4 Donnerstag, 6. April 2000
inland
Liechtensteiner Volksblatt
«Liechtenstein darf es sich leisten,
selbstbewusst zu sein»
Regierungschef Mario Frick sprach in Zürich zum Thema: «Finanzdienstleistungsplatz Liechtenstein - Dichtung und Wahrheit»
«Liechtenstein wird auch weiter
hin einen Finanzdienstleistungs
platz auf hohem Niveau, mit kon
kurrenzfähigen und günstigen
Produkten sowie mit Schutz der
Privatsphäre anbieten. Gleichzei
tig soll durch die entsprechende
Strafgesetzgebung der Missbrauch
des Systems so schwer wie möglich
gemacht werden. Liechtenstein
will bei der Bekämpfung der Geld
wäscherei und bei der Verhinde
rung derselben einen Spitzenplatz
in Europa einnehmen.»
Diese Auffassung vertrat Regierung
schef Mario Frick in einem Vortrag, den
er gestern Abend auf Einladung der
Liechtensteinischen Landesbank
(Schweiz) AG im Grand Hotel Dolder
in Zürich hielt. Der Regierungschef
ging dabei vorerst auf die generelle Si
tuation im Zusammenhang mit Finanz
dienstleistungen in Europa und welt
weit ein und beleuchtete dann konkret
die Situation in Liechtenstein. Nachste
hende Passagen aus der Rede von Ma
rio Frick beziehen sich auf diesen zwei
ten Teil.
Wo steht Liechtensteins
Finanzdienstleistungsplatz?
Der liechtensteinische Finanzdienst
leistungsplatz ist sehr erfolgreich. Dies
hängt mit verschiedenen Aspekten zu
sammen.
Die fachlichen Fähigkeiten der Perso
nen auf dem Finanzdienstleistungsplatz
Liechtenstein sind sehr hoch. Man kann
vereinfacht feststellen, dass alle leiten
den Personen im Bereich der Finanz
dienstleistungen eine akademische Aus
bildung mit nachfolgender mehrjähriger
Praxis und einer Zusatzpriifung nach
weisen können. So ist beispielsweise der
Beruf eines Treuhänders in Liechten
stein davon abhängig, dass man eine
Ausbildung auf hohem, in der Regel
akademischem Niveau absolviert hat, ei
ne dreijährige qualifizierte Praxis vor
weisen kann und dann eine sehr an
spruchsvolle Prüfung besteht.
Weiters kann Liechtenstein verschie
dene sehr attraktive Produkte anbieten,
welche unser Land zu einem diversifi-
zierten Finanzdienstleistungsplatz wer
den Hessen. Es darf in diesem Zusam
menhang daran erinnert werden, dass
erst seit wenigen Jahren eigenständige
liechtensteinische Versicherungen tätig
sind, die einen neuen Sektor aufbauen.
Gerade im Bereich der sogenannten
captives, der Eigenversicherungen für
spezielle Bereiche, scheint Liechtenstein
eine gute Ausgangsposition zu haben. In
den letzten Jahren haben sich auch neue
Produkte entwickelt, wie beispielsweise
Fonds, die mit grossem Erfolg in Liech
tenstein und von Liechtenstein aus ver
marktet und verwaltet werden.
Die Öffnung, welche aufgrund des
EWR notwendig wurde, hat den Ban
kenplatz Liechtenstein von 5 auf 13 Ban
ken anwachsen lassen. Bei den neuen
Banken handelt es sich um kleine Ban
ken, die noch relativ wenig zum Gesamt
volumen der in Liechtenstein verwalte
ten Gelder beitragen.
Aufsicht und Kontrolle
Zum Standort gehören aber auch das
gesetzliche, bzw. regulatorische Umfeld,
das traditionellerweise liberal ist. Dieses
gute Umfeld bedarf aber auch der Auf
sicht und der Kontrolle. Liechtenstein
hat diesbezüglich in den letzten Jahren
eine solide Basis erarbeitet: Wir haben
eine Sorgfaltspflichtgesetzgebung sowie
eine Gesetzgebung gegen die Geldwä
scherei und gegen das organisierte Ver
brechen, die europäisches Niveau auf
weisen. Dies kann übrigens auch im Be
richt der EFTA-Überwachungsbehörde,
der ESA nachgelesen werden. Die ESA
ist diejenige Behörde, die überprüft, ob
die Richtlinien des EWR im jeweiligen
Staat korrekt umgesetzt wurden. Ein
Regierungschef Mario Frick: «Was derzeit über Liechtenstein verbreitet wird, kann teilweise nicht einmal mehr mit Dichtung
abgestempelt werden. Teilweise handelt es sich um ausgemachte Schauermärchen.»
erst kürzlich veröffentlichtes Gutachten
des renommierten deutschen Strafrecht
lers Prof. Samson aus Kiel hat belegt,
dass die liechtensteinischen Regelungen
mit denjenigen anderer Staaten ver
gleichbar sind und effizient eingesetzt
werden können.
