Liechtensteiner Volksblatt
Inland
Mittwoch, 29. März 2000 3
Nachrichten
«Spiegel» kommt wohl
ungeschoren davon
In der Causa Fürstentum Liechtenstein gegen
Spiegel-Verlag hat das Landgericht Hamburg
vor einigen Tagen erstinstanzlich geurteilt, dass
das Land Liechtenstein als ausländischer Staat
nicht klageberechtigt ist (das Volksblatt berich
tete kurz darüber). Dies würde bedeuten, so Re
gierungschef Mario Frick am gestrigen Presse-
gespräch,dass sich ein Staat grundsätzlich nicht
gegen Äusserungen deutscher Presseerzeugnis
se zur Wehr setzen könne. Die Regierung werde
nun die Situation nach Vorliegen der schriftli
chen Urteilsausfertigung in rund zwei Wochen
näher analysieren und dann entscheiden, ob
man Berufung einlege. Dies dürfte allerdings
kaum der Fall sein. Man müsse es sich wirklich
gut überlegen, liess der Regierungschef gestern
durchblicken, möglicherweise alle gerichtlichen
Instanzen durchzuziehen, um dann vielleicht in
einigen Monaten überhaupt materiell eine Ent
scheidung zu erwirken, dass man tatsächlich
klageberechtigt sei - oder eben doch nicht. Je
denfalls liege es nicht in der Absicht der Regie
rung. ein Präjudizverfahren durchzuziehen.
Und eine allfällige Unterlassungsklage irgend
wann im nächsten Jahr mache wohl keinen gros
sen Sinn mehr.
Die Regierung hatte Mitte Dezember 1999
beschlossen, im Zusammenhang mit der Be
richterstattung im deutschen Nachrichtenmaga
zin «Der Spiegel» und im Zweiten Deutschen
Fernsehen (ZDF) Unterlassungsklagcn gegen
diese beiden Medienunternehmen einzurei
chen. Sowohl der Spiegel wie auch das ZDF hät
ten in ihren Berichten nicht nachvollziehbare
und unbegründete Behauptungen aufgestellt,
die den Ruf und das Ansehen Liechtensteins
insgesamt herabsetzen und schädigen würden,
hiess es damals. Das Land, einschliesslich seiner
Behörden und seiner Bevölkerung würden pau
schal verleumdet und als vorsätzlich handelnde
Akteure oder Gehilfen krimineller Geldwäsche
verunglimpft. Da diese Behauptungen nicht nur
falsch seien, sondern auch ein ganzes Land dar
gestellt werde, als diene es den Kriminellen in
aller Welt als Handlanger, habe sich die Regie
rung zu diesem Schritt entschieden, erklärte sie
im Dezember.
Die Gerichtsverhandlung zur Klage gegen
das ZDF hätte in den nächsten Tagen stattfin
den sollen. Zunächst war der Termin auf
Wunsch des ZDF verschoben worden, inzwi
schen hat die Regierung um einen weiteren Auf
schub gebeten, weil man - so Regierungschef
Mario Frick - vorerst die schriftliche Begrün
dung des Urteils aus Hamburg abwarten und
studieren wolle. (mö)
Regierung reagiert auf
Greenpeace-Aktion
Mit einem aufblasbaren Wal hat am Sonntag ein
Dutzend Greenpeace-Aktivisten auf dem
Rhein bei Vaduz die Regierung Liechtensteins
aufgefordert, sich konsequent für den Arten
schutz einzusetzen. Dafür wurde eine Petition
lanciert (es stand im Volksblatt). Das Schreiben
der Aktivisten sei, so Regierungschef Mario
Frick am gestrigen Pressegespräch auf Anfrage,
vom zuständigen Regierungsrat Norbert Mar
xer zur Stellungnahme an das Amt für Wald, Na
tur und Landschaft weitergeleitet worden. So
bald die Antwort des Amtes vorliege, solle die
Öffentlichkeit darüber informiert werden.
Mehr konnte er gestern dazu nicht sagen.
° bleibt die Stimme
« i _ ( . , Liechtensteins ?
Greenpeace verlangt von Liechtenstein eine
eigenständige Politik und Umsetzung des inter
nationalen Artenschutzabkommens Cites.
Liechtenstein sei das einzige Land der Welt, das
die Verantwortung für den Artenschutz an ei
nen anderen Staat, die Schweiz, abgetreten ha
be, was den Regeln des Vertragswerkes wider
spreche. Auch an der 11. internationalen Arten-
schutzkonferenz vom 10. bis zum 20. April in
Nairobi habe Liechtenstein seine Stimme an die
Schweizer Delegation abgetreten. Das sei ein
«fataler Entscheid», teilte Greenpeace mit.
Liechtenstein habe bei 43 Tier- und Pflanzenar
ten des internationalen Artenschutzabkom
mens einen Vorbehalt angebracht. Übertroffen
werde unser Land bloss von der Schweiz mit 52
Vorbehalten. (mö)
stet*
Neues Mehrwertsteuergesetz
ab 1. Januar 2001
Umsetzung schweizerischer Bestimmungen bedingt Erlass eines neuen Gesetzes
Als Folge der neuen Gesetzge
bung in der Schweiz muss auch
in Liechtenstein ein neues
Mehrwertsteuergesetz ge
schaffen werden. Die Vorlage,
die unter anderem gewisse Er
leichterungen für den Sport
mit sich bringt, wird auf den 1.
