Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Donnerstag, 30. März 2000 3 
Vorschläge der Verfassungskominission 
Art. 
Nr. 
Geltende Verfassung 
vom 5. Oktober 1921 
Abänderungsvorschlag der Verfassungskommission 
vom 29. Juni 1998 (sog. «Non Paper» an S.D. den Landesfürsten) 
Kommentar zu den Abänderungsvorschlägen 
gemäss Brief vom 1. Juli 1998 an S.D. den Landesfürsten 
1 
1) Das Fürstentum Liechtenstein bildet in 
der Vereinigung seiner beiden Landschaften 
Vaduz und Schellenberg ein unteilbares und 
unveräusserliches Ganzes; die Landschaft 
Vaduz (Oberland) besteht aus den Gemein 
den Vaduz, Balzers, Planken, Schaan,Triesen 
und Triesenberg, die Landschaft Schellen 
berg (Unterland) aus den Gemeinden 
Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell und 
Schellenberg. 
2) Vaduz ist der Hauptort und der Sitz der 
Landesbehörden. 
Abs. 1 bleibt unverändert. 
2) Vaduz ist der Hauptort und der Sitz der Regierung 
Die vorgeschlagene Abänderung von Absatz 2 war unbestritten. Der 
Vorschlag des Landesfürsten, Artikel 1 Absatz 1 dahingehend abzuän 
dern, dass es jeder einzelnen Gemeinde überlassen bleibt, aufgrund eines 
Mehrheitsbeschlusses der dort ansässigen Bürgerinnen und Bürger aus 
dem Staatsverband auszutreten, erschien der Verfassungskommission zu 
weitgehend. Diese Bestimmung soll in erster Linie die Solidarität und das 
Zusammenstehen der 11 Gemeinden und zwei Landschaften dokumen 
tieren. Der Einzelperson steht es ohnehin - auch ohne Erwähnung in der 
Verfassung-jederzeit frei, aus dem Staatsverband auszutreten. Ein Aus 
scheiden von Gemeinden und damit eine Veränderung des Staatsgebie 
tes soll jedoch nur mit Genehmigung des Verfassungsgesetzgebers (und 
dadurch bewirkter entsprechender Abänderung von Artikel 1 Absatz 1 
der Verfassung) möglich sein. 
3 
Die im Fiirstenhause Liechtenstein erbliche 
Thronfolge, die Volljährigkeit des Landes 
fürsten und des Erbprinzen sowie vorkom- 
mendenfalls die Vormundschaft werden 
durch die Hausgesetze geordnet. 
1) Das Hausgesetz des Fürstlichen Hauses Liechtenstein stellt eine au 
tonome Satzung des Fürstlichen Hauses dar. Das Hausgesetz ist soweit 
allgemein verbindlich, als es die in Absatz 2 genannten Belange regelt. 
2) Das Hausgesetz bestimmt mit allgemein verbindlicher Wirkung über: 
a) die erbliche Thronfolge im Fürstenhause Liechtenstein 
b) die Volljährigkeit des Landesfürsten und des Erbprinzen 
c) vorkommendenfalls die Vormundschaft des Landesfürsten und des 
Erbprinzen 
d) die Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Fürstenhaus sowie die zu 
führenden Adelstitel 
e) die Gültigkeit von Adoptionen und Eheschliessungen, welche das Fürs 
tenhaus betreffen, soweit diese Akte das Vermögen des Fürstenhauses, 
die Titel und die Stellung betreffen. 
3) Das Hausgesetz wird von den stimmberechtigten Mitgliedern des 
Fürstlichen Hauses Liechtenstein erlassen. Das Nähere dazu wird im 
Hausgesetz selbst geregelt. Hinsichtlich der in Absatz 2 aufgeführten Ma 
terien bedarf es zu seiner Gültigkeit der Zustimmung des Landtages, der 
Gegenzeichnung des Regierungschefs sowie der Kundmachung im Lan 
desgesetzblatt. 
4) Sämtliche von Fürst Johann I. von Liechtenstein (1760 bis 1836) ab 
stammenden Mitglieder des Fürstenhauses sind liechtensteinische 
Staatsbürger. Die jeweilige Fürstin und Erbprinzessin erwerben mit der 
Eheschliessung die liechtensteinische Staatsangehörigkeit. 
