4 Dienstag, 21. März 2000
FB P L-Parteitag
Liechtensteiner Volksblatt
«Wir setzen
Akzente!»
fen unsere Identität, unsere Existenz,
die Grundlagen unseres Staates, auf
welchen wir unser materielles Wohlbe
finden aufbauen können. Viele von uns
sind verunsichert, in einer Identitätskri
se. Eine innere Spaltung unseres klei
nen Volkes wegen der Verfassungsdis
kussion und wegen der Angriffe und
Pauschalverurteilungen durch andere
Staaten ist möglich. Mir wurde geraten,
die Finger von diesen heissen Themen
zu lassen. Abzuwarten. Zuzuwarten.
Nein, ich habe heute Abend schon ein
mal gesagt, dass Angst ein schlechter
Berater ist. Es ist die Pflicht jeder poli
tischen Kraft, gerade die existentiellen
Fragen zu behandeln und einer guten
Lösung zuzuführen.
Der Fürst ist das
Staatsoberhaupt, und
wir respektieren
seine Person und
Position.
Betreffend die Verfassungsdiskussion
will der Fürst eine Entscheidung in die
sem Jahr. Da dies die Organisations
struktur unseres Staatswesens und da
her uns alle direkt betrifft, müssen wir
für eine verantwortungsbewusste Ent
scheidung vorbereitet sein. Die Bürger
partei ist eine grosse Volkspartei. Na-
turgemäss gibt es verschiedene Mei
nungen und Auffassungen zu den ver-
«Nutzen wir die Talente. Setzen wir Akzente.» - Der neue FBPL-Priisident Ernst Walch in seiner Rede nach der Wahl.
nicht vor. Allerdings hat der Landtag
letzte Woche entschieden, die Vorschlä
ge seiner Kommission zu veröffentli
chen. Es werden also in diesen Tagen
die Ergebnisse der Verfassungsdiskus
sionen zwischen Fürst und Landtag der
breiten Öffentlichkeit zugänglich sein.
Kämpferischer Ernst Walch: «Wir machen nicht Opposition um der Opposition wil
len, sondern unser Ziel ist es, mit den besseren Ideen und Personen wieder an die -
wohlverstanden nicht nur in die - Regierung zu kommen.»
schiedenen in Diskussion stehenden
Verfassungsbestimmungen. An die gel
tende Verfassung allerdings halten wir
uns, solange sie so in Geltung ist. Und
wir stellen diesen Anspruch auch an
alle anderen Organe unseres Staates,
Leider ist diese Selbstverständlichkeit
in letzter Zeit nicht mehr so selbstver
ständlich. Der Fürst ist das Staatsober
haupt, und wir respektieren seine Per
son und Position. Wir setzen uns ein für
gegenseitige Achtung und Respekt und
wir setzen voraus, dass in Verfassungs
fragen alle das Allgemeinwohl vor per
sönliche Interessen stellen.
Fürst und Landtag, dieser vertreten
durch eine eigens dafür eingesetzte Ver
fassungskommission, haben einander
seit Jahren ihre jeweiligen Vorschläge
unterbreitet und erläutert. Zu wesentli
chen Kompromissen oder gar einer
Einigung ist es nicht gekommen. In den
Zeitungen konnte einiges nachgelesen
werden. Schliesslich hat der Fürst sei
nen Vorschlag kürzlich veröffentlicht
und allen Haushaltungen zugeschickt.
Für den Landtag ist die Kommissions
arbeit aber noch nicht abgeschlossen; er
trifft sich anfangs April noch einmal mit
dem Fürsten. Der Fürst hat die Bevöl
kerung zwischenzeitlich bereits zu Dis
kussionsrunden ins Schloss eingeladen.
Ein offizieller Verfassungsvorschlag des
Landtages, eventuell als Gegenvor
schlag zum Entwurf des Fürsten, liegt
Ob nun ein oder zwei Verfassungsvor
schläge vorliegen, eine Volksabstim
mung wird es geben. Egal, ob eine
Initiative für den Vorschlag des Fürsten
ergriffen wird oder ob Landtag und
Fürst doch noch einen allfälligen Kom-
promiss aushandeln werden.
Inder
Verfassungsfrage
dürfen wir keine
halbe Sache machen.
