Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

26 Donnerstag, 23. März 2000 
Kultur 
Liechtensteiner Volksbiatt 
TÄKI N 0 
Preisgekröntes Porträt 
einer Einzelkämpferin 
SCHAAN: Wäre der Titel «A bout de souffle» 
nicht schon an einen Klassiker der Filmge 
schichte vergeben, hätte man den neuen Film 
der Brüder Luc und Jean-Pierre Dardenne aus 
Belgien so nennen wollen. Die von der 18-jähri 
gen Emilie Dequenne mit überbordendem 
Temperament und einer unwahrscheinlichen, 
nie erlahmenden Präsenz gespielte Titelheldin 
ist physisch und psychisch stets am Limit ihrer 
Kräfte. Gleich in der ersten Szene erlebt man ei 
ne aufgebrachte Rosetta, die sich buchstäblich 
mit Händen und Füssen gegen den Rausschmiss 
aus der Fabrik wehrt, in der sie sie Probezeit 
nicht bestanden hat. Einen Tag lang darf sie bei 
einem Bäcker schwere Mehlsäcke schleppen, 
doch dann kehrt die frühere Stelleninhaberin 
zurück, und schon wieder steht Rosetta auf der 
Strasse - genauer: sie rennt, denn die von einer 
inneren Unruhe umhergetriebene junge Frau 
gönnt sich keine Verschnaufpause. Und mit 
ihren letzten Kräften versucht die Tochter, die 
Mutter von der Flasche - für die sie sich beim 
Leiter des Campingplatzes, wo sie wohnen, pro 
stituiert hat - wegzubringen. 
Die von Alain Marcoen geführte Handkame 
ra bleibt der von der fixen Idee einer bürgerli 
chen «Normalität» besessenen jungen Frau 
ständig auf den Fersen. 
Ein loser thematischer Faden spannt sich von 
«Rosetta» zu «La promesse», dem Film, mit 
dem den Brüdern Dardenne vor vier Jahren der 
Durchbruch gelungen ist. Ging es dort um die 
forcierte Lösung eines jungen Mannes aus sei 
ner Vaterbindung, so ist es hier der gescheiterte 
Versuch,eine Mutter-Tochter-Bindung ins rech 
te Lot zu bringen. Ärmliche Verhältnisse, Ar 
beitslosigkeit, Schwarzarbeit und stumpfer 
Egoismus sind in beiden Filmen dieThemen, die 
das triste Umfeld prägen, in dem die Hauptfi 
guren aber schliesslich doch zu sich selber fin 
den. Und in beiden Filmen sind es die langjähri 
gen Erfahrungen als Dokumentarfilmer, die es 
den Brüdern Dardenne ermöglichen, einer fik 
tiven Handlung die Qualitäten der sozialen 
Realität zu verleihen. 
«Ein Film wie <Rosetta> versetzt mich in Auf 
regung und Euphorie.» David Cronenberg 
(Jury-Präsident - Cannes 1999). «Rosetta» ist 
heute Donnerstag sowie von Samstag bis Mon 
tag jeweils um 20 Uhr imTaKino zu sehen. 

REKLAME 

März/April 2000 
*1 
Do t 23. und Fr, 24. März, 20,09 Uhr, TaK, 
Jörg Schneider m •• i 
«Ein Joghurt fOr zwei» „ " \ 
Sa, 25., So,26. ' ' | 
und Mo, 27. März, 20.09 Uhr, TaK ' - 
«Zweierlei Helden» H 
: von Joseph Breitbach ;* ' -4 
TaK-Produktion mit Franz-Josef 
f Steffens, Elisabeth Kopp, Henry * 
Meyer, Christoph Kilnzler; Regie: Peter, 
Carp. .. ...... 
Donnerstag, 30. März, 20.09 Uhr, TaK 
Sir Peter Ustinov 
, im Gespräch mit Felizitas von • J 
Schönborn , . . j 
>Sa, 1. und So. 2, April, 20.09 Uhr. TaK'-'j 
, Das Wehr'; 
! Eine Produktion dar WQrttembergischen! 
[StaatstfieaterStiJttflaiJ, .. } 
'Fr,7..Sa,8.,Di, 11., Fr, 14,,'Sa, 15. 
und So, 16. April, 20.09 Uhr, TaK t < '1 
Shakespeares w;".* 
sämtliche Werke - 
leicht gekürzt 