Die Kommission war bemüht, hier einerseits den Wunsch des Fürsten- 
, hauses nach Wahrung seiner Autonomie zu respektieren und anderer 
seits eine heutigen rechtsstaatlichen Vorstellungen entsprechende Vor 
schrift zu formulieren. Die den staatlichen Rechtsbereich tangierenden 
Inhalte des Hausgesetzes sollen daher auch dem Landtag vorgelegt wer 
den (der allerdings keinerlei Abänderungen vornehmen kann, sondern 
nur pauschal zustimmen oder ablehnen), während andererseits der Ka 
talog der im Hausgesetz mit Allgemeinverbindlichkeit zu regelnden 
Rechtsbereiche erweitert wurde. Zudem soll die bisher formalrechtlich 
etwas unorthodox im Landesgesetzblatt 1919 Nr. 10 geregelte Vorschrift 
betreffend die liechtensteinische Staatsbürgerschaft der Mitglieder des 
Fürstenhauses in unzweideutiger Art in der Verfassung selbst niederge 
legt werden. 
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Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der 
Sanktion des Landesfürsten. 
1) Jedes Gesetz bedarf, unter Vorbehalt von Absatz 2 dieser Bestimmung, 
zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten. 
2) Lehnt der Landesfürst die Sanktion eines Gesetzes ab oder erfolgt in 
nert 6 Monaten ab Verabschiedung eines Gesetzes durch den Landtag 
keine Sanktion des Landesfürsten, so kann der Landtag unter Vorbehalt 
von Absatz 3 mit der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder beschlies- 
sen, über diesen Gesetzesbeschluss eine Volksabstimmung durchzu 
führen. Entscheidet sich in der Volksabstimmung die absolute Mehrheit 
der im ganzen Land gültig abgegebenen Stimmen für die Annahme die 
ses Gesetzesbeschlusses, so ersetzt dies die Sanktion des Landesfürsten. 
3) Bei einer Aufhebung oder Abänderung der Artikel 2,3,7,8,9,10,11, 
12,13,13bis, 48,49,51,54,55,64,65,70,78,79,80,85,86,87,92,97,99,100, 
102,105 und 109 der Verfassung, soweit dadurch die rechtliche Stellung 
des Landesfürsten betroffen ist, kann die Sanktion des Landesfürsten 
nicht durch Volksabstimmung im Sinne von Absatz 2 ersetzt werden. 
Strebt man eine stärkere Demokratisierung des Staates an, so führt nach 
Ansicht der Kommission kein Weg an einer Überarbeitung von Artikel 9 
vorbei, da dieser die demokratischen Rechte des Volkes, die zuvor in Form 
eines Landtagsbeschlusses oder einer Volksabstimmung (oder von beiden) 
wahrgenommen wurden, am stärksten beschneidet. Die Kommission 
glaubt, mit diesem Vorschlag, der dem Landtag bei einer Sanktionsverwei 
gerung die Möglichkeit der Abhaltung einer die Sanktion ersetzenden 
Volksabstimmung ermöglicht, ohne dass auf diese Art aber Verfassungs 
bestimmungen betreffend die Rechtsstellung des Landesfürsten gegen 
dessen Willen abgeändert werden können, eine Lösung gefunden zu ha 
ben, die mit Sicherheit eine stärkere Demokratisierung des Staates bein 
haltet, ohne jedoch die politisch starke Stellung des Landesfürsten ernst 
haft zu beeinträchtigen. Es kann wohl mit einiger Sicherheit davon ausge 
gangen werden, dass der Landtag in der Praxis nur dann einen solchen Be- 
schluss auf Durchführung einer Volksabstimmung fassen wird, wenn es 
sich um ein Thema handelt, bei dem bekannt ist, dass das Volk in grosser 
Mehrheit die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes wünscht. Für 
diesen Fall erscheint die stärkere Gewichtung der Volksmeinung im Sinne 
der angestrebten Demokratisierung aber auch gerechtfertigt. 
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Der Landesfürst wird ohne Mitwirkung des 
Landtages durch die Regierung die zur Voll 
streckung und Handhabung der Gesetze er 
forderlichen, sowie die aus dem Verwal- 
tungs- und Aufsichtsrechte fliessenden Ein 
richtungen treffen und die einschlägigen 
Verordnungen erlassen (Art. 92). In dringen 
den Fällen wird er das Nötige zur Sicherheit 
und Wohlfahrt des Staates vorkehren. 
In dringenden Fällen wird der Landesfürst das Nötige zur Sicherheit und 
Wohlfahrt des Staates durch Erlass von Notverordnungen, die der Ge 
genzeichnung des Regierungschefs bedürfen, vorkehren. Notverordnun 
gen bedürfen der Zustimmung durch den Landtag oder gegebenenfalls 
durch den Landesausschuss innert einer Frist von 4 Wochen ab ihrem Er 
lass, widrigenfalls sie wieder ausser Kraft treten. Erfolgt die Zustimmung 
durch den Landesausschuss, hat der Landtag nach seiner Wiedereinbe 
rufung innerhalb von 4 Wochen darüber zu entscheiden, widrigenfalls sie 
ausser Kraft treten. Notverordnungen können diese Verfassung mit Aus 
nahme der zeitweiligen Ausserkraftsetzung der in den Artikeln 28,31,32, 
34,36,38,40 und 41 gewährleisteten Grundrechte nicht abändern oder 
aufheben. 