Auch der Vollzug der bestehenden
Gesetze klappt also weitestgehend. Wir
haben aber, und das ist leider zu konzi-
dieren, gerade im Bereich der Rechtshil
fe in Strafsachen in den letzten Monaten
und Jahren gesetzes- und vollzugsbe-
dingte Unzulänglichkeiten feststellen
müssen. Diese gilt es zu korrigieren.
Handlungsbedarf
Die Ausgangslage ist somit auch im
europäischen Vergleich gut. Fakt ist
aber, dass ein liberaler Platz wie Liech
tenstein und gerade der Kleinstaat
Liechtenstein in besonderem Masse dar
auf angewiesen ist, darlegen zu können,
dass hohe Qualität und Sorgfalt bei den
Geschäften Anwendung finden. Wenn
dann Vorwürfe wie im Herbst letzten
Jahres auftauchen, die das ganze Land
und die Behörden in eine Schmuddel
ecke drängen, so ist dies für Liechten
stein schädlich. Zum einen gilt es dazu
festzuhalten, dass die Vorwürfe in ihrer
Pauschalität nicht stimmen. Selbstver
ständlich muss man vermuten, dass es
auch in Liechtenstein wie in anderen
Staaten Geldwäscherei gibt; auch in
Liechtenstein passieren Fehler. Die
geäusserten Vorwürfe sind aber in dieser
Form unsachlich, teilweise sogar gro
tesk.
Die Regierung hatte schon 1999 ver
schiedene Schritte in die Wege geleitet,
welche die Qualität des Finanzplatzes
Liechtenstein noch einmal verbessern
sollen. Es sind dies verschiedene Punkte,
die teilweise auch heute von Aussen zur
Kritik Anlass gegeben haben. Sie betref
fen vor allem drei Bereiche:
1. Geldwäschereiartikel und
Strafgesetzbuch
Der liechtensteinische Geldwäsche
reiartikel wurde aus dem österreichi
schen Strafgesetzbuch rezipiert. Damit
Geldwäscherei strafbar ist, muss sie
nicht nur vorsätzlich, sondern wissent
lich - die stärkste Form des Vorsatzes -
begangen werden. Die Wissentlichkeit
bezieht sich auf die Kenntnis des Täters,
dass das entsprechende Vermögen kri
minellen Ursprungs ist. Es hat sich ge
zeigt, dass der Nachweis der Wissentlich
keit strafprozessrechtlich und strafver-
folgungsmässig äusserst schwer möglich
ist und daher eine erhebliche Hürde für
die Verurteilung darstellt. Die Regie
rung wird daher dem Landtag vorschla
gen, den Aspekt der Wissentlichkeit aus
dieser Strafbestimmung zu streichen
und durch den einfachen Vorsatz zu er
setzen. Zudem soll das Strafgesetzbuch
durch die Möglichkeit der sogenannten
selbstständigen Einziehung krimineller
Gelder ergänzt werden. Die selbststän
dige Einziehung bringt die Möglichkeit
mit sich, Gelder kriminellen Ursprungs
auch dann einzuziehen, wenn kein eige
nes Inlandsverfahren hängig oder mög
lich ist.
2. Sorgfaltspflichtgesetz
Das liechtensteinische Sorgfalts
pflichtgesetz von 1996 war ein wichtiger
und guter Schritt in die richtige Richtung.
Mit diesem Gesetz wurden verschiedene
Sorgfaltspflichtmassnahmen gesetzlich
festgeschrieben und es wurde festgehal
ten, dass die Einhaltung dieser Bestim
mungen durch externe Kontrollen über
prüft wird. Nach nun etwas mehr als drei
Jahre Erfahrungen mit diesem Gesetz
kann festgestellt werden , dass verschie
dene Verbesserungen notwendig sind.
