Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Samstag, 8. Apri I 2000 31 
Nachrichten 
Irak-Chefinspekteur: 
Versöhnliche Töne 
NEW YORK: Der Leiter der neuen UNO-Irak- 
Inspektionsgruppe, Hans Blix, hat gegenüber 
Bagdad versöhnliche Töne angeschlagen. Die 
Wiederaufnahme der Suche nach nuklearen so 
wie biologischen und chemischen Waffen im 
Irak solle schrittweise und nicht auf einen Schlag 
vor sich gehen. Dies empfiehlt Blix im Entwurf 
seines Arbeitsprogramms,der am Freitag in New 
York bekannt wurde. Das Programm, das den 
Mitgliedern des Sicherheitsrates zur Bestäti 
gung vorgelegt wurde, berücksichtige das tiefe 
Misstrauen der irakischen Führung, hiess es in 
diplomatischen Kreisen. Als eine unter mehre 
ren versöhnlichen Gesten wurde gewertet, dass 
alle Mitglieder der neuen Kontrollgruppe UN- 
MOVIC an Schulungen teilnehmen sollen, in de 
nen sie unter anderem die wichtigsten Regeln 
des Islams kennen lernen. 
Regierungschefmörder 
festgenommen 
SOFIA: Ein Ukrainer ist am Freitag im Zusam 
menhang mit dem Mord an dem postkommuni 
stischen bulgarischen Ex-Regierungschefs And 
rej Lukanow festgenommen worden. Das teilte 
die Pressestelle des Innenministeriums in Sofia 
mit. Der ukrainische Staatsbürger ist den Anga 
ben zufolge bei einer Polizeiaktion in der bulga 
rischen Hafenstadt Burgas am Schwarzen Meer 
gefasst worden. Lukanow war am Morgen des 2. 
Oktober 1996 vor seinem Wohnhaus in Sofia er 
schossen worden. Damals war er Parlamentsab 
geordneter der regierenden Sozialistischen Par 
tei (Ex-KP). 
Baskisches Parlament 
fordert ETA-Auflösung 
VITORIA: Ohne die Stimmen der regierenden 
Nationalisten hat das Regionalparlament des 
Baskenlandes am Freitag die Untergrundorga 
nisation ETA zur Selbstauflösung aufgefordert. 
Der Versuch, Ideen oder politische Projekte mit 
Gewalt durchzusetzen, entbehre jeder Legiti 
mität, heisst es in der von der Opposition ver 
abschiedeten Resolution. Darin wird die Regie 
rung in Vitoria zugleich aufgerufen, sich stärker 
für die Freiheit und Sicherheit der Bürger in der 
nordspanischen Region einzusetzen. Die Bas 
kisch-Nationalistische Partei (PNV), die mit 
Minderheit regiert, enthielt sich der Stimme. 
Die Partei unterstütze zwar den Ruf nach Auf 
lösung der ETA. Die Kritik an der Regierungs 
arbeit könne sie aber nicht akzeptieren, erklär 
te ein Sprecher. 
Vater Gonzalez 
bekommt Sohn Elian 
WASHINGTON: Im Sorgerechtsstreit um den 
kubanischen Flüchtlingsjungen Elian hat 
US-Justizministerin Janet Reno dem Vater Juan 
Miguel Gonzalez zugesichert, dass er seinen 
Sohn Elian rasch wiederbekommt. Das wurde 
nach einem Treffen zwischen den beiden am 
Freitag in Washington mitgeteilt. Der Anwalt 
des am Donnerstag aus Kuba angereisten Va 
ters, Gregory Craig, sprach von einer «sehr er 
folgreichen» Begegnung. Wie bekannt wurde, 
bereitet das Justizministerium nun einen Brief 
an Elians Verwandtein Miami (Florida) vor,die 
den Sechsjährigen seit Ende November betreu 
en. In dem Schreiben werden die Angehörigen 
darüber informiert, dass sie Elian in Kürze aus 
ihrer Obhut in die seines Vaters übergeben müs 
sen. Dies könne etwa Mitte Woche erfolgen, 
hiess es in US-Medienberichten. 
