Partei
chef und Ex-Bundeskanzler Hel
mut Kohl gratulierte Merkel und
bot ihr seine Unterstützung an.
Kohl hatte Ende vergangenen Jah
res die illegale Annahme von
Spenden eingeräumt. Trotz des
Drängens der CDU-Führung lehnt
er es nach wie ab, die Herkunft der
Gelder offen zu legen. Geprägt
vom Willen einer Rückkehr zur
Sachpolitik, eröffnete der Partei
tag zum Schluss noch eine mittel
fristige Debatte über Reformen in
der Bildungspolitik.
Gedämpfte Hoffnungen
Barak in USA - Nur geringe Fortschritte erwartet
| WASHINGTON/JERUSALEM:
Mit gedämpften Hoffnungen auf
Fortschritte wurde am Dienstag
(Ortszeit) ein Treffen zwischen US-
Präsident Bill Clinton und dem isra-
> elischen Ministerpräsidenten Ehud
Barak über eine Beschleunigung
der Nahost- Friedensverhandlun
gen erwartet.
Dabei wollten die USA Barak zu
; grösserer Flexibilität gegenüber
5 den Palästinensern drängen. Der
Sprecher des Weissen Hauses, Joe
Lockhart, machte zuvor deutlich,
dass kein Durchbruch zu erwarten
sei. Clintons Sprecher Mike Ham
mer äusserte sich am Dienstag opti-
mistisch: «Es ist ein guter Moment,
um den Friedensprozess voranzu
bringen.»
Protestaktion
Überschattet wurde Baraks US-
Besuch, bei dem auch ein Treffen
' mit Aussenministerin Madeleine
Albright auf dem Programm stand,
von einer Protestaktion jüdischer
Siedler im Westjordanland. Sie be
gannen dort mit dem «wilden» Bau
einer Siedlung und kündigten die
Verwirklichung weiterer von Barak
nicht genehmigter Bauprojekte an.
Die Siedler werfen Barak vor, er
habe den Bau jüdischer Siedlungen
eingefroren. Wie weiter bekannt
wurde, hat die israelische Regierung
aber den Bau von 200 neuen Wohn
einheiten für israelische Siedler auf.
den Golan-Höhen genehmigt. Nach
; Radioberichten haben die Bauar
beiten in der Siedlerstadt Katzrin
bereits begonnen.
i Mehrere israelische Regierungs
vertreter erklärten am Dienstag die
Friedensbemühungen mit Syrien
Ein Siedler betet in der Nähe des Ortes, wo ein Haus entstehen soll.
für gescheitert. Ex-Ministerpräsi
dent Schimon Peres zeigte sich
überzeugt, dass Gespräche mit Da
maskus «frühestens nach der Wahl
in den USA oder aber auch erst
nach einem Machtwechsel in Syri
en» wieder aufgenommen würden.
Neue Anstösse
Bei den Treffen Baraks mit Clin
ton und Albright sollte es auch um
die festgefahrenen Gespräche mit
Syrien gehen, hauptsächlich aber
um neue Anstösse für die Verhand
lungen über ein Rahmenabkom
men zwischen Israel und den Paläs
tinensern. Dieses Abkommen soll
die Vorstufe einer bis zum 13. Sep
tember angestrebten dauerhaften
Friedensregelung sein. Derzeit fin
den dazu in den USA auch Ge
spräche auf Expertenebene statt.
Für den 20. April hat Clinton Paläs-
tinenser-Präsident Jassir Arafat
nach Washington eingeladen.
Nach einem Bericht der israeli
schen Zeitung «Maariv» vom
Dienstag wollte Barak bei der für
den Abend (Ortszeit) angesetzten
Begegnung mit Clinton einen israe
lischen Grundsalzplan für das Rah
menabkommen vorlegen.
Danach will Israel die Einrich
tung eines palästinensischen Staates
auf 60 Prozent des Westjordanlands
vorschlagen. Die Palästinenser for
dern für den eigenen Staat 90 Pro
zent des Gebietes.
Unklare Richtung
Grünen-Sprecherin Gunda Rö-
stel kritisierte, die Richtungsbestim
mung der CDU sei auch nach Mer
kels Wahl völlig unklar. Auch FDP-
Generalsekretär Guido Westerwel
le verwies darauf, dass der inhaltli
che Neuanfang noch fehle.
Bei der Vorstandswahl bescher
ten die Delegierten dem thüringi
schen Ministerpräsidenten Bern
hard Vogel mit 92,19 Prozent das
beste Ergebnis. Der ehemalige
Generalsekretär der Partei. Peter
Hintze, wurde abgewählt. Die Dele
gierten hatten am Vorabend schon
das Präsidium, also die engere
Parteiführung um Merkel, be
stimmt.
Russland signa
lisiert Dialog
bereitschaft
MOSKAU: Russland rückt of
fenbar von seiner harten Hal
tung ab, den tschetschenischen
Präsidenten Aslan Maschadow
nicht als Gesprächspartner für
eine friedliche Beilegung des
Kaukasus- Konflikts zu akzep
tieren. Sergej Jastrschembski,
der für Tschetschenien zuständi
ge Sprecher von Präsident Wla
dimir Putin, sagte am Dienstag,
die Regierung habe Maschadow
immer als einen Anführer be
trachtet, der als Gesprächspart
ner in Frage komme. «Es ist ganz
offensichtlich, dass wir Kontakte
aufrecht erhalten müssen», fügte
er auf einer Reise in Usbekistan
hinzu. Die Äusserungen des
Sprechers lassen auf eine Kehrt
wende der russischen Führung
schliessen, da Maschadow mehr
fach vergeblich Gespräche ange
boten hatte. Jastrschembski sag
te der Nachrichtenagentur Itar-
Tass, die Regierung habe Ma
schadow bereits mehrfach ihre
Sicht der Dinge mitgeteilt und
dabei versucht, einen «politi
schen Prozess» in Gang zu brin
gen. Die russische Führung unter
Präsident Putin und seinem Vor
gänger Boris Jelzin hatte bislang
offiziell stets Gesprächsangebo
te Maschadows mit dem Hinweis
abgelehnt, dass sie nicht mit
«Banditen» verhandle. Mit die
sem Begriff werden im offiziel
len Sprachgebrauch der russi
schen Führung die Separatisten
in Tschetschenien bezeichnet.
Sie werden von der Regierung
als Urheber mehrerer Bomben
anschläge im russischen Kern
land verdächtigt.