Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

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Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Donnerstag, 13. Januar 2000 31 
Nachrichten 
US-Justiz beharrt auf 
Elians Rückkehr 
WASHINGTON: Die 
Bundesbehörden der 
USA beharreil darauf, 
dass der kubanische 
Flüchtlingsjunge Eli- 
an Gbnzalez in seine 
Heimat zurückge 
schickt wird. An eine 
Rückführung unter 
Zwang sei derzeit je 
doch nicht gedacht, 
schrieb US-Justizmi- 
nisterin Janet Reno 
am Mittwoch an die 
Anwälte der Ver 
wandten von Glian in 
Miami. Reno sprach dem Familiengericht in 
Florida die Zuständigkeit in dem Fall ab. Zu 
ständig seien in dem Ginwanderungsfall die 
Bundesgerichte. Für ein Asylverfahren gebe es 
momentan keinen Anlass. Elians einziger recht 
mässiger Vertreter sei sein in Kuba lebender Va 
ter. Die Entscheidung einer Familienrichterin, 
Elians Verwandten in Florida einstweilig das 
Sorgerecht zuzusprechen, wies Reno zurück. 
Der sechsjährige Junge war Ende November in 
den Küstengewässern von Florida von Fischern 
gerettet worden. Seine Mutter und sein Stief 
vater waren bei dem Fluchtversuch in die USA 
ertrunken. 
Bosnische Moslem- 
Familie ermordet 
PRISTINA: Unbekannte haben im Kosovo vier 
Mitglieder einer bosnischen Familie ermordet. 
Die Opfer - drei Frauen und ein Mann - seien 
in einem Haus in der Stadt Prizren gefunden 
worden, teilte die Friedenstruppe KFOR am 
Mittwoch in Pristina mit. Die Toten wiesen 
Schusswunden auf. Sie gehörten zur Minderheit 
bosnischer Moslems in der Provinz. Das Motiv 
sei noch unbekannt. Der UNO-Verwalter für 
das Kosovo, Bernard Kouchner, verurteilte die 
Tat. Die Probleme im Kosovo seien nur ohne 
Gewalt zu lösen. Seit dem Abzug der serbischen 
TYuppen aus dem Kosovo im Juni kommt es fast 
täglich zu Racheakten gegen die nicht-alba 
nischstämmige Bevölkerung. Dabei werden 
nach einem Bericht der Organisation für Si 
cherheit und Zusammenarbeit in Europa (OS 
ZE) vom Dezember alle Serbisch sprechenden 
Kosovo-Albaner zur Zielscheibe der Gewalt. 
Polizisten in 
Albanerdorf getötet 
SKOPJE: In einem Albanerdorf in Mazedonien 
sind drei Polizisten getötet worden, als Unbe 
kannte eine Polizeistreife angriffen. Sonderein 
heiten riegelten darauf die Ortschaft Aracinovo 
bei Skopje ab, wie die Belgrader Nachrichten 
agentur Beta am Mittwoch aus Skopje unter 
Berufung auf mazedonische Medien berichtete. 
Autos mit ausländischen Kennzeichen würden 
überprüft, berichtete die Agentur. Die UNO- 
Mission (UNMIK) in der Kosovo-Hauptstadt 
Pristina erklärte, ein Grenzübergang bei Tetovo 
von Mazedonien in das Kosovo sei geschlossen 
worden, ohne dass ein Grund bekannt sei. In Te 
tovo und dem Umland leben überwiegend Al 
baner. Die Ortschaft Aracinovo wurde in den 
Medien als Sitz der albanischen Mafia bezeich 
net, die den Waffen-, Drogen und Zigaretten 
schmuggel kontrolliert. 
Europäische 
Lebensmittelbehörde? 
BRÜSSEL: Die EU-Kommission will für die 
EU eine zentrale Lebensmittelbehörde schaf 
fen. Zudem schlägt sie nach mehreren Lebens 
mittelskandalen der vergangenen Zeit umfas 
sende Rechtsreformen vor. Die Vorschläge der 
EU-Kommission wurden in Form eines Weiss 
buchs am'Mittwoch in Brüssel vorgelegt. Ziel ist 
das Erreichen eines hohen Masses an Lebens 
mittelsicherheit, wie der für Gesundheits-und 
Konsumentenschutz zuständige EU-Kommissar 
David Byrne vor den Medien sagte. Zurückge 
wonnen werden soll so das angeschlagene Ver 
trauen der Konsumenten. Laut Byrne waren die 
Auswirkungen von BSE-, Dioxin-und anderen 
Krisen zu spüren, als die Konsumenten in be 
stimmte Produkte das Vertrauen verloren. Da 
bei habe sich der Einkaufswagen als «Waffe» des 
Konsumenten erwiesen. Das Weissbuch der EU- 
Kommission sieht im wesentlichen die Bildung 
einer unabhängigen europäischen Lebensmit- 
,telbehörde sowie über 80 einzelne Massnahmen 
im Bereich der Rechtsvorschriften vor. Die 
Behörde soll bis 2002 geschaffen werden. 