Die wichtigsten sind die folgenden:
Die bisherige formelle Kontrolle der
Einhaltung der Sorgfaltspflichten wird
durch die Einführung einer materiellen
Kontrolle bzw. einer sogenannten Plausi-
bilitätskontrolle ergänzt werden. Der Fi
nanzdienstleister hat im Rahmen dieser
Kontrolle plausibel darzulegen, ob und
insbesondere wie er seinen Sorgfalts
pflichten gerecht geworden ist. Auch die
einzelnen Sorgfaltspflichten als solche
erfahren eine Verstärkung. Dies betrifft
insbesondere die Herabsetzung der Vor
aussetzungen für die Pflicht zu. vertieften
Abklärungen der Herkunft von Vermö
genswerten oder etwa der wirtschaftli
chen Hintergründe einer Transaktion
und damit zusammenhängend die Mel
depflicht bei Auffälligkeiten. Diese wird
klarer ausformuliert und damit dem zu
ständigen Amt ein klareres Portefeuille
an Kompetenzen zugestanden.
In der Vergangenheit hat immer wie
der die Frage für Unsicherheit gesorgt,
wann genau denn eine Verdachtsmel
dung beim Amt für Finanzdienstleistun
gen vorzubringen sei. Dies soll im Gesetz
neu klarer geregelt werden, so dass nicht
wie bisher erst bei dringenden Ver
dachtsmomenten eine Meldepflicht be
steht, sondern auch dann, wenn begrün
deter Verdacht erwachsen ist. Ebenfalls
wird klar dargelegt, dass der Finanzin
termediär, der bei der Meldung die not
wendige Sorgfalt an den Tag legt, von all
fälligen Haftungsansprüchen explizit be
freit ist.
3. Rechtshilfegesetz
Wie ich ausführen konnte, hat es im
Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen
Unzulänglichkeiten gegeben. Ich möch
te aber auch daraufhinweisen, dass deut
lich über 90 % der Rechtshilfegesuche
rasch und speditiv abgewickelt wurden.
Bei komplizierteren Fällen und vor al
lem dann, wenn die rechtlichen Be
schwerdemöglichkeiten ausgeschöpft
wurden, kam es zu nicht akzeptablen
Verzögerungen, ja sogar in Einzelfällen
zu einer faktischen Verweigerung und
Verhinderung der Rechtshilfe. Dies
kann und darf nicht sein. Auf gesetzli
cher Ebene sollen daher die notwendi
gen Anpassungen vorgenommen wer
den. Diese Anpassungen werden zu ei
ner Totalrevision des Rechtshilfegeset
zes führen. Nachdem schon das Strafge
setzbuch und die Strafprozessordnung
aus dem österreichischen Recht rezi
piert wurden, drängt es sich auf, auf das
österreichische Rechtshilfegesetz als
Rezeptionsgrundlage zurückzugreifen.
Mit dem neuen Gesetz soll ein gestraff
tes Verfahren und eine raschere Ab
wicklung gewährleistet werden. Berech
tigte Interessen wie die Ausklammerung
der Steuerdelikte bei der Rechtshilfe
bleiben unberührt. Auf Gerichtsseite ist
darauf zu achten, dass entsprechende
Ansuchen rasch und speditiv erledigt
werden. Das neue Gesetz wird diesbe
züglich sehr hilfreich sein.
Kritik an Liechtenstein -
Dichtung oder Wahrheit?
Man musste sich in den letzten Mo
naten in derTat bemühen,einmal nichts
über Liechtenstein zu lesen. Leider war
dabei beim Lesen der Zeitungen meis
tens nur wenig über die Schönheit des
Landes, den Fleiss und Erfolg der Men
schen, oder die Bemühungen, Liechten
stein als Kulturplatz zu stärken, zu le
sen. Vielmehr wurde vor allem Kritik
geübt. War nun diese Kritik in dieser
Form berechtigt oder nicht? Meines Er
achtens darf es sich Liechtenstein leis
ten, selbstbewusst zu sein. Wir stehen
mit unseren Qualitätsstandards mit Si
cherheit auf europäischem Niveau.Teil-
weise wurden Vorwürfe nach Liechten
stein gesendet, die ganz offensichtlich
zum Ziel hatten, Verantwortungen zu
verschieben. Auch die Schweiz musste
ähnliche Erfahrungen machen, wenn
beispielsweise Vorwürfe erhoben wer
den, dass bestimmte Personen Konti in
der Schweiz führten. Wenn bekannter-
massen kriminelle Personen Konti ein
richten und dies kritisiert wird, so habe
ich Verständnis für die Kritik. Wenn es
aber plötzlich anrüchig sein soll, wenn
angesehene Politiker ihre Konti in der
Schweiz hatten, dann halte ich diese
nachträgliche Verschiebung von Ver
antwortung für stossend.
