10 Freitag, 7. April 2000
KU LTU R
Liechtensteiner Volksblatt
Auch wer Shakespeare nicht kennt,
hat Spass dabei»
Gespräch mit dem Liechtensteiner Regisseur Nikolaus Büchel
Als zweite Eigenproduktion zeigt
das Theater am Kirchplatz das
Erfolgsstück «Shakespeares sämt
liche Werke (leicht gekürzt) von
Adam Long, Daniel Singer und
Jess Winfield. Das VOLKS
BLATT sprach mit dem Regisseur
Nikolaus Büchel.
Mit Nikolaus Büchel sprach
Ger'olf Hauser
VOLKSBLATT: Wie weit seid ihr mit
der Arbeit?
Nikolaus Büchel: Bei Komödien
muss gegen Ende der Proben eisern ge
bimst werden. Die Disziplin, das Ti-
ming. dasTür-auf-Tür-zu ist bei Komö
dien eine weitaus härtere Arbeit als bei
Tragödien. Und man darf diese harte
Arbeit nicht sehen, es soll ja eine
Komödie, etwas zum Lachen sein.
Wie gross ist die Freiheit des Regisseurs
hei diesem Stück?
Wenn man nicht eine gemeinsame
Freiheil mit den drei Schauspielern
(Michael Reiter, Gregor Seberg, Peter
Streimelweger) findet, steht man auf
verlorenem Posten. Ich hätte daher die
ses Stück niemals gemacht mit Leuten,
die ich überhaupt nicht kenne.
Bezieht sich die Freiheit auch auf das
Verändern des Textes, z.B. das Einbe
ziehen des Spielortes, also Liechten
stein?
Dieser «Shakespeare» ist eine Über
setzung aus dem Englischen; das allein
gibt Spielraum zur Veränderung. Dann
sind es drei Autoren, die das wie impro
visiert gespielt hatten, bevor sie es auf
schrieben. Also spielt die Improvisation
auch eine Rolle. Ich denke, das ist von
den Autoren auch so gemeint. Dadurch
entsteht ein besonderes Live-Moment.
Und ich bin Liechtensteiner; also habe
ich versucht, manches auch auf hier zu
beziehen.
Auch auf die spezielle TaK-Situation?
Das nicht. Obwohl ich mich frage,
warum so viel über diese Altlasten und
den Prozess gesprochen wird. Das über
deckt die gute Arbeit des TaK und der
Genossenschaft. Man muss unterschei
den zwischen dem, was auf der Bühne
geschieht und diesen Querelen, die nie
mals solchen Schaden angerichtet hät
Regisseur Nikolaus Büchel: «Ich fühle mich Klasse. Und ich bin gespannt auf das Publikum.»
(Bild: Gerolf Hauser)
ten, wenn man sie damals sofort erle
digt hätte. Zum Glück leben wir in ei
nem Rechtsstaat, der jetzt ein Urteil ge
sprochen hat. Das hat nichts zu tun mit
Sympathie zu Alois Büchel oder zu Ge
org Rootering. Die beiden sind Gott sei
Dank durch den «Vorgang Weiss» so
weit auseinander gerückt, dass da ei
gentlich kein Harm sein sollte.
Wie geht es Dir als Regisseur am TaK?
Ich sehe diese eigenartige Verbin
dung von zwei Sachen, die nicht zuein
ander gehören, mit der Folge von
schlecht besuchten Vorstellungen.
Wenn ich nachfrage, wie der Vorver
kauf ist, komme ich als «nur» künstle
risch hier Tätiger mit in diese Zwick
mühle. Das ist Unsinn, denn das TaK ist
wie jedes Theater ein geistig-seelischer
Servicebetrieb, den unsere Gesellschaft
dringend notwendig hat; man schaue
sich nur die TV- und Kinoprogramme
an. Ich habe mich für Liechtenstein ge
schämt, dass ich bei «Zweierlei Hel
den», über das überregional in Öster
reich, Deutschland und der Schweiz be
richtet wurde, mit 40 Leuten im Theater
sass. Die gut$künstlerische wie finanzi
elle Arbeit hjefjfruchtet nur, wenn die
se Altlasten Aufgearbeitet werden.