Ich habe heute Abend schon aufgeru
fen, wachsam zu sein, sich politisch zu
engagieren, mehr denn je in diesem-
Jahr. Es ist für jede politische Kraft vor
nehmste Pflicht und ureigenste Auf
gabe, den Meinungsbildungsprozess zu
ermöglichen und zu fördern. Wir reden
nicht nur darüber, wir tun es, über alle
Parteigrenzen hinweg. Es wird viel
Kraft, persönlichen Einsatz und auch
Geld kosten, Insbesondere in der Ver-
fassungsfrage allerdings dürfen wir kei
ne halbe Sache machen. Unser Ziel ist,
dass die ganze Bevölkerung umfassend
informiert ist und nicht in Angst oder
Unwissen, sondern verantwortungsbe-
wusst einen Verfassungsvorschlag be-
schliesst, der eine solide Grundlage für
unser Zusammenleben in diesem neuen
Jahrhundert darstellt. Ich wage zu
behaupten, dass der überwiegenden
Mehrheit unseres Volkes ausser mit ein
paar Schlagworten noch viel zu wenig
klar ist, welche Vorschläge welche Aus
wirkungen haben. Konnten wir auch
nicht. Es ist jetzt die Zeit gekommen,
dass wir uns alle der Verfassungsdiskus
sion stellen. Die Zeit ist günstig. Die
Positionen von Fürst und Landtag lie
gen vor.
Ich mache hiermit das Angebot an
die Vaterländische Union (VU) und an
die Freie Liste (FL), an Interessensver-
bände und Vereine, an sonstige Grup-
Kein Wunder, dass
die Bevölkerung
verunsichert ist...
pierungen und an die ganze Bevölke
rung unseres Landes, an Diskussions
runden in den Gemeinden teilzuneh
men. Wir werden in den Monaten April
und Mai, allenfalls auch im Juni, an je
dem Freitagabend von 18.00 bis 19.30
Uhr in verschiedenen Gaststätten und
Versammlungsorten aller Gemeinden
solche Gespräche organisieren. Wir
werden dafür besorgt sein, dass jeweils
informierte Vertreter der verschiede
nen Standpunkte anwesend sein wer
den und eine inhaltlich neutrale Mode
ration gewährleistet ist. Damit wird
eine individuelle und fundierte Mei
nungsbildung ermöglicht, welche eine
solide Grundlage für die Entscheidung
an der Urne darstellen wird. Ich bitte
Euch, unserem Geschäftsführer Marcus
Vogt (Tel. 237 79 40, Fax 237 79 49) in
den nächsten Tagen mitzuteilen, wer
sich als informierter Vertreter für sol
che Freitagsgespräche zur Verfügung
stellen möchte. Und ich lade hiermit
insbesondere die VU und FL ein, an der
Organisation und Umsetzung dieser
Diskussionsoffensive mitzuhelfen. Eine
schriftliche Einladung erfolgt in den
nächsten Tagen. Wir setzen Akzente.
Und schliesslich noch ein heisses Ei
sen: die Angriffe auf unseren Finanz
platz. Ausländische Medien und Regie
rungsvertreter so genannter freund-
nachbarschaftlicher Länder bezichtigen
unser Land, die Behörden, die ganze
Bevölkerung, also auch Dich und mich,
der Korruption, der Unterstützung ver
brecherischer Machenschaften, der Be
hinderung internationaler Rechtshilfe,
der Geldwäscherei, eines unfairen
Steuerwettbewerbs, ja sogar der Bei
hilfe zur Steuerhinterziehung. Und was
tun wir? Die Regierung erklärt, dass es
wohl schwarze Schafe gebe, dass sie die
Rechtshilfe straffen und die Sorgfalts
pflichtgesetze verschärfen werde. Sie
gibt Versprechungen ab, bei entspre
chendem Ersuchen umgehend Rechts
hilfe zu leisten, obwohl die diesbezügli
che Prüfungskompetenz bei den unab
hängigen Gerichten liegt. Die Interes-
sensvertreter geben allgemeine Er
klärungen ab oder hüllen sich in
Schweigen. Kein Wunder, dass die Be
völkerung verunsichert ist und das
Gefühl bekommt, dass bei uns alles und
alle korrupt und schlecht sind.
