36 Freitag, 24. Mörz 2000
AUSLAND
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Neue Untersuchung
gegen Pinochet?
WASHINGTON: Das US-Justizministerium
hat nach einem Bericht der «Washington Post»
eine seit langem ruhende Untersuchung gegen
den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet
neu aufgerollt. Danach soll eine Anklagekam
mer klären, ob Pinochet für die Explosion einer
Autobombe im Jahr 1976 zur Rechenschaft ge
zogen werden soll. Bei dem Anschlag waren der
frühere chilenische Botschafter Orlando Lete-
lier, ein bekannter Gegner des Pinochet- Regi
mes, und sein amerikanischer Kollege ums Le
ben gekommen. Die US-Regierung hatte bisher
auf eine Strafverfolgung Pinochets verzichtet,
nachdem sechs Menschen wegen der Explosion
verhaftet worden waren. Nach der Festnahme
des Ex-Diktators in Grossbritannien vor 17 Mo
naten hatten Menschenrechts-Aktivisten und
Angehörige der Opfer eine Wiederaufnahme
des Falles gefordert. Die Möglichkeit, dass Pi
nochet im Falle einer Anklage an die USA aus
geliefert wird, gilt wegen seiner Gesundheit
sprobleme ünd juristischer Komplikationen als
sehr gering.
Nordkorea erklärt neue
Schifffahrtsordnung
SEOUL: Zwischen Nord- und Südkorea dro
hen neue Spannungen wegen ihrer umstrittenen
Seegrenze im Gelben Meer. Das kommunisti
sche Nordkorea kündigte am Donnerstag eine
neue Ordnung für den Schiffs- und Flugverkehr
entlang der Grenze vor der Westküste an. In ei
ner Erklärung drohte die nordkoreanische
Kriegsmarine mit Vergeltung, falls südkoreani
sche Schiffe gegen die neuen Regeln Verstössen
sollten. Südkorea wies die neue Ordnung ent
schieden zurück und warnte seinerseits Nord
korea vor einer Verletzung der bisherigen Re
gelungen. In einer von der amtlichen nord
koreanischen Nachrichtenagentur KCNA ver
breiteten «wichtigen Mitteilung» der Kriegsma
rine wurden neue Ein-Meilen-Zonen und neue
Seewege um fünf Inseln nördlich einer von
Nordkorea im vergangenen Jahr einseitig fest
gelegten Grenzlinie gezogen. Die Inseln unter
der Kontrolle der US-Streitkräfte befänden sich
auf nordkoreanischem Territorium, hiess es in
dem KCNA-Bericht. Die USA und Südkorea
wurden aufgerufen, die neue Ordnung strikt zu
beachten.
Moskau droht mit
Truppenabzug
MOSKAU/PRISTINA/SZEGED: Moskau hat
am Donnerstag mit einem möglichen Abzug
seiner Soldaten aus der Kosovo- Friedenstrup
pe KFOR gedroht und gleichzeitig die Entsen
dung von Zivilpolizei in das Krisengebiet abge
lehnt. Wenn die Teilung Jugoslawiens zur Rea
lität werde und wenn Russland sähe, dass die
Bemühungen bei der politischen Regelung kei
ne Ergebnisse bringen, bleibe das russische
Kontingent rticht im Kosovo, sagte Aussenmini-
ster Igor Iwanow in einem Interview des Fern
sehsenders Deutsche Welle-TV. Russland wolle
nicht die Verantwortung für die nächste Tragö
die am Balkan teilen. Moskau hat die Entsen
dung russischer Polizisten zur Verstärkung der
UNO-Polizei im Kosovo abgelehnt. Gleichzei
tig übte Russland heftige Kritik an der bisheri
gen Arbeit der UNO-Mission (UNMIK). Weder
UNMIK noch KFOR schöpften ihre Vollmach
ten zur Stabilisierung der Region aus, hiess es in
der von der Nachrichtenagentur Interfax ver
breiteten Erklärung des russischen Aussenmini-
steriums. Zugleich wurde UNMIK «in vollem
Umfang» für die gegenwärtige angespannte La
ge im Kosovo sowie die zunehmende Krimina
lität verantwortlich gemacht. Beobachter wer
teten die Absage Moskaus an UNMIK als Ver
such, den internationalen Organisationen im
Kosovo die alleinige Verantwortung für die La
ge zuzuschieben. Vergangene Woche hatten
Russland und die NATO in einer gemeinsamen
Erklärung die internationale Gemeinschaft auf
gefordert, möglichst schnell zusätzliche Polizis
ten in die Provinz zu schicken.