Vorverkauf (00423) 23? 59 69 ,<1 
Mo.-Fr. ;v-10-12 und 15^18 Uhr " 
IFax \ .' (00423) 237 59 72 
E-mail theater@tak.ll 

theate ® am kirchplatz 
Von Klassisch bis Brasilianisch 
Besonderer Jazz-Gitarren-Genuss mit Michael Langer in der Tangente 
Michael Langer studierte klas 
sische Gitarre in Wien und 
Graz mit Abschluss am Jazz 
konservatorium und in klassi 
scher Gitarre (einstimmige 
Auszeichnung und Würdi 
gungspreis des Bundesminis 
ters für Wissenschaft). Er leitet 
eine Gitarrenklasse am Bruck 
nerkonservatorium in Linz und 
am Konservatorium der Stadt 
Wien. 
Gerolf Hauser 
Trotz der «Konservatorienwelt» 
Hess sich Michael Langer aber nicht 
in das «stocksteife Korsett eines 
Konzertgitarristen pressen». Neben 
den konventionellenTechniken ver 
wendet er Tapping, Strumming und 
diverse perkussive Arten der Ton 
erzeugung. 
Er erhielt internationale Preise, 
z.B. in Mailand den 1. Preis beim 
klassischen Gitarrenwettbewerb, in 
Milwaukee gewann er beim Ameri- 
can-Fingerstyle-Guitarfestival und 
eine Fachjury der weltweit grössten 
Gitarrenzeitschrift «Guitar Player» 
aus den USA wählte ihn zum 
besten Gitarristen der Kategorie 
«Acoustic Fingerstyle». Das 
VOLKSBLATT sprach mit dem 
Gitarristen. 
VOLKSBLATT: Nach dem Kon 
zert, am 25. und 26. März geben Sie 
an der Musikschule einen Work 
shop. 
Michael Langen «Meine Spezia 
lität ist, mit der klassischen Gitarre 
und klassischer Spieltechnik ver 
schiedene Richtungen von Populär 
musik zu interpretieren. Das gibt es 
nicht so häufig, bringt es daher mit 
sich, sich damit an Gitarrelehrer 
Morgen Freitag gastiert das Michael Langer-Alegre Correa-Duo in der Tan 
gente in Eschen. Im Bild Michael Langer. (Bild: web-site) 
und fortgeschrittene Schüler zu 
wenden. Nur wenige kennen sich in 
diesem Gebiet aus. Der Workshop 
ist also eine Art Weiterbildung. 
Schon vor zwei Jahren habe ich das 
in Liechtenstein an der Musikschu 
le gemacht und ich freue mich auf 
die Fortsetzung. Wer Interesse hat, 
kann sich bei der Musikschule an- 
ftjel^n.» 
Da gab es früher das grosse Vorbild 
Charlie Byrd. 
«Das ist einer der ersten Stunden 
mit klassischer Technik Populärmu 
sik auf der Gitarre zu spielen.» 
Haben Sie Vorbilder? 
«Ich orientiere mich nicht so sehr 
an anderen und wenn, dann eher an 
Stahlsaiten-Gitarristen, an E-Gitar- 
risten. Ich habe als E-Gitarrist be 
gonnen und erst später die Aufnah 
meprüfung am Konservatorium in 
Wien gemacht, war also jahrelang 
mit Klassik beschäftigt. Dann hörte 
ich bei Gitarristen wie Guy van Du 
ser, Michael HedgesoderTlick And- 
ress, dass die Klassik-Gitarre swin- 
gen kann. Ich bin aber konsequent 
bei der Nylonstring-Gitarre geblie 
ben. Besonders interessiert mich die 
brasilianische Richtung.» 
Sie spielen am Freitag in der Tan 
gente mit einem brasilianischen 
Percussionisten zusammen. 
«Alegre Correa ist mehr als «nur» 
Percussionist. Er ist der Gitarrist 
des Vienna Art Orchestras, Kompo 
nist und spielt als Multiinstrumenta- 
list auch Cavaquinho, Perkussion, 
Berimbau und er singt. Bei unserem 
Programm haben wir beide jeweils 
einen Fingerstyle-Solopart, der 
hauptsächlich in die brasilianische 
Richtung geht, und in der zweiten 
Hälfte des Konzerts treffen wir uns. 
Da gibt es Stücke für Gitarre und 
Perkussion und für zwei Gitarren, 
Eigenkompositionen und Cover- 
Versionen, z.B. das «Fragile» von 
Sting oder «Man in the Mirror» von 
Michael Jackson. Das sind von uns 
gut ausgearbeitete und durcharran 
gierte Versionen, fast kontrapunk 
tisch aber groovig mit grossen Im 
provisationsphasen dazwischen.» 
Gibt es für Sie Berührungsängste 
zwischen E- und U-Musik? 
«Ich habe an Konservatorien Gi 
tarrenklassen; das sind meine klassi 
schen Wurzeln. International spiele 
ich aber meine eigene Richtung. 
Berührungsängste kenne ich nicht.» 
Michael Langer-Alegre Correa- 
Duo am Freitag, 24. März 2000; 20 
Uhr 15, in der Tangente in Eschen. 
Rückblick in die alte schlechte Zeit 
Volksstück «Magdalena» im Bregenzer Kornmarkttheater 
Tiefschürfendes, zu klassischer Aus 
sage emporgewachsenes Volksstück, 
