Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Montag, 27. März 2000 19 
Nachrichten 
Kohl sieht sich nicht 
als Rechtsbrecher 
MÜNCHEN: Altkanzler Helmut Kohl sieht in 
seinem Schweigen zur Herkunft von Barspen 
den in Millionenhöhe weiterhin keinen Verfas 
sungsbruch. «Ich kann nicht erkennen, dass 
mein gegebenes Wort und die Verschwiegenheit 
bezüglich der Spender ein Verstoss gegen die 
Verfassung sind», sagte er in einem am Sonntag 
veröffentlichten Interview mit dem Nachrich 
tenmagazin «Focus». Gleichzeitig bestätigte er, 
bereits vor 1993 Barspenden erhalten zu haben. 
Die Strafforderung von Bundestagspräsident 
Wolfgang Thierse von 41,3 Millionen Mark an 
die CDU nannte Kohl völlig überzogen. Seine 
Partei habe recht, sich dagegen auch vor Ge 
richt zu wehren. Kohl hat nach eigenen Anga 
ben bereits sieben Millionen Mark gesammelt, 
um den durch sein Handeln entstandenen Scha 
den auszugleichen. 
Zusätzlicher Schutz für 
Ex-Diktator Pinochet 
CHILE: Der ehemalige chilenische Diktator 
Augusto Pinochet ist vom Parlament mit einem 
zusätzlichen Schutz gegen Strafverfolgung aus 
gestattet worden. Eine entsprechende Verfas 
sungsänderung wurde mit 113 Stimmen bei 27 
Gegenstimmen und drei Enthaltungen vom 
Kongress angenommen. Im Parlament in Valpa 
raiso kam es zu lautstarken Protesten von An 
gehörigen der Diktaturopfer. Menschenrechts- 
gruppen sahen die Chancen für eine Anklage 
gegen den 84-Jährigen schwinden. Die neue Be 
stimmung in der Verfassung sieht vor, dass ein 
ehemaliges Staatsoberhaupt wie Pinochet oder 
Ex-Präsident Eduardo Frei auch dann gegen 
Strafverfolgung geschützt ist, wenn es sein bis 
her unwiderrufbares Senatsamt auf Lebenszeit 
aufgibt. Sollte Pinochet von dem Angebot Ge 
brauch machen und sich aus dem Senat zurück 
ziehen, könnte auch der Antrag des chileni 
schen Richters Juan Guzman ins Leere laufen, 
die Immunität des früheren Gewaltherrschers 
als Senator aufzuheben. 
Schüssel sieht keine 
feste EU-Front mehr 
DÜSSELDORF: Der österreichische Bundes 
kanzler Wolfgang Schüssel hat beim EU-Gipfel 
in Lissabon den Eindruck gewonnen, dass es 
keine gemeinsame Front mehr gegen Öster 
reich gibt. Das sagte er dem Düsseldorfer «Han 
delsblatt» (Montagausgabe). «Ein Ende der 
Sanktionen habe ich in Lissabon nicht erwartet. 
Es gibt aber stille Signale», erklärte Schüssel. 
«Es ist uns beim Treffen der Staats- und Regie 
rungschefs gelungen, einen offenen Dialog zu 
führen.» Der Vorsitzende der konservativen 
Österreichischen Volkspartei (ÖVP) fügte hin 
zu: «Es liegen Welten zwischen der Art und Wei 
se, mit der Finnland und Portugal auf der einen 
und Frankreich und Belgien auf der anderen 
Seite die Sanktionen umsetzen.» 
Eisenbahnerstreiks 
legen Verkehr lahm 
MADRID/ROM: Mit landesweiten Streiks ha 
ben Eisenbahner den Zugverkehr in Spanien 
und Italien am Wochenende weitgehend lahm 
gelegt. Vom italienischen Streik waren auch 
Schweizer Verbindungen betroffen. In Spanien 
verkehrte nur etwa ein Drittel der Züge, Hun 
derttausende von Fahrgästen warteten vergeb 
lich. Die Züge auf der Hochgeschwindigkeits 
strecke Madrid-Sevilla sowie die Luxus- 
Schnellzüge verkehrten als einzige fahrplan- 
mässig. Das italienische Fernsehen sprach un 
terdessen von chaotischen Verhältnissen auf 
den Bahnhöfen in Mailand und Rom, wo Tau 
sende von Reisenden stundenlang vergeblich 
auf die'Züge warteten. Seit Samstagabend sei 
der Bahnverkehr in Italien komplett zum Erlie 
gen gekommen, berichtete die Zeitung «Corrie- 
re deila Sera». 
Wassermangel nimmt 
kritische Ausmasse an 
MALLORCA: Die Folgen der Dürre auf der 
spanischen Ferieninsel Mallorca sind offenbar 
schlimmer als bislang angenommen. Der Was 
sermangel nehme kritische Ausmasse an, sagte 
der Regierungschef der Region der Balearen, 
Francesc Antich. Angesichts des Touristenzu 
stroms im Sommer seien zusätzliche «Notmass- 
nahmen» erforderlich. Nach Presseberichten 
vom Sonntag soll dazu auch ein möglicher 
Ausbau der Meereswasser-Entsalzungsanlage 
gehören. Diese Möglichkeit hatte die Balearen- 
Regierung bislang ausgeschlossen. 