Januar 2001 in Kraft treten. Zu
diesem Zeitpunkt werden auch
die Mehrwertsteuer-Sätze line
ar um 0,1 % angehoben.
Manfred öhri
Die Regierung hat gestern einen
Bericht und Antrag über die Anpas
sung der Anlagen I und II in der
Mehrwertsteuer-Vereinbarung zwi
schen Liechtenstein und der
Schweiz sowie zur Schaffung eines
neuen Mehrwertsteuergesetzes an
den Landtag verabschiedet, wie Re
gierungschef Mario Frick gleichen-
tags am Pressegespräch bekannt
gab. Seinen Angaben zufolge wer
den sich die Abgeordneten in der
Mai-Sitzung mit der Vorlage befas
sen. Als wesentlichste Neuerungen
hob er gestern bestimmte Erleichte
rungen für Sportvereine und -ver
bände, gemeinnützige Institutionen
sowie bei der sog. Saldosteuersatz-
Methode hervor (siehe auch unten
stehenden Beitrag).
Neues Bundesgesetz
Mitwirkung ab 1. Januar 1995 er
folgte die parallele Einführung der
Mehrwertsteuer in Liechtenstein
und in der Schweiz. Geregelt wurde
sie mit dem Vertrag vom 28. Okto
ber 1994 und einer Vereinbarung
vom 28. November 1994. In den
Übergangsbestimmungen der
schweizerischen Bundesverfassung
wurde dem Bundesrat die Kompe
tenz erteilt, bis zum Erlass einer
Bundesgesetzgebung die Vorschrif
ten zur Mehrwertsteuer in einer
Verordnung zu regeln.
Am 2. September 1999 haben
nun die Eidgenössischen Räte das
neue schweizerische Bundesgesetz
über die Mehrwertsteuer (Mehr
wertsteuergesetz) verabschiedet,
das am 1. Januar 2001 in Kraft tre
ten wird und auch den Erlass eines
neuen liechtensteinischen Geset
zes erforderlich macht. Laut Regie
Die Mehrwertsteuer-Einnahmen des Landes belaufen sich für das Jahr 1999 auf rund 139 Millionen Franken. Am
I. Januar 2001 wird ein neues Mehrwertsteuergesetz in Kraft treten. (Archivbild)
rung wurde unser Land rechtzeitig
über die geplanten Änderungen
des Rechts und seiner Anwendung
im Hinblick auf eine Übernahme
informiert.
Note an den Bundesrat
Ende Dezember hat die Regie
rung schliesslich dem schweizeri
schen Bundesrat ihre Absicht be
kannt gegeben, auch unter dem Re
gime des neuen Bundesgesetzes
über die Mehrwertsteuer den Ver
trag und die Vereinbarung aufrecht
erhalten zu wollen. Bezüglich der
Anpassung der bilateralen Rege
lungen wurde von der Gemischten
Kommission ein Vorschlag erarbei
tet, dem die Regierung am 22. Feb
ruar ihre Zustimmung erteilte. Die
schweizerischen Behörden wurden
darüber informiert.
Das schweizerische Mehrwert
steuergesetz weicht in systemati
scher und teilweise auch in inhaltli
cher Hinsicht vom bisherigen Recht
ab. Die Umsetzung der von Liech
tenstein zu übernehmenden materi
ellen Bestimmungen der schweize
rischen Mehrwertsteuer-Gesetzge
bung ins liechtensteinische Recht
kann deshalb nur durch Erlass eines
neuen Mehrwertsteuergesetzes be
werkstelligt werden, teilte die Re
gierung gestern mit.
Erhöhung der Steuersätze
In finanzieller Hinsicht werde
sich das neue Mehrwertsteuerge
setz grösstenteils ertragsneutral
auswirken,erklärte der Regierungs
chef. Die abgeänderten und ange-
passten Bestimmungen führen
gemäss Mitteilung zu Steuerausfäl
len in der Grössenordnung von un
gefähr 2 Millionen Franken. Mit der
vom Bundesrat im Dezember 1999
beschlossenen linearen Erhöhung
der Steuersätze würden diese Aus
fälle wieder ausgeglichen. Bekannt
lich hat der Bundesrat auf den 1. Ja
nuar 2001 von seiner Kompetenz
Gebrauch gemacht, zur Finanzie
rung der Eisenbahngrossprojekte
(namentlich NEAT und Bahn 2000)
die Sätze der Mehrwertsteuer linear
um 0,1 Prozentpunkte anzuheben,
so dass die Steuersätze 7,6 %, 2,4 %
und 3,6 % betragen werden.
«Null-Summen-Spiel»
Im Hinblick auf weitere Er
höhungen der Steuersätze in der
Schweiz befasse man sich in inter
nen Studien mit verschiedenen
Kompensationsmöglichkeiten, teil
te Mario Frick auf Anfrage mit.