Rückführung von 
Flüchtlingen ausgesetzt 
GENF: Das Flüchtlinghilfswerk der Vereinten 
Nationen (UNHCR) hat die Rückführung af 
ghanischer Flüchtlinge nach Kandahar suspen 
diert, wie ein Sprecher am Freitag in Genf 
bekannt gab. Das UNO-Flüchtlinghilfswerk sah 
sich nach dem Angriff auf deren Büros in Kan 
dahar am Montag gezwungen, sein Personal ab 
zuziehen. Taliban-Soldaten hatten die Räum 
lichkeiten der UNO-Agentur geplündert und 
beschädigt. Die Soldaten bestätigten, dass sie 
den Oppositionsführer Ismail Kahn suchten, 
der am letzten Wochenende aus einem Gefäng 
nis in Kandahar geflüchtet war. Die Rück 
führung der Flüchtlinge würde erst wieder auf 
genommen, wenn das UNO-Personal nach 
Kandahar zurückkehren könne, hiess es am 
Freilag. Das UNHCR hat mit dem Iran, Pakis 
tan und Afghanistan ein Abkommen für die 
freiwillige Rückkehr von mindestens 200000 
afghanischen Flüchtlingen angekündigt. 
Russland setzt 
Tschetschenien-Krieg fort 
Solana forciert Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen 
MOSKAU: Russland will den 
Krieg in Tschetschenien trotz 
des drohenden Ausschlusses 
aus dem Europarat fortführen. 
«Die Antiterror-Opcration in 
Tschetschenien wird fortge 
setzt», sagte der für den Feld 
zug zuständige Kremlsprecher 
Sergej Jastrschembski am Frei 
tag in Moskau. 
Jastrschembski gab zudem bekannt, 
Abgeordneten der Parlamentari 
schen Versammlung des Europara 
tes werde bis auf weiteres kein Zu 
gang mehr nach Tschetschenien ge 
währt. «Bisher konnte die Ver 
sammlung eine gewisse Rolle in 
dem Geschehen in Russland spie 
len, aber diese Tür ist nun zu.» 
Die Versammlung hatte am Don 
nerstag das Ministerkomitee des 
Europarates aufgefordert, wegen 
der Menschenrechtsverletzungen in 
Tschetschenien den Ausschluss 
Russlands einzuleiten. 
«Geringes Bewusstsein» 
Präsident Wladimir Putin schob 
diesen Beschluss nach Angaben von 
Interfax' auf «ein zu geringes Be 
wusstsein für die Gefahr der Pro 
zesse, die im Nordkaukasus und in 
einigen Ländern Asiens ablaufen». 
Russland verteidige dort die Inter 
essen ganz Europas, sagte er. 
Der EU-Beauftragte für Sicherheitspolitik, Javier Solana (links), forderte bei 
seinem Besuch bei Wladimir Putin (rechts) eine Untersuchung gegen 'Men 
schenrechtsverletzungen. (Bild: Keystone) 
Aussenminister Igor Iwanow füg 
te bei, der Beschluss spiele dem in 
ternationalen Terrorismus in die 
Hände.Trotz der harschen Töne be 
kräftigte Präsident Wladimir Putin 
aber auch,sein Land wolle ungeach 
tet dieser Krise an dem Integrati 
onskurs mit Europa festhalten. 
Putin deutete nach Angaben von 
Itar-Tass ebenfalls an, zwei Europa- 
rats-Experten könnten trotzdem 
wie geplant im Büro des russischen 
Menschenrechts-Beauftragten für 
Tschetschenien, Wladimir Kalama- 
now, mitarbeiten. Dies sei auf Re 
gierungsebene und nicht mit den 
Abgeordneten vereinbart worden. 