Pinochet bald frei? 
Ärzte halten 84-jährigen Ex-Diktator für prozessunfähig 
LONDON: Der chilenische 
Ex-Diktator Augusto Pinochet 
kann nach dem Hausarrest in 
London wahrscheinlich bald 
als freier Mann in seine Hei 
mat zurückkehren. Ein Ärzte 
team erklärte den 84-Jährigen 
wegen seines schlechten Ge 
sundheitszustands für ver- 
handlungsunfähig. 
Die vier untersuchenden Ärzte ka 
men laut Angaben des britischen In 
nenministeriums «einstimmig» zum 
Schluss, dass der 84-Jährige in ab 
sehbarer Zeit nicht in der Lage sei, 
ein Gerichtsverfahren zu überste 
hen. 
Das medizinische Gutachten 
selbst wurde mit Verweis auf die 
ärztliche Schweigepflicht nicht ver 
öffentlicht. Nach Angaben aus sei 
ner Umgebung leidet Pinochet un 
ter anderem an Diabetes, Blutarmut 
und Gefässerkrankungen im Ge 
hirn. 
Der britische Innenminister Jack 
Straw kündigte am Dienstagabend 
an, bis Mitte nächster Wöche über 
das Schicksal des Ex-Diktators zu 
entscheiden. Nach seiner Auffas 
sung hat eine Auslieferung an Spa 
nien daher «keinen Sinn». 
Die britische Regierung will vor 
dem endgültigen Entscheid aber 
noch Betroffene anhören: Sie for- 
Der 84 Jahre alte chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet (Bildmitte) wird 
vermutlich als freier Mann in seine Heimat zurückkehren. 
derte mehrere Staaten sowie Men 
schenrechtsorganisationen auf, sich 
binnen Wochenfrist zu dem neuen 
Sachverhalt zu äussern. 
Aufgrund eines Auslieferungsan 
trages der spanischen Justiz wird Pi 
nochet seit Oktober 1998 in London 
festgehalten. Der spanische Ermitt 
lungsrichter Baltasar Garzdn legt 
ihm zahlreiche Verbrechen gegen 
die Menschlichkeit während der 
Militärdiktatur von 1973 bis 1990 
zur Last. 
Neben Frankreich und Belgien 
war auch die Schweiz im Vorfeld 
nicht kontaktiert worden, um ihre 
Sicht der Dinge darzulegen, wie Fol- 
co Galli, Sprecher des Bundesamts 
für Polizeiwesen (BAP), sagte. 
Das 1998 vom Genfer General 
staatsanwalt Bernhard Bertossa 
ausgestellte Auslieferungsgesuch 
bleibe trotz der Diagnose der briti 
schen Ärzte gültig. Es stützt sich auf 
das Verschwinden des chilenisch 
schweizerischen Doppelbürgers 
Alexis Jaccard von 1977 in Buenos 
Aires. 
Bertossa macht Grossbritannien 
derweil schwere Vorwürfe: In der 
Zusammenarbeit bei Auslieferun 
gen sei das Land im Allgemeinen 
nicht glaubwürdig. «Ich bin über 
haupt nicht überrascht, zu erfahren, 
dass das Prozedere durch die Hin 
tertür liquidiert worden ist», sagte 
Bertossa am Mittwoch auf Anfrage. 
Besetzung des IKRK-Büros in Bogota 
Neues Treffen mit Regierung - Besetzer verlangen Geld für Familien 
GENF/BOGOTÄ: Mehrere hundert 
Personen haben ihre Besetzung des 
IKRK-Büros In Bogotä auch am 
Mittwoch fortgesetzt. Die Verhand 
lungen zwischen den vertriebenen 
Bauern und der Regierung konzent 
rierten sich auf die Zahlung von 
Subventionen. 
«Es scheint Fortschritte zu geben», 
erklärte der IKRK-Sprecher Carlos 
Rfos gegenüber der Nachrichten 
agentur sda. Am Mittwochnachmit 
tag (Schweizerzeit) begann ein neu 
es Treffen zwischen einer Besetzer- 
Delegation und Regierungsvertre 
tern, an dem erneut IKRK-Vertre 
ter anwesend waren. Vier Delegier 
te hielten sich weiterhin im besetz 
ten Büro der Organisation auf. 