Was geht hier eigentlich vor? Zum
einen ist unser Niedrigsteuersystem
Deutschland und anderen Hochsteuer
ländern ein Dorn im Auge. Daher grei
fen sie mit allen Mitteln, auch unlaute
ren, unser System und deren Repräsen
Viel Applaus für die Ansprache des neuen Präsidenten der Bürgerpartei.
tanten an. Eine Verleumdungskampag
ne findet statt, mit den Print- und Tele-
medien als Handlanger, um die eigenen
Bürger der Hochsteuerländer zu verun
sichern. Unser von Klischees und ro
mantischen Vorurteilen aus der Mär
chenwelt behaftetes Land und die Mo
narchie sind ein gefundenes Fressen für
die internationalen Klatschmedien. Der
Verfassungskonflikt, das angespannte
Verhältnis zwischen Fürst und Regie
rung, die Verunsicherung im eigenen
Land und das fehlende Wissen über das
eigene System verschärfen das Prob
lem. Inhaltlich wird heute ausge
schlachtet, was zu einer Zeit geschah,
als es noch keine Geldwäscherei- und
Sorgfaltspflichtregelungen gab. Auch
nicht in Deutschland.
Wir werden nichts
gewinnen durch
Anbiederung
Wir werden nichts gewinnen durch
Anbiederung, durch leichtfüssige Ver
sprechungen, durch voreilige Anglei-
chung unserer Gesetze an die der ande
ren Länder. Das tut man nur dann,
wenn man von der eigenen Sache nicht
überzeugt ist. Aber wir gewinnen auch
nichts durch Poltern und arrogantes
Auftreten.
Hier geht es ganz einfach um einen
Wettbewerb der Systeme. Um Einfluss
und Staatseinnahmen. Verpackt wird
das Ganze mit dem Mäntelchen der
Ethik und Moral. Wobei die Grossen
die Guten und die Kleinen die Bösen
sein sollen.
Und wir fühlen uns ertappt, schuldig,
wollen uns daher musterschülerhaft be
nehmen und geben einem nicht einmal
rechtmässig begründeten Druck von
aussen aus politischem Opportunismus
nach. Einzelne Personen werden von
aussen angegriffen, vorverurteilt und
für das System verantwortlich gemacht
und erhalten von innen keine oder we
nig Unterstützung. Glauben wir selbst
gar nicht an unser System, an die
Grundlage unseres wirtschaftlichen Er
folges, den unsere Eltern und wir selbst
geschaffen haben? Und wir haben auch
immer geschwiegen, das Thema tabui-
siert, verdrängt. Wissen wir eigentlich,
was Geldwäscherei wirklich ist? Dass
gemäss deutschem Recht darunter an
deres verstanden wird, als nach liech
tensteinischem? Wieviele von uns
können die Begriffe Geldwäscherei
und Sorgfaltspflicht erläutern und den
rechtlichen Gehalt erklären?
Nutzen wir die
Talente. Setzen wir
Akzente.
Wie in der Verfassungsdiskussion ist
es höchste Zeit, dass wir uns als mündi
ge, selbstbestimmende Bürger mit den
Gesetzen und Regeln auseinanderset
zen und für diese einstehen. Wir können
unser Regelwerk nur verteidigen, wenn
wir es kennen. Wiederum belässt die
Bürgerpartei es nicht nur bei der Kritik,
sondern bietet Lösungen an. Wir haben
daher beschlossen, am 17. April 2000 im
Balznersaal eine grosse Informations
veranstaltung und Diskussion zu die
sem Thema durchzuführen, und zwar
nicht eine Expertentagung, sondern ei
nen sachbezogenen Dialog zwischen
Praktikern und Mitbürgern wie Du und
ich. Ich biete den Interessensverbän-
den, insbesondere dem Bankenver
band, der Rechtsanwaltskammer, den
Treuhändern und Wirtschaftsprüfern
an, unsere Plattform zu nutzen, zu in
formieren und sich dem Gespräch zu
stellen. Euere Ansprechpartner sind al
le Kreise der Bevölkerung und nicht al
lein die Berufsverbände. Und Euch alle
fordere ich auf, teilzunehmen, um einen
landesweiten Konsens wachsen zu las
sen, um Unwissen und Unsicherheit ab
zubauen, um mitzubauen an der Zu
kunft unseres Landes.
Ihr seht, ein wahrlich interessantes
Jahr liegt vor uns. Wir haben die
Chance, es zu gestalten. Freuen wir uns
darauf. Nutzen wir die Talente. Setzen
wir Akzente.»