«Keine Konfrontation» 
Der EU-Ratsvorsitzende und 
portugiesische Aussenminister Ja- 
mie Gama sagte nach einem Treffen 
mit Putin und dem EU-Beauftrag 
ten für Sicherheitspolitik, Javier So 
lana, in Moskau: «Wir wollen keine 
globale Konfrontation mit Russ 
land.» Die EU strebe eine strategi 
sche Partnerschaft mit Russland an, 
«auch wenn es in einigen Fragen 
Differenzen gibt.» 
Gama sagte weiter, Putin habe für 
die kommende Woche den Plan ei 
ner Friedensregelung für Tschet 
schenien angekündigt. Kreml- Spre 
cher Jastrschembski stellte jedoch 
richtig, es gehe nur um einen Ge 
setzentwurf über den künftigen po 
litischen Aufbau der Kaukasus-Re- 
publik. 
Solana forderte seinerseits eine 
«glaubwürdige Untersuchung der 
Menschenrechtsverletzungen in 
Tschetschenien». Er konnte zudem 
nach dem Treffen bekannt geben. 
Putin habe sein Einverständnis zu 
einem Besuch von Abgesandten der 
EU-Troika in der Kaukasusrepu 
blik Tschetschenien erklärt. Die 
Reise sei vorläufig für den 13. und 
14. April geplant. 
Auch die Tschetschenien-Mission 
der OSZE könne in der kommen 
den Woche ihre Arbeit vor Ort wie 
der aufnehmen. Unterdessen setzte 
die russische Luftwaffe die Angriffe 
gegen vermutete Rebellenstellun 
gen in Tschetschenien fort. Und bei 
einer Explosion in einem Flücht 
lingsheim im Westen Tschetscheni 
ens sind am Freitag zwei bis fünf 
Menschen getötet und zahlreiche 
verletzt worden. Spezialisten such 
ten nach der Ursache der Explosion. 
Menschen 
rechte bedroht 
BELGRAD: Das Belgrader 
Menschenrechtszentrum sieht 
die Menschenrechte in Jugosla 
wien zunehmend bedroht. Vojin 
Dimitrijevic, Direktor des Men 
schenrechtszentrums, machte 
dafür vor allem das Belgrader 
Regime verantwortlich. Das 
Zentrum veröffentlichte seinen 
Jahresbericht 1999, in dem Hun 
derte von Fällen verzeichnet 
sind. 
Anti-Rassismus-Büro in Wien 
EU äussert Kritik an Österreich - Keine Spitzenpolitiker bei Eröffnung 
WIEN: Unter demonstrativer Ab 
wesenheit aller EU-Spitzenpoliti- 
ker hat die EU ein Büro zur Beob 
achtung von Rassismus und Frem- 
denfeindlichkeit in Wien eröffnet. 
Von den eingeladenen 15 EU-Staat 
schefs war nur Österreichs Thomas 
Klestil zur Zeremonie gekommen. 
Ansprachen hielten neben Klestil 
auch EU-Kommissionspräsident 
Romano Prodi und die Präsidentin 
des Europarlaments, Nicole Fontai 
ne. 
Die 14 EU-Partner Österreichs 
haben Wien diplomatisch isoliert, 
weil die rechtspopulistische Frei 
heitliche Partei (FPÖ) an der öster- 
Soziale Marktwirtschaft 
PDS setzt auf soziale Marktwirtschaft - Bisky kandidiert nicht mehr 
MÜNSTER: Im Kampf für soziale 
Gerechtigkeit setzt die PDS an 
ihrem Parteitag in Münster auf das 
Modell der sozialen Marktwirt 
schaft des «rheinischen Kapitalis 
mus» West- und Nordeuropas. 
Die «in jahrzehntelangen Kämpfen 
errungene westeuropäische Sozial- 
staatlichkeit» müsse auf jeden Fall 
verteidigt werden, heisst es in einer 
«Politischen Erklärung» des PDS- 
Parteitages am Freitag. 
Fast einstimmig verabschiedeten 
die knapp 500 Delegierten der «Par 
tei des Demokratischen Sozialis 
mus» zum Auftakt der programma 
tischen Debatte diesen von Partei 
chef Lothar Bisky und den Ost-Lan 
desvorsitzenden eingebrachten In 
itiativantrag. 
