Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Dienstag. 11. April 2000 23
Nachrichten
Belgrad bestätigt Kon
takte mit US-Regierung
BELGRAD: Ein ranghoher Funktionär der ju
goslawischen Regierung hat Meldungen über
informelle Kontakte von Belgrader und US-Di
plomaten bestätigt. Der Funktionär, der ano
nym bleiben wollte, machte keine Angaben zum
Inhalt dieser Kontakte, wie der Belgrader Sen
der B2-92 am Montag meldete. Damit bestätig
te Belgrad inoffiziell Berichte britischer und
russischer Medien, die von diesen Kontakten
und dem Wunsch Washingtons berichtet haben,
auf «niedriger» Ebene diplomatisch in Serbien
vertreten zu sein. Jugoslawien hatte zu Beginn
der Nato-Luftangriffe im März des vergange
nen Jahres diplomatische Beziehungen zu den
USA. Grossbritannien, Frankreich, Deutsch
land, Kanada und Albanien abgebrochen. In
zwischen sind davon alle Staaten ausser den
USA und Albanien in Belgrad mit Diplomaten
bei Botschaften anderer Staaten vertreten. Eine
Wiederaufnahme der Beziehungen gibt es aber
nicht.
Fujimori muss in Peru
in zweite Runde
LIMA: Amtsinhaber Alberto Fujimori hat trotz
Manipulationen im Wahlkampf bei der ersten
Runde der peruanischen Präsidentschaftswah
len nicht die erforderliche Mehrheit erreicht. Er
muss sich nun seinem Herausforderer Alejand-
roToledo in einer Stichwahl stellen. Fujimori er
hielt nach Nachwahl-Umfragen knapp 48 Pro
zent der Stimmen und Toledo zwischen 42 und
43 Prozent. Toledo warf Fujimori Wahlbetrug
vor, da er in ersten Nachwahlbefragungen noch
vorne gelegen hatte. Vor dem Präsidentenpalast
kam es in der Nacht zum Montag zu Zusam-
menstössen zwischen Toledo-Anhängern und
Polizisten. Die regierungsunabhängige Organi
sation Transparencia bestätigte nach eigenen
Auszählungen den Sieg Fujimoris in der ersten
Runde. Die Behörden hatten zunächst für Mit
ternacht Ortszeit erste offizielle Ergebnisse an
gekündigt, diese standen am Montag jedoch
noch aus. Bei den gleichzeitig stattfindenden
Wahlen des Ein-Kammer- Parlaments deuten
Nachwahl-Umfragen darauf hin, dass Fujimoris
Partei ihre absolute Mehrheit verlieren wird.
Fujimoris Partei «Peru 2000» erhielt demnach
zwischen 40 und 48 der insgesamt 120 Sitze.To
ledos Partei «Peru Möglich» kam auf 30 bis 34
Sitze.
Bosnische Moslems
wählen Reformer
SARAJEVO: Bei den Kommunalwahlen in
Bosnien-Herzegowina hat nur die Moslembe
völkerung einen Kurswechsel hin zu den Refor
mern vollzogen. In den Regionen mit serbischer
und kroatischer Mehrheit lagen dagegen die na
tionalistischen Parteien vorn, wie aus am Mon
tag in Sarajevo veröffentlichten Ergebnissen
deutlich wurde. In der bosnischen Serbenrepu
blik erhielt die extremistische Serbische Demo
kratische Partei (SDS) des als Kriegsverbrecher
gesuchten Radovan Karadzic erneut die meisten
Stimmen. Die Organisation für Sicherheit und
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die
die Wahlen vom Samstag organisierte, legte in
Sarajevo vorläufige Endergebnisse für einzelne
Kommunen vor. Sie bestätigten in der Tendenz
einen Sieg der Sozialdemokraten (SDP) in über
wiegend von Moslems bewohnten Städten der
moslemisch-kroatischen Föderation. Die radi
kale SDS errang dagegen bei den Serben die
meisten Stimmen. In sechs Kommunen im Osten
der Serbenrepublik, die schon ausgezählt waren,
lag sie durchweg auf Platz eins. Wie die amtliche
jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug am
Montag meldete, wurde die SDS nach vorläufi
gen Angaben in 53 der insgesamt 61 Bezirke
stärkste Partei. In manchen Wahlkreisen im
Osten habe die SDS sogar über 60 Prozent der
abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen kön
nen. Auch in der Stadt Banja Luka liege die SDS
vorn, hiess es. In Gebieten mit kroatischer Mehr
heit blieb die nationalistische HDZ die mächtig
ste politische Kraft.