Der Regierungschef sprach diesbe
züglich von einem «Null-Summen-
Spiel», wollte sich aber zu den Ein
zelheiten noch nicht äussern. Die
Mehrwertsteuer-Einnahmen des
Landes für das Jahr 1999 bezifferte
er gestern mit 139 Millionen
Franken. Für das laufende Jahr
rechnet der Voranschlag mit Erträ
gen in Höhe von 146 Millionen
Franken.
Erleichterungen im Bereich des Sports
Die wesentlichsten Änderungen des neuen Mehrwertsteuergesetzes
Die Regierung hat gestern den Be
richt und Antrag zur Schaffung
eines neuen liechtensteinischen
Mehrwertsteuergesetzes an den
Landtag verabschiedet. Die Vorlage
enthält unter anderem gewisse Er
leichterungen im Bereich des Sports
und für gemeinnützige Institutio
nen.
Gegenüber dem geltenden Recht
wird das neue, am 1. Januar 2001 in
Kraft tretende Mehrwertsteuerge
setz unter anderem folgende we
sentliche Neuerungen bringen:
• Für die Bestimmung des Ortes ei
nes abschliessend festgelegten
Kreises von Dienstleistungen gilt
entsprechend dem Richtlinien
recht der EG das Empfängerorts
oder sogenannte Domizilprinzip.
Dies bedeutet, dass als Ort dieser
Dienstleistungen der Ort gilt, an
dem der Empfänger seinen Sitz
hat.
• Der Umfang der von der Steuer
ausgenommenen, das heisst nicht
steuerbaren Umsätze ist gegenüber
dem geltenden Recht etwas erwei
tert worden. Zu erwähnen sind na
mentlich:
- Für die unechte Steuerbefrei
ung der Umsätze von Alters-,
Wohn- und Pflegeheimen ist nicht
mehr erforderlich, dass das Heim
gemeinnützig tätig ist.
- Künftig werden nicht mehr
bloss die für sportliche Anlässe ver
langten Entgelte (namentlich Ein
trittsgelder) von der Steuer ausge
nommen sein, sondern darüber hin
aus auch die für die Zulassung zur
Teilnahme an solchen Anlässen zu
leistenden Startgelder.
- Umsätze von Einrichtungen der
Sozialfürsorge, der Sozialhilfe und
der sozialen Sicherheit, welche die
se mittels Brockenhäusern aus
schliesslich zu ihrem Nutzen erzie
len, sind nicht mehr steuerbar.
• Bei der Gruppenbesteuerung
(Organschaft) ist eine gewisse Libe
ralisierung vorgesehen, das heisst es
müssen nicht mehr - wie nach gel
tendem Recht-sämtliche von einer
Obergesellschaft einheitlich gelei
teten (beherrschten) Gesellschaf
ten Mitglied der Gruppe (Organge
sellschaften) sein.
• In Bezug auf die steuerliche Be
handlung von Gemeinwesen wer
den grundsätzlich die autonomen
Dienststellen subjektiv steuer
pflichtig. Zudem können die Ge
meinwesen beantragen, als Einheit
oder nach einzelnen Gruppen abzu
rechnen.
• Nicht gewinnstrebige, ehrenamt
lich geführte Sportvereine und ge
meinnützige Institutionen werden
künftig erst subjektiv steuerpflich
tig, wenn ihr steuerbarer Jahresum
satz den Betrag von 150 000 Fran
ken übersteigt.
• Das Recht, für die Versteuerung
der von der Steuer ausgenommenen
Umsätze zu optieren, ist gegenüber
dem geltenden Recht sehr erheblich
ausgedehnt worden.
• Die Margen- und Differenzbe
steuerung (das heisst die Versteue
rung der Differenz zwischen dem
Verkaufs- und dem Ankaufspreis),
die heute auf gebrauchte Motor
fahrzeuge beschränkt ist, kann un
ter bestimmten Voraussetzungen
grundsätzlich bei sämtlichen ge
brauchten individualisierbaren be
weglichen Gegenständen angewen
det werden.
• Das Recht auf den nachträglichen
Vorsteuerabzug besteht künftig
auch für bereits in Gebrauch ge
nommene Gegenstände und für
Dienstleistungen, soweit sie noch
nicht genutzt sind.
• Die Möglichkeit, die Vorsteuern
in einem pauschalierten Verfahren
abzuziehen (sog. Saldosteuersatz
methode). soll Unternehmen offen
stehen, deren steuerbare Umsätze
jährlich nicht mehr als 3 Millionen
Franken (heute: 1,5 Millionen Fran
ken) betragen und die pro Jahr nicht
mehr als 60 000 Franken (heute:
35 000 Franken) Steuern abzulie
fern haben.
• Das Verlagerungsverfahren, das
darin besteht, dass die auf der Ein
fuhr von Gegenständen geschuldete
Steuer nicht dem Einfuhrzollamt
entrichtet, sondern bloss in der peri
odisch der Eidg. Steuerverwaltung
einzureichenden Steuerabrechnung
deklariert wird, wird auf Gegen
stände jeder Art ausgedehnt.