Der rheinische Kapitalismus dür 
fe nicht von dem angelsächsischen 
Kapitalismus mit seiner «rück 
sichtslosen Konkurrenz und Privati 
sierung der sozialen Risiken» er 
setzt werden. 
Die PDS-Reformpolitik setze da 
bei zuerst auf eine neue Art der 
Vollbeschäftigung. Das heisse Ver 
kürzung der Arbeitszeit, Ausbau der 
öffentlich geförderten Beschäfti 
gung und Erschliessung neuer Ar 
beitsfelder im sozial-ökonomischen 
Umbau der Gesellschaft. «Wir 
wollen nicht Fairness gegenüber 
Parteitag der deutschen PDS: Lothar Bisky (links) im Gespräch mit Gregor 
Gysi wird nicht mehr für den Vorsitz kandidieren. 
den besser Verdienenden, sondern 
Solidarität mit den Benachteilig 
ten.» Dabei müssten der Reich 
tum und damit die Lebenschancen 
in der Gesellschaft neu verteilt wer 
den. 
Zugleich bekennt sich die PDS zu 
einer neuen Offenheit gegenüber 
der Gesellschaft. «Die PDS ist Teil 
der Gesellschaft der Bundesrepu 
blik - und als solcher strebt sie eine 
bessere, eine demokratisch-soziali 
stische Gesellschaft an.» Zu Beginn 
des Parteitags erklärte Parteichef 
Lothar Bisky erwartungsgemüss, er 
werde nicht erneut für den Vorsitz 
kandidieren. Bisky ist seit 1993 im 
Amt. Ohne Änderung des Partei- 
Status könnte er kein weiteres Mal 
antreten. 
Der PDS müsse ihr Profil als Par 
tei der sozialen Gerechtigkeit schar 
fen, sagte Bisky vor den Delegier 
ten. 
reichischen Regierung beteiligt ist. 
Sie werfen der FPÖ vor, mit frem 
denfeindlichen und rassistischen 
Parolen ihre Wahlkämpfe zu be 
streiten. 
Aus diesem Grund war auch kein 
Vertreter der gastgebenden öster 
reichischen Regierung zu der Eröff 
nung eingeladen. 
Mori setzt auf 
Kontinuität 
TOKIO: Japans neuer Minister 
präsident Yoshiro Mori hat in sei-, 
ner Antrittsrede vor dem Abge 
ordnetenhaus erwartungsgemäss 
auf Kontinuität gesetzt. Eine 
Wiederbelebung der Wirtschaft 
müsse Vorrang vor einer Ein 
dämmung der Staatsverschul 
dung haben;. Mori kündigte da-, 
mit die Fortsetzung des von sei-' 1 
nem Vorgänger Keizo Obuchi 
eingeschlagenen Kurses an. Steu- ' 
eranreize in Verbindung mit Ein 
nahmeausfällen des Staates 
durch einen Konjunkturein^chjf 
haben in Japan zur mit 130 Pro 
zent des Bruttoinlandsproduktes 
relativ höchsten Staatsverschul 
dung der Industriestaaten ge 
führt Aussenpolitisch wolle er 
unter anderem die Anstrengun 
gen für eine Verbesserung des ja 
panisch-russischen Verhältnisses 
fortsetzen und dafür Ende des 
Monats, wie angekündigt, den de- 
signierten russischen Präsiden 
ten WladiÄPutin treffenJBe2. ; 
sonderes Gewicht komme,auch 
den Beziehungen zu den USA i 
zu. Ein weiterer Schweipunkt der 
Aussenpolitik werde der nord- 
ostasiatische Raum sein. In en 
gem Kontakt mit der Regierung 
inj Washington und, Südkorea ; 
■ wolle er sich weiter für eine Nor 
malisierung der Beziehungen mit 
Nordkorea einsetzen.
	        

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