Auch bei der hier vorgeschlagenen Erweiterung der Bestimmung über 
den Erlass von Notverordnungen geht es neben der Beseitigung von In 
terpretationsunsicherheiten wegen der derzeitigen rudimentären Fas 
sung dieser Bestimmung um Stärkung der Demokratie und des Rechts 
staates. Der mit einer Notverordnungskompetenz des Staatsoberhauptes 
angestrebte Zweck wird nicht gefährdet, wenn solche Notverordnungen 
dem ordentlichen Gesetzgeber im Nachhinein zur Bestätigung vorgelegt 
werden. Insbesondere im Hinblick auf die kleinen liechtensteinischen 
Verhältnisse ist nach Ansicht der Kommission mit Sicherheit davon aus 
zugehen, dass die hier vorgeschlagene nachträgliche Genehmigung durch 
Landtag oder Landesausschuss das wirksame Operieren mit Notverord 
nungen im Notfall nicht beeinträchtigt. Zur Stärkung des Rechtsstaates 
scheint es andererseits zweckmässiger zu sein festzuhalten, dass per Not 
verordnung zwar ohne Einhaltung des normalen Gesetzgebungsweges in 
einem Sonderfall rasch das Nötige vorgekehrt werden kann, ohne dass 
dabei aber - von einigen Ausnahmen abgesehen - der Inhalt der Verfas 
sung ausser Kraft gesetzt werden kann. 
11 
Der Landesfürst ernennt unter Beobachtung 
der Bestimmungen dieser Verfassung die 
Staatsbeamten. Neue ständige Beamtenstel 
len dürfen nur mit Zustimmung des Landta 
ges geschaffen werden. 
1) Der Landesfürst ernennt unter Beobachtung der Bestimmungen die 
ser Verfassung die Staatsbeamten. Er kann dieses Recht ganz oder teil 
weise an die Regierung delegieren. 
2) Neue ständige Beamtenstellen dürfen nur mit Zustimmung des Land 
tages geschaffen werden. 
Als rechtsstaatliche Absicherung der derzeitigen Delegationspraxis er 
scheint es zweckmässig, dieses Recht des Landesfürsten ausdrücklich in der 
Verfassung zu erwähnen. Es sei zu Artikel 11 auch noch bemerkt, dass es 
die Kommission für zweckmässig ansehen würde, in dieser Bestimmung die 
Kompetenz zur Ernennung der Beamten auf die Regierung zu übertragen. 
Da die Kommission aber davon ausgeht, dass der Landesfürst einer solchen 
Kompetenzverlagerung nicht zustimmen würde, wenn nicht gleichzeitig das 
Vorschlagsrecht für alle Richter auf den Landesfürsten übertragen wird - 
was die Kommission in diesem «Non Paper» nicht vorsieht - wird auf die 
Erstattung eines entsprechenden Vorschlages verzichtet. 
65 
1) Ohne Mitwirkung des Landtages darf kein 
Gesetz gegeben, abgeändert oder authentisch 
erklärt werden. Zur Gültigkeit eines jeden Ge 
setzes ist ausser der Zustimmung des Landtages 
die Sanktion des Landesfürsten, die Gegen 
zeichnung des verantwortlichen Regierungs 
chefs oder seines Stellvertreters und die Kund 
machung im Landesgesetzblatte erforderlich. 
2) Überdies findet nach Massgabe der An 
ordnungen des folgenden Paragraphen eine 
Volksabstimmung (Referendum) statt. 
1) Ohne Mitwirkung des Landtages darf kein Gesetz gegeben, abgeän 
dert oder authentisch erklärt werden. Zur Gültigkeit eines jeden Geset 
zes ist ausser der Zustimmung des Landtages die Sanktion des Landes 
fürsten, in einem Falle des Artikel 9 Absatz 2 dieser Verfassung die ab 
solute Mehrheit der gültigen Stimmen bei einer Volksabstimmung, die 
Gegenzeichnung des verantwortlichen Regierungschefs oder seines 
Stellvertreters und die Kundmachung im Landesgesetzblatt erforderlich. 
2) Überdies findet nach Massgabe der Anordnungen des folgenden Ar 
tikels eine Volksabstimmung (Referendum) statt. 
Diese Ergänzung wird im Fall einer entsprechenden Abänderung von 
Artikel 9 notwendig.
	        

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