Ruandas Präsident
zurückgetreten
KIGALI: Der ruandische Präsident Pasteur Bi-
zimungu ist am Donnerstag zurückgetreten. Die
Entscheidung habe «persönliche Gründe»,
schrieb der Präsident in einem Brief an den Par
lamentspräsidenten. Bizimungu gehörte der
Bevölkerungsmehrheit der Hutu an. Er hatte
sein Amt im Juli 1994 angetreten, nachdem die
von Tutsi dominierte Patriotische Front Ruan
das an die Macht gekommen war.
«Tiefe Trauer» über
Judenverfolgung
Pilgerreise im Heiligen Land: Papst äussert «tiefe Trauer» über Judenverfolgung
JERUSALEM: Der Papst hat
beim Besuch des Holocaust-
Mahnmals Jad Wäschern tiefe
TYauer über die Verbrechen
der Christen an den Juden
geäussert. Für das Verhalten
der Katholischen Kirche wäh
rend der Nazi-Herrschaft ent
schuldigte er sich aber nicht.
Das Oberhaupt der römisch-katho-
lischen Kirche sagte am Donnerstag
in Jerusalem beim Besuch des Ho-
locaust-Mahnmals, die katholische
Kirche sei von tiefer Trauer erfüllt
über den Hass, mit dem die Christen
die Juden verfolgt hätten. Das gelte
für jedes Zeitalter und jeden Ort auf
der Welt.
Die Schrecken der Judenmorde
in Europa blieben unvergessen, sag
te der Papst. Er sei nach Jad Wä
schern gekommen, um die Millionen
ermordeter Juden zu ehren.
Der israelische Ministerpräsident
Ehud Barak bezeichnete die Äusse
rungen des Papstes als den Höhe
punkt einer historischen Reise. Ba
rak würdigte die Rolle des Papstes
beim «historischen Wandel», den
die Kirche gegenüber den Juden
vollzogen habe. Das jüdische Volk
wolle weiterhin gemeinsam mit den
Christen gegen Rassismus und An
tisemitismus kämpfen, sagte Barak.
Unstimmigkeit bestand über eine
Bemerkung des Papstes, nur eine
gottlose Ideologie habe den Völker
mord hervorbringen können. Barak
sagte hingegen, der Holocaust habe
im christlichen Europa stattgefun-
Der Papst äusserte tiefe Trauer über die Judenverfolgung.
den. Zu der Zeremonie hatten sich
auch 200 Überlebende des Holo
caust eingefunden, unter ihnen auch
20 aus dem Heimatort des Papstes,
Wadowice in Polen. Sie fand im
Halbdunkel der «Halle der Erinne
rung» statt. Die Namen von 21 Kon
zentrationslagern wie Auschwitz
und Bergen-Belsen sind in deren
Boden eingelassen und ein ewiges
Licht erinnert darin an die Nazi-Op
fer.
Das israelische Gross-Rabbinat
zeigte- sich unzufrieden mit den
Äusserungen des Papstes. Einer der
beiden Grossrabbiner, Israel Lau,
sagte, er habe nicht nur Äusserun
gen über Sünden von Kirchenmit
gliedern am jüdischen Volk erwar
tet, sondern über Sünden der «Ka
tholischen Kirche an sich».
Der Papst habe die Tragödie der
Schoah beklagt, aber sich nicht für
die Verantwortung der Kirche ent
schuldigt. Rabbi Lau verwies damit
vor allem auf die Kritik an der Hal
tung von Papst Pius XII., dem vor
geworfen wird, den Völkermord der
Nazis nicht öffentlich angeprangert
zu haben.
(Bild: Keystone)
Lau würdigte jedoch, dass Johan
nes Paul II. 20 Jahre lang auf seinen
Reisen den Antisemitismus verur
teilt habe. Vor der Visite in Jad Va-
schem war der Papst mit dem israe
lischen Präsidenten Eser Weizman
sowie den beiden Oberrabbinern Is
rael Lau und Eliahu Bakschi Doron
zusammengetroffen. Weizman bat
den Papst, die vatikanischen Archi
ve vollständig für israelische Histo
riker zu öffnen; es geht dabei im we
sentlichen um Geheimarchive über
Aktionen und Briefwechsel Pius
XII. während des 2. Weltkrieges.
Bussen für Terlinden und Weyrauch
CDU-Affäre: Verweigerung der Aussage soll nicht mehr akzeptiert werden
BERLIN: Der Untersuchungsaus-
schuss des deutschen Parlaments
zur CDU-Spendenaffäre will die
Aussageverweigerung von wichti
gen Zeugen nicht mehr akzeptieren.