«Magdalena» von Ludwig Thoma 
am Bregenzer Kornmarkttheater 
überzeugt nachhaltig in der kom 
pakten Regie von Barbara Herold 
und dem sparsam-effektvollen Büh 
nenbild von Karl-Heinz Steck. 
Wolfgang ölz 
Die stringente Regie-Arbeit von 
Barbara Herold lebt ganz von der 
zentralen Rolle des tragischen 
Volksstücks, die der aus dem 
Vorarlberger ORF als «Noche-Jas- 
ser» der hiesigen Bevölkerung ver 
traute Klaus Schöch mit grosser 
Authentizität verwirklicht. Klaus 
Schöch beweist, dass er neben einer 
fernseh-einschaltquoten-trächti- 
gen, komischen Begabung auch 
noch über ein beachtliches Talent 
für grosse tragische Rollen verfügt. 
Was wirklich ans Herz geht, ist 
sein Gespür für die Ausweglosig 
keit und Gehetztheit des wegen 
seiner in der Gross-Stadt zur Pros 
tituierten abgesunkenen Tochter 
Geächteten und von der Dorf- 
«Gemeinschaft» ausgeschlossenen 
Klein-Bauem. Thomas Mayr, ge 
nannt Paulimann, wird in der Auf 
fassung von Klaus Schöch zu einem 
tragischen Helden von Kohlhaas- 
cliem Zorn und griechisch-klassi- 
schem Ausmass. Seine Partnerin 
Maria Fliri kann ihm als dessen 
Tochter Magdalena das Wasser rei 
chen. Wenn auch in der Personen- 
Zeichnung vielleicht zum Teil etwas 
sprunghaft und unglaubwürdig, gibt 
sie die ansprechende Studie einer 
jungen Frau, die in ihrem ganzen 
lasziven Tand aus der Stadt nach 
Hause zurückkehren möchte und 
sich mittelfristig zu einer relativ gu 
ten Arbeiterin am väterlichen Hof 
entwickelt, obwohl unter den Vor 
zeichen des hasserfüllten und neidi 
schen Dorf-Packes am Ende alles 
tragisch enden muss. 
Auch Johannes Gabi, als Aushilfs- 
Knecht bei Mayr, der aus falschem 
Ehr-Begriff den Hof des glücklosen 
Klein-Bauern verlässt, macht seine 
schauspielerische Arbeit herausra 
gend gut. Gabi scheint ein gutes Ge 
fühl für jene Problematik zu haben, 
die im falschen Akzeptieren des so 
genannten gesunden Volksempfin 
dens liegt, und schliesslich in der 
Unterwerfung unter eine dörfliche 
Pseudo-Autorität führt. 
Karl-Heinz Steck hat eine ähnlich 
minimalistische Bühne wie bei der 
letzten George Tabori-Aufführung 
aufgestellt. Das Haus als Ort der fa 
miliären Gemeinschaft im Gegen 
satz zur dörflichen Gesellschaft 
wird durch einen grossen Raum im 
Bühnenraum versinnbildlicht, der 
zum Zuschauerraum hin offen ist. 
Nur ein paar Holz-Möbel und der 
Herrgottswinkel sind die spartani 
schen Utensilien, die für eine Welt 
von gestern stehen. Auch das Bett, 
auf dem Helene Mira der heimkeh 
renden Tochter beklemmend das 
Versprechen abringt, wieder gut, 
fleissig, brav und ehrbar zu werden, 
steht in diesem Zimmer, über des 
sen lichtdurchsichtige Rückwand 
die Meute als Schattenspiel bedroh 
lich vergrössert, flimmert. Die 
«Schande» und das böse Gerede der 
Leute ist es, gemäss der berühmten 
Faust-Szene «Gretchen und Lies 
chen mit Krügen am Brunnen», die 
dieses Stück und die überkommene 
bürgerlich-bäuerliche Welt, die hier 
theatralisch zelebriert wird, zusam 
menhält. Eine Welt die in dieser 
Form allerdings nicht mehr exis 
tiert: Fortbewegungsmittel wie das 
Auto und Kommunikationstechni 
ken wie das Internet haben die alte 
geographische Struktur des bäuerli 
chen Dorfes und der grossen «freie 
ren» Stadt aufgeweicht. 
Die kleinbürgerliche Sorge der 
Eltern um die christlichen Sekun 
därtugenden, wie Sauberkeit, Fleiss 
und Bravheit der Kinder, stellt heu 
te kein soziologisches Problem 
mehr dar, wie das in der Welt des 
Volkstücks von Ludwig Thoma der 
Fall gewesen ist. Religiöse Bindun 
gen und konfessionell geprägte ge 
sellschaftliche Strukturen werden 
abgelöst von modernen bzw. nach 
modernen Beziehungen. Nichtsdes 
totrotz ein wirklich empfehlenswer 
ter Abend, der zwar keine aktuellen 
Probleme aufgreift, aber in seiner 
Rückwärtsgewandheit ernsthaft 
existentiell Lebensentwürfe zeigt, 
die von Begriffen wie «ledig» und 
«lediges Kind» geprägt waren, die 
der heutigen Gesellschaft, sicherlich 
aber der jüngeren Generation, in 
ihrer unheilschwangeren Bedeu 
tung nicht mehr bewusst sind. 
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