Seriöse Rahmenbedingungen
Mir kommt es in der gegenwärtigen
Diskussion manchmal so vor, dass relativ
willkürlich jemand herausgegriffen wird,
der für Missstände, die teilweise an ganz
anderen Orten aufgetreten sind, herhal
ten soll. Lassen sie mich bildlich spre
chen: Wenn ein Ganove in einem erst
klassigen Hotel absteigt, nachdem er zu
vor an einem anderen Ort Verbrechen
begangen hat, so würde ich vorschlagen,
den Ganoven zu bestrafen und allenfalls
zu prüfen, ob am Ort des Tatherganges
die notwendigen Sorgfaltsmassnahmen
getroffen wurden. Ich würde aber davon
abraten, den Hotelier zu kriminalisieren.
Wenn wir beim Bild des Hotels bleiben,
so kann und soll man verlangen, dass der
Hotelier eine gute Ausbildung vorweist,
dass er sich nach seinen Möglichkeiten
über die Kunden in seinem Hotel Klar
heit verschafft und einen guten Service
anbietet. Ein guter Hotelier wird die Pri
vatsphäre seiner Gäste schützen, aber
mit den Strafverfolgungsbehörden zu
sammenarbeiten, wenn es darum geht,
einen Ganoven dingfest zu machen.
Liechtenstein hat genau diese Punkte
in seiner Gesetzgebung umgesetzt. Wir
haben uns dafür entschieden, nicht allein
auf die Selbstregulierung des Finanz
dienstleistungssektors zu vertrauen, son
dern mit den notwendigen Gesetzen und
den dazugehörenden Aufsichtsorganen
gesicherte und seriöse Rahmenbedin
gungen zu setzen.
Für sachlichen Dialog
Ich habe ausgeführt, dass Selbstbe-
wusstsein auch bedeutet, dass man sich
seiner Schwächen bewusst ist und ver
sucht, diese auszumerzen. Wir nehmen
damit auch die berechtigte Kritik in ver
schiedenen Einzelpunkten entgegen.
Das Einzige was wir verlangen, ist ein
sachlicher Dialog; ein Dialog zwischen
souveränen Staaten und nicht ein Diktat
von «oben nach unten».
Die Diskussion über und gegen Liech
tenstein wurde ja durch eine Medienbe
richterstattung über ein BND-Dossier
ausgelöst. Ich kann Ihnen hier und heu
te noch einmal mitteilen, dass die pau
schalen Vorwürfe gegen die Behörden
sich in keiner Art und Weise haben er
härten lassen. Das BND-Dossier konnte
lediglich in Einzelfällen Hinweise geben,
denen von Sonderstaatsanwalt Dr. Kurt
Spitzer nachgegangen wird. Vereinzelt
hat dies auch zu eigentlichen staatsan
waltschaftlichen Untersuchungen ge
führt. Es ist nun aber bezeichnend, wie
regelmässig doch wieder auf dieses Dos
sier Bezug genommen ist, um Liechten
stein in eine Ecke zu drängen. Es zeigt
nämlich wie dünn die Seile sind, an de
nen die entsprechenden Vorwürfe auf
gehängt sind.
Strategie Liechtensteins
Die Vorwürfe der letzten Monate hat
ten sowohl eine gute als auch eine
schlechte Seite. Die gute Seite ist, dass ei
ne Sensibilisierung stattfand, die es uns
sicherlich erleichtern wird, notwendige
Ergänzungen und Optimierungen im
Bereich der Sorgfaltspflicht und der
Bekämpfung der Kriminalität vorzuneh
men. Die negative Seite ist, dass der Ruf
Liechtensteins unnötig und ungerecht
fertigt beschädigt wurde und dass teil
weise durch übertriebene Vorwürfe eini
ges an berechtigten Punkten fast überse
hen wurde. Ich kann daher ganz kurz die
Schlussfolgerung, die gleichzeitig auch
die Strategie Liechtensteins ist, darstel
len:
Liechtenstein wird auch weiterhin ei
nen Finanzdienstleistungsplatz auf ho
hem Niveau,mit konkurrenzfähigen und
günstigen Produkten sowie mit Schutz
der Privatsphäre anbieten. Gleichzeitig
soll durch die entsprechende Strafge
setzgebung, durch eine speditive Rechts
hilfe in Strafsachen und insbesondere
durch eine strenge Sorgfaltspflicht der
Missbrauch des Systems so schwer wie
möglich gemacht werden. Liechtenstein
will bei der Bekämpfung der Geldwä
scherei und bei der Verhinderung dersel
ben einen Spitzenplatz in Europa ein
nehmen.