Wladimir Putin klar vorn 
Präsidentenwahlen in Russland - Zweiter Wahlgang möglich 
MOSKAU: Der amtierende 
Staatschef Wladimir Putin ist 
am Sonntag als klarer Sieger 
aus den Präsidentenwahlen 
hervorgegangen. Es war je 
doch am Abend ungewiss, ob 
Putin über 50 Prozent der 
Stimmen hat oder eine zweite 
Runde nötig ist. 
Erste, nicht aussagekräftige Teiler 
gebnisse der Zentralen Wahlkom 
mission in Moskau sahen Putin mit 
45.1 Prozent in Führung. Sie basie 
ren jedoch auf wenigen Prozent aus 
gezählter Stimmen aus dem Fernen 
Osten Russlands und Sibiriens. 
Putin müsste mehr als 50 Prozent 
aller abgegebenen Stimmen be 
kommen, um in der ersten Runde 
gewählt zu sein. Ein zweiter Wahl 
gangwürde am 16. April stattfinden. 
Die Wahlbeteiligung lag landesweit 
bei 65,8 Prozent. 
Eine Befragung der regierungs 
nahen Expertengruppe WWP von 
80000 Wählerinnen und Wählern 
unmittelbar nach deren Stimmab 
gabe ergab einen Sieg Putins mit 
51.2 Prozent. 
Kommunistenchef Gennadi Sju 
ganow erhielt dort 29,4 Prozent. Bei 
den ersten Teilergebnissen kam er 
auf 30,9 Prozent. Auf dem dritten 
Rang folgte weit abgeschlagen der 
Liberale Grigori Jawlinski. 
Fortgesetzte Angriffe 
In der kriegszerstörten Republik 
Tschetschenien war die Zivilbevöl 
kerung gemeinsam mit den russi 
schen Soldaten zu den Urnen ge 
gangen. Die Wahl dort wurde von 
Zwischenfällen überschattet. In den 
Bergen kesselten russische Truppen 
eine Gruppe von Rebellen bei dem 
Ort Zenteroi ein und griffen sie mit 
Luftwaffe und Artillerie ein. 
Putin kündigte bei der Stimmab 
gabe in Moskau eine unerbittliche 
Der russische Präsident Putin (hier im Bild mit seiner Gattin auf dem V/eg zur Urne) hat nach ersten Hochrech 
nungen weitaus um ineisten Stimmen bekommen. Ein zweiter Wahlgang ist allerdings nicht ausgeschlossen. 
Fortsetzung des Krieges an. «Die 
Banditen wollen die Waffen nicht 
niederlegen»,sagte er. «Wir werden 
alle Mittel und Kräfte unserer Trup 
pen gegen sie einsetzen.» Bei der 
zweiten Präsidentenwahl in Russ 
land seit dem Ende der Sowjetunion 
waren insgesamt etwa 108 Millio 
nen Wahlberechtigte aufgerufen, ei 
nen neuen Staatschef zu bestim 
men. Elf Kandidaten bewarben sich 
um die Nachfolge von Boris Jelzin. 
Dieser sagte bei der Stimmabgabe, 
er erhoffe sich von seinem Nachfol 
ger eine Fortsetzung der Reformen. 
«Davon hin ich überzeugt»,sagte er. 
Wahlbeobachter Frey: Verlauf Nor 
mal Nach Einschätzung von Natio 
nalrat Claude Frey (FDP/NE) ver 
lief die russische Präsidentenwahl 
normal. Frey und sein Ratskollege 
Andreas Gross (SP/ZH) sind Mit 
glieder einer 17-köpfigen Europa 
ratsdelegation, welche die Wahl be 
obachtete. 
In den von ihm besuchten rund 15 
Wahllokalen in Kursk, 500 Kilome 
ter westlich von Moskau, seien so 
wohl die Wahl als auch die Auszäh 
lung korrekt verlaufen. 
Die internationalen Beobachter 
hatten sich dagegen entschieden, 
nach Tschetschenien und die be 
nachbarten Teilrepubliken Da 
gestan und Inguschetien zu fahren, 
weil die Voraussetzungen für eine 
faire Wahl dort nicht gegeben seien. 
Die Registrierung der Stimmbe 
rechtigten und der Wahlkampf in 
Tschetschenien hätten nicht den in 
ternationalen Standards entspro 
chen, sagte Helle Degn, die Delega 
tionsleiterin der Wahlbeobachter 
der Organisation für Sicherheit und 
Zusammenarbeit in Europa (OS 
ZE). 
Regierungschef Putin war vom 
zurückgetretenen Präsidenten Bo 
ris Jelzin am Silvestertag 1999 
gemäss Verfassung als kommissari 
scher Präsident eingesetzt worden. 