Er verhängte am Donnerstag gegen
zwei aussageunwillige Zeugen Ord
nungsgelder in der Höhe von 1000
Mark.
Der ehemalige CDU-Finanzberater
Horst Weyrauch wurde mit der Bus
se belegt, weil er bereits zum zwei
ten Mal schwieg. Zuvor war das
Zwangsmittel gegen den Ex-CDU-
Hauptabteilungsleiter für Finanzen,
Hans Terlinden angewandt worden.
Terlinden drohte die Ausschuss
mehrheit für den Fall erneuter Aus
sageverweigerung am 6. April Beu
gehaft an. Sein Anwalt will in einem
solchen Fall Rechtsmittel einlegen.
Bislang ist nur einmal ein Zeuge ei
nes Parlamentarischen Ausschusses
in Beugehaft genommen worden.
Der Waffenhändler Karlheinz
Schreiber soll laut Anklageschrift der
Augsburger Staatsanwaltschaft auch
von Messerschmidt-Bölkow- Blohm
(MBB) und Airbus millionenschwe
re Provisionen erhalten haben.
Als einziger aussagebereiter Zeu
ge vordem Ausschuss erhob Terlin
dens Vorgänger im Amt, Rüdiger
May, schwere Vorwürfe gegen Ex-
Kanzler und Parteichef Helmut
Kohl. Dieser habe 1989 sein Aus
scheiden betrieben, als er sich gegen
Unregelmässigkeiten in der CDU-
Kontenführung gewehrt habe, sagte
May.
Kohl habe auf sein Ausscheiden
gedrungen, als er sich geweigert ha
be, Portokosten in Höhe von
800 000 Mark für einen Brief Kohls
an alle Parteimitglieder als sonstige
Einnahmen zu verbuchen. Deshalb
habe 6r den Rechenschaftsbericht
für 1988 nicht unterschrieben.
Terlinden und Weyrauch begrün
deten ihre Aussageverweigerung
mit den gegen sie laufenden staats
anwaltschaftlichen Ermittlungen
wegen Verdachts der Veruntreuung
beziehungsweise wegen Beihilfe zur
Veruntreuung und Betruges.
EU-Beschäftigungsgipfel
LISSABON: Die EU hält an den
Sanktionen gegen Österreich fest.
Der portugiesische Ministerpräsi
dent und EU-Ratspräsident Anto
nio Guterres sagte am Donnerstag
in Lissabon, es gebe keinen Grund,
von der bisherigen Politik ab
zurücken.
Selbst die österreichische Regie
rung räumte ein, dass sie nicht mir
einer Änderung rechne. Sie sieht im
Umgang mit den übrigen EU-Staa
ten nach eigenen Angaben jedoch
Zeichen für eine beginnende Nor
malität. Der Gipfel in Lissabon
spiele sich «in grosser Ruhe» ab, die
es zu Beginn der Strafmassnahmen
nicht gegeben habe, sagte Aussen-
ministerin Benita Ferrero-Waldner
vor der Presse. Dies sei die Basis für
einen «guten Dialog» und der Be
ginn eines Prozesses, der aus den
«ungerechtfertigten Sanktionen»
herausführen könnte.
Der Empfang durch die EU-Kol
legen sei «absolut korrekt» gewesen,
EU-Staaten wollen Österreich-Politik nicht ändern
fügte sie hinzu. Im Februar hatten
EU-Minister bei Ratstreffen de
monstrativ ihren österreichischen
Kollegen die Begrüssung verweigert
oder bei ihren Reden den Raum ver
lassen.
Der österreichische Ministerprä
sident Wolfgang Schüssel wollte die
Staats- und Regierungschefs Diplo
maten beim gemeinsamen Abendes
sen erneut aufrufen,ihre Österreich-
Politik zu überdenken,
14 Partnerstaaten der EU hatten
vor knapp zwei Monaten ihre bila
teralen Beziehungen zur Regie
rung in Wien heruntergefahren,
nachdem dort die rechtspopulisti
sche FPÖ an der Regierung betei
ligt wurde.
Österreichs Präsident Thomas
Klestil und Kanzler Wolfgang
Schüssel (ÖVP) hatten mehrfach
vergeblich an die EU-Partner ap
pelliert, ihre Politik zu ändern und
die neue Regierung in Wien aus
FPÖ und ÖVP an ihren Taten zu
messen.
Lächelnde EU-Politiker, obwohl die Beziehungen zu Österreich nicht ver
bessert werden konnten. (Bild: Keystone)