Erste Frau an der Spitze
Merkel mit fast 96 Prozent zur neuen CDU-Vorsitzenden gewählt
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ESSEN: Als erste Frau in der
Geschichte der CDU steht An
gela Merkel jetzt an der Spitze
der deutschen christdemokra
tischen Partei: Mit überwälti
gender Mehrheit wählten die
Delegierten auf dem Essener
Parteitag die bisherige Gene
ralsekretärin am Montag zur
neuen Parteichefin.
Merkel erhielt eine Zustimmung
von 95,94 Prozent und damit mehr
Unterstützung als ihr Vorgänger
Wolfgang Schäuble, der 1998 mit
93,4 Prozent gewählt worden war.
Die 45-jährige Merkel, die aus Ost
deutschland stammt, gilt als Hoff
nungsträgerin der skandalgeschüt-
telten Partei.
Aufbruch
In Essen rief sie die Christdemo
kraten zu neuem Selbstbewusstsein
auf; die CDU solle wieder die
«Nummer Eins» in Deutschland
werden: «Wir sind wieder da.» Die
ses Signal zum Aufbruch bedachten
die Delegierten mit minutenlangem
Applaus. Auch die übrige Führungs
spitze wurde neu gewählt. Zuvor
waren Schäuble verabschiedet und
ein eiserner Sparkurs für die CDU
beschlossen worden. Merkel dankte
den Delegierten nach der Wahl für
die «grosse Unterstützung». Für
Merkel stimmten 897 Delegierte, 38
stimmten gegen sie, sieben enthiel
ten sich. Als neuer Generalsekretär
wurde der Nordrhein-Westfalc
Ruprecht Polenz mit 88,25 Prozent
gewählt. Unter den vier Stellvertre
tern, Annette Schavan, Christian
Wulff, Jürgen Rüttgers und Volker
Rühe, erhielt letzterer mit nur 58,55
Prozent das schlechteste Ergebnis.
Rüttgers rückte für den ausschei-
Die 45-jährige Ostdeutsche Angela Merkel wurde mit grosser Mehrheit zur neuen Vorsitzenden der CDU gewählt.
denden Norbert Blüm neu in die
Stellvertreterriege auf. Als neuer
Schatzmeister wurde der frühere
Bankenmanager Ulrich Cartellieri
mit 99,32 Prozent gewählt.
«Wieder zur Sache»
Merkel sagte in ihrer Rede auf
dem Parteitag, Rot-Grün könne
sich künftig «warm anziehen». «Die
Stunde unserer Gegner ist vorbei»,
fügte sie mit Blick auf die Finanzaf
fären hinzu. «Es geht jetzt wieder
zur Sache.» Die CDU habe ein kla
res Ziel: «Wahlsieg 2002». Merkel
würdigte die Verdienste Schäubles,
erinnerte aber auch an die Lebens
leistung von Altbundeskanzler Hel
mut Kohl, der erstmals seit Jahr
zehnten nicht an einem CDU-Par-
teitag teilnahm. Sie mahnte mit
Blick auf dessen Spenden-Verfeh
lungen jedoch, für die CDU könne
es keine Diskussion um Recht und
Gesetz geben. Als Ziel der CDU
nannte sie, «Markt und Menschlich
keit» zusammenzubringen. CSU-
Chef Edmund Stoiber, aus dessen
Partei heraus Merkel als zu links
kritisiert worden war. sicherte ihr in
einem Glückwunschschreiben Un
terstützung zu. Bundeskanzler Ger
hard Schröder (SPD) äusserte
Zweifel an der Durchsetzungsfähig
keit Merkels. SPD-Generalsekretär
Franz Müntefering hielt der neuen
CDU-Chefin vor, ihre Aussagen
blieben «vage und unbestimmt».
Schäuble hatte zuvor in seiner
Abschiedsrede das Finanzgebaren
der CDU scharf kritisiert. Nun gelte
es, wieder «Brücken in die Zukunft»
zu bauen und einen Neuanfang zu
wagen». Wegen der Finanzaffäre
wurde der Parteiführung für das
Rechnungsjahr 1998 nur eine teil
weise Entlastung erteilt. Zudem be-
schloss der Parteitag zur Sanierung
der maroden Finanzen.etwabeiden
Personalkosten der Bundespartei
kräftig zu sparen.
Reformen fortsetzen
Griechische Sozialisten gewinnen vorgezogene Wahlen
ATHEN: In Griechenland hat der
sozialistische Ministerpräsident
Kostas Simitis von den Wählern mit
knapper Mehrheit ein neues Man
dat erhalten, seine Reformen in der
Wirtschafts- und Aussenpolitik fort
zusetzen.
Seine PASOK-Bewegung siegte bei
den Parlamentswahlen mit einem
hauchdünnen Vorsprung von einem
Prozent vor der Partei Neue Demo
kratie (ND). Nach Auszählung fast al
ler Stimmen entfielen auf die PASOK
43,8 Prozent und auf die ND 42,8 Pro
zent der Stimmen. Die bürgerliche
Neue Demokratie konnte ihren Ab
stand zur PASOK damit deutlich ver
ringern. Die Stellung von Oppositi-
onschcf Kostas wurde gestärkt.