Ist das Blasphemie, Shakespeare zu
zertrümmern.£
Im GegenfBjjl.ghjakesneare selbst war
sozusagen^ b|Sj|jSniisch, war ein wun
derbarer jEroTOTaune. man denke an sei
ne Liebesszenen oder seine Texte für
Männer in Frauenkleidern usw. Es ist
aber nicht nur Sex beteiligt, sondern
auch das Herz. Und das macht ihn für
uns so wertvoll. Da wird nichts zer
trümmert, sondern eine gewisse Hoch
achtung weitertransportiert. Das Ironi
sche in dem Stück bezieht sich eher auf
die Art, wie Shakespeare oftmals ge
zeigt wird an Bühnen oder auf jene, die
aus Ehrfurcht vor ihm zerfliessen, also
auf den Umgang mit ihm.
Ist es Mode, Klassiker zu «demontie
ren»?
Ich meine, dass am Theater als eine
Kunstform das Denkmögliche zu den
ken ist, solange man niemanden ver
letzt. Kunst muss weder logisch noch
moralisch sein. Sie hat immer Denk
ecken vorbereitet, in die später die
Philosophie und Naturwissenschaft
hineingestossen sind. Aber natürlich
gibt es auch Moden, die, wie alle Mo
den, schnell wieder langweilig werden.
«Shakespeares sämtliche Werke» sind
aber alles andere als langweilig?
Das Stück ist auch eine Reflexion
über das Theater, zitiert Theatervorgän
ge und Theaterarchetypen, z.B. Re
gietheater, provinzielles Stadttheater,
verstaubtes Theater, Eitelkeit der
Schauspieler usw. - und das immer iro
nisch und mit einem Augenzwinkern.
Und ich habe drei Kaliber von Schau
spielern, die eine Riesenerfahrung mit
bringen, mit der sie diese gewisse Ar
chetypen wie Eitelkeiten, Kunstattitü
den, Pseudointellektualität und -provo-
kation, Verstaubtheit, Feigheit usw.
grossartig darstellen können. Das Stück
bietet die fast einmalige Chance, nicht
auf einer Farbe, einer Spielart sitzen zu
bleiben. Und es wird das Publikum mit
einbezogen. Aber keine Angst, nie
mand wird blossgestellt, niemand
kommt in die Situation, dass man sich
auf seine Kosten amüsiert. Aber auch
das wird thematisiert, d.h. wir können
das Publikum unterhalten und doch be
stimmte Verhaltensmuster sichtbar ma
chen. Das Stück lebt auch vom Sprin
gen zwischen original Shakespeare, d.h.
es gibt veritable Kurzfassungen seiner
Stücke, und dem Aufzeigen jener Ar
chetypen, vom spielerischen Reflektie
ren über Kunst,Theater und einen gros
sen Autor. Und selbst, wenn man Sha
kespeare nicht kennt, hat man Spass da
bei.
Wie fühlst Du Dich kurz vor der Pre
miere?
Ich fühle mich Klasse. Und ich bin ge
spannt auf das Publikum, das sich hof
fentlich auf die Schenkel klatscht und
vor Erstaunen den Mund aufsperrt, das
lachend denkt: Das kenn ich aus der
Schule und zugleich die grossartige
Poesie Shakespeares erlebt. Wie gesagt,
mir geht es sehr gut, weil wir sowohl die
Metaebene wie die Improvisatorik aus
loten konnten, das Aus-dem-Ärmel-
schütteln, wo man das Stück im Verlauf
des Abends sozusagen noch schreibt,
neben der Exaktheit, die ein Slapstick-
Stück erfordert. So wird mit Sicherheit
keine Vorstellung exakt der anderen
gleichen - da kenne ich meine Drei!
Heute Premiere
Heute Freitag, 7. April hat «Shakes
peares sämtliche Werke - leicht
gekürzt» um 20.09 Uhr im TaK Pre
miere. Regie in der zweiten TaK-
Produktion führt der Liechtenstei
ner Nikolaus Büchel, der als Regis
seur von «Der Ritter vom Eschner
berg» letztes Jahr bei den Festspie
len 300 Jahre Unterland bereits
glänzte.
Folgeaufführungen sind am Sams
tag, 8., Dienstag, 11., Freitag, 14.,
Samstag, 15. und Sonntag, 16. April.
Vorverkauf: von 10 bis 12 und 15 bis
18 Uhr,Telefon (00423) 237 59 69.
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