DieJBe^tz^r verlangten in erster 
Linie,' eine wirtschaftliche Unter 
stützung für jede Familie in Höhe 
von 25 Millionen Pesos (20000 
Franken), sagte Rfos. Am Dienstag 
hatten die Bauern noch das Dop 
pelte gefordert. 
Die Regierung verlange, dass die 
Gelder für kollektive Produktions 
pläne verwendet würden, sagte der 
IKRK-Sprecher weiter. Die Vertre 
ter der Bauern wollten demgegen 
über die Summe jeder Familie zum 
eigenen Gebrauch übergeben. Die 
Arbeit des IKRK in ganz Kolumbi 
en sei weiter suspendiert, erklärte 
Rfos. 
Mütter der Vetriebenen-Familien 
hatten in der letzten Woche das An 
gebot der Regierung abgelehnt, die 
anwesenden Kinder während der 
Verhandlungen an einem anderen 
Ort unterzubringen. 
Die Bauern hatten das Gebäude 
des IKRK am Dienstag letzter Wo 
che gestürmt und 33 der zunächst 37 
Geiseln innerhalb weniger Stunden 
freigelassen. Die Besetzer beschul 
digen die Regierung, die Vertriebe 
nen im eigenen Land zu vernachläs 
sigen. 
Die Besetzer gehören zu einer 
Gruppe von rund 300 Bauern, die 
unter Todesdrohungen aus ihrer 
Heimat vertrieben worden sind. Sie 
demonstrieren seit drei Wochen vor 
dem Gebäude des IKRK und ver 
treten nach eigenen Angaben 1200 
vertriebene Landbewohner. Von 
der Regierung erwarten sie konkre 
te Lösungsvorschläge für ihre 
Ernährungs-, Gesundheits- und Be 
rufsprobleme. 
«Die Vertriebenen, die derzeit 
von uns keine Hilfe mehr bekom 
men, werden die Aktion nicht gut- 
heissen», sagte IKRK-Sprecher Urs 
Boegli am Mittwoch in Genf. Das 
IKRK befinde sich aber in einer fra 
gilen Situation. 
Während des Kriegs in Ex-Jugo 
slawien hatten unter anderem An 
gehörige von Verschwundenen ähn 
liche Aktionen in IKRK-Büros 
durchgeführt, die jedoch weniger 
lang andauerten. Die weltweit rund 
60 IKRK-Delegationen erhalten 
nach Angaben der Genfer Organi 
sation durchschnittlich 2,8 Drohun 
gen pro Woche. 
Öcalan: Vorerst keine Hinrichtung 
Türkei folgt einer Bitte des Europäischen Gerichtshofes 
ANKARA: Der PKK-Führer Ab- 
dullah öcalan wird vorerst nicht 
hingerichtet. Das hat die türkische 
Regierungskoalition nach Angaben 
von Ministerpräsident Bülent Ece 
vit am Mittwochabend in Ankara 
beschlossen. 
Die Türkei folgt damit einer Bitte 
des Europäischen Menschenrechts 
gerichtshofes in Strassburg. Das Ge 
richt hatte Ankara aufgefordert, die 
Hinrichtung öcalans bis zum Ab- 
schluss des Verfahrens auszusetzen, 
das die Anwälte des zum Tode ver 
urteilten PKK-Chefs angestrengt 
haben. Nach dem Koalitionsbe- 
schluss soll die Akte öcalan bis zur 
Entscheidung der Strassburger 
Richter im Ministerpräsidentenamt 
festgehalten und nicht an das Parla 
ment weitergeleitet werden. Dies 
geschehe aber nicht auf unbefriste 
te Zeit. Die Zustimmung des Parla 
ments ist zur Vollstreckung der 1b- 
desstrafe notwendig. 
Durch den Beschluss erhält der 
verurteilte Kurdenführer eine er 
hebliche Atempause, denn der Pro- 
zess in Strassburg kann bis zu zwei 
Jahre dauern. 
Sollte jdie PKK versuchen, den 
Entscheid der Regierungskoalition 
auszunutzen, «dann wird das Voll 
streckungs-Verfahren sofort begin 
nen», drohte Ecevit. Die Akte 
öcalan werde dann umgehend dem 
Parlament zugestellt. Dort gilt eine 
Mehrheit für die Hinrichtung des 
Kurdenführers als sicher. 
Ecevits rechtsextremer Regie 
rungspartner Devlet Bahceli wollte 
sich vor der Presse nicht zu dem Be 
schluss äussern. 
Wie sieht die Zukunft von Abdullah öcalan aus? Während die Re 
gierung die Hinrichtung aufschiebt, verlangt das Volk seinen Kopf.
	        

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