Er kündigte in seinem Wahlkampf 
eine Stärkung des Staates und eine 
«Diktatur des Gesetzes» an. Etwa 
1000 internationale Beobachter, un 
ter ihnen rund 300 Vertreter der 
OSZE, überwachten die Wahlen. 
Papst bittet Juden 
um Vergebung 
Johannes Paul II. an der Klagemauer 

JERUSALEM: Papst Johannes 
Paul II. hat die Juden vor der Kla 
gemauer in Jerusalem im Namen 
der Christen um Vergebung gebe 
ten. Mit Gebeten in der Grabeskir 
che beendete er am Sonntag seine 
historische Pilgerreise im Heiligen 
Land. 
Auf einen Stock gestützt verlas der 
Papst seine Bitte an das jüdische 
Volk. «Wir sind bestürzt über das 
Verhalten derjenigen, die im Lauf 
der Geschichte den Kindern des jü 
dischen Volkes Leid zugefügt ha 
ben», sagte der 79-Jährige. Mit zit 
ternder Hand steckte der Papst das 
Manuskript seiner Erklärung in ei 
nen Spalt zwischen den Mauerstei 
nen der heiligsten Stätte des Juden 
tums. Die Rede an der Klagemauer 
war das zweite bedeutende Zeichen 
der Aussöhnung mit den Juden auf 
der einwöchigen Pilgerreise des 
Papstes durch den Nahen Osten. 
Tiefe Trauer 
Am Donnerstag hatte Johannes 
Paul II. beim Besuch des israeli 
schen Holocaust-Mahnmals Jad Va- 
schem tiefe Trauer über die Verbre 
chen der Christen an den Juden 
geäussert. Er ging aber nicht so weit, 
sich für das Verhalten der Kirche 
und des damaligen Papstes, Pius 
XII., zu entschuldigen. Ungeachtet 
der Kritik zeigten sich Isreali und 
Palästinenser insgesamt mit dem 
Besuch des Papstes zufrieden. Die 
israelische Presse würdigte die Aus 
sagen des Papstes zu den Judenver 
folgungen. Das palästinensische 
Parlament bedankte sich für die 
Unterstützung der «gerechten Sa 
che des palästinensischen Volkes». 
Ausserhalb der Anlage um die 
Klagemauer nahmen Polizisten am 
Sonntag mehrere radikale Juden 
fest, die verdächtigt wurden, die Ze 
remonie stören zu wollen. Der 
Papst und seine Begleiter, die als 
Zeichen des Respekts die im Juden 
tum üblichen Scheitelkäppchen tru 
gen, waren unter strengem Sicher 
heitsaufgebot zur Mauer gelangt. 
Zuvor war der Papst mit dem mos 
lemischen Grossmufti von Jerusa 
lem zusammengetroffen. 
Papst Johannes Paul II. bat die Juden 
vor der Klagentaiter in Jerusalem 
im Namen der Christen um Verge 
bung. (Bild: Keystone) 
Gipfel-Treffen beendet 
Das Gipfel-Treffen zwischen Bill Clinton (rechts) und Syriens Staatschef 
Assad wurde gester/t nach rund fünf Stunden beendet. 
GENF: Das Gipfeltreffen zwischen 
US-Präsident Bill Clinton und 
Syriens Staatschef Hafis el Assad in 
Genf ist am Sonntagabend gegen 
20.20 Uhr beendet worden. Über 
Ergebnisse der Gespräche wurde 
zunächst nichts bekannt. 
Clintons Sicherheitsberater Sandy 
Berger wollte aber im Verlauf des 
Abends in Genf über den Ausgang 
der Gespräche informieren, wie es 
aus US-Kreisen hiess. Ob auch - wie 
im Vorfeld des Gipfeltreffens an 
gekündigt - eine gemeinsame Er 
klärung veröffentlicht wurde, blieb 
vorerst offen. 
Die Gespräche hatten um 15.00 
Uhr begonnen und waren nach rund 
dreieinhalb Stunden unterbrochen 
worden. US-Aussenministerin Ma 
deleine Albright und ihr syrischer 
Amtskollege Faruk ei Schara setzen 
während des Unterbruchs aber ihre 
Beratungen fort, wie ein Sprecher 
des Weissen Hauses erklärte. Nach 
der Pause kamen Clinton und Assad 
nach Angaben des Sprechers 
nochmals zusammen. Bei den Ge 
sprächen in Genf wollten Clinton 
und Assad die Möglichkeiten für 
eine Wiederbelebung des Friedens 
prozesses mit Israel ausloten. 
Der israelische Ministerpräsident 
Ehud Barak sagte am Sonntag, der 
Gipfel sei wichtig, «weil wir am En 
de wissen werden, ob wir einen 
Partner haben, mit dem wir verhan 
deln können». Die Chancen stün 
den 50 zu 50, sagte Barak nach An 
gaben seines Sprechers während 
einer Kabinettssitzung. 
Albright zeigte sich vor den Ge 
sprächen vorsichtig. Es könne sich 
auch herausstellen, dass die Positio 
nen Israels und Syriens nicht ver 
einbar seien, sagte sie gegenüber 
US-Medien.
	        

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