Absolute Mehrheit
Der Vorsprung der PASOK liegt
bei rund 70 000 Stimmen. Nach dem
Wahlgesetz in Griechenland reicht
aber der erstplatzierten Partei auch
ein knapper Vorsprung, um die ab
solute Mehrheit der Sitze im Parla
ment zu erhalten.
Die PASOK wird voraussichtlich
158 der 300 Sitze im Parlament er
halten, vier weniger als bisher. Als
zweitstärkste Kraft kam die ND auf
125 Mandate, 17 mehr als 1996. Die
Gewinne der beiden grossen Partei
en gingen auf Kosten der kleinen.
Von ihnen schaffte die Kom
munistische Partei Griechenlands
(KKE) mit 5,51 Prozent und elf Ab
geordneten ebenso den Sprung ins
Parlament wie das Bündnis der Lin
ken (SYN) mit 3,19 Prozent und
sechs Mandaten.
Weckruf
Die Presse wertete den Wahlaus
gang am Montag als Weckruf an die
Kostas Simitis erhielt von den Wählern ein neues Mandat.
Regierung, ihre Reformpolitik zu
beschleunigen. Simitis bezeichnete
das Ergebnis als soliden Sieg seiner
Partei.
Die PASOK habe damit ein Man
dat erhalten, ihre bisherige Politik
fortzuführen. Er rief die Griechen
auf, sich gemeinsam für einen star
ken, modernen und sozialen Staat
einzusetzen.
Simitis setzt sich für einen ra
schen Beitritt des Landes zur Eu
ropäischen Währungsunion (EWU)
ein, der sich im kommenden Jahr
vollziehen soll.
Ihm war es gelungen, das Budget
defizit und die Inflation deutlich zu
verringern.
Simitis hat sich zudem für eine
Verbesserung der Beziehungen zur
Türkei stark gemacht. Das lange
Zeit belastete Verhältnis der Nach
barstaaten und NATO-Partner hat
sich in den vergangenen Jahren
deutlich entspannt.
Regierungsbildungsauftrag
Staatspräsident Konstantinos Ste-
fanopoulos erteilte Simitis am Mon
tag erwartungsgemäss den Auftrag
zur Bildung einer neuen Regierung.
Simitis sagte im griechischen Fern
sehen, er brauche einige Tage, um
über die Zusammensetzung des
neuen Kabinetts zu entscheiden.
Das Ergebnis der Wahlen stand
erst nach einem stundenlangen
Auszähl-Krimi am frühen Montag
morgen fest. Zunächst hatte es nach
einem Sieg der Konservativen aus
gesehen. In Athen und anderen
Städten des Landes feierten in der
Nacht Zehntausende den Sieg der
Sozialisten, die bereits seit 19 Jah
ren fast ununterbrochen an der
Macht sind.
Gipfeltreffen
imjuni
SEOUL/PJÖNGJANG: Fast
genau 50 Jahre nach dem Aus
bruch des Krieges zwischen
Nord- und Südkorea haben die
beiden Staaten erstmals ein
Gipfeitreffen vereinbart. Vom
12. bis 14. Juni würden die höch
sten Repräsentanten Nord-und
Südkoreas in der nordkoreani
schen Hauptstadt Pjöngjang zu
sammen kommen, sagte Süd
koreas Minister für Wiederver
einigung, Park Jae Kyu, am
Montag in Seoul. Die amtliche
nordkoreanische Nachrichten
agentur KCNA meldete, der
Gipfel komme auf Wunsch des
südkoreanischen Präsidenten
Kim Dae Jung zustande. Nach
Parks Worten wird es auf dem
Gipfel vor allem um wirtschaft
liche Zusammenarbeit gehen.
Vertreter beider Staaten hätten
die Vereinbarung am Samstag
in Peking nach geheim gehalte
nen Kontakten unterzeichnet,
sagte Park und kündigte Vorbe
reitungsgespräche noch in die
sem Monat an. Nordkorea habe
es eilig gehabt und auf die
Ankündigung gedrängt. Die
Ankündigung kam überra
schend vor den Wahlen in Süd
korea am Donnerstag. Ein
Korea-Experte der Tokioter
Nachrichtenagentur Radio
press sagte, Nordkorea habe da
mit dem Präsidenten Südkoreas
einen Gefallen getan. Lee Ki
Tak, Politologe an der Yonsei-
Universität sagte, offenbar ha
be die Regierung Kim Dae
Jungs im Wahlkampf wie frühe
re Regierungen auch die nord
koreanische Karte gespielt. Die
südkoreanische Opposition
reagierte mit scharfer Kritik auf
die Ankündigung.