Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

4 Samstag, 18. März 2000 
Inland 
Liechtensteiner Volksblatt 
«Für mich ist dieser Entzug höchst 
unklar, wenn nicht ungerechtfertigt» 
Streitgespräch zwischen Generalvikar Markus Walser und Wolfgang Seeger, Präsident des Vereins für eine offene Kirche 
Forisetzungvon Seite 3 
Wolfgang Seeger:... Dies würden be 
deuten. dass man pro Gemeinde je nach 
Pfarrer andere Lehrmittel hat. Muss 
man dann nicht auf die Einheitlichkeit 
im Lande achten? 
Markus Walsen Nein, das muss dies 
nicht bedeuten ... 
Wolfgang Seeger: ... Wenn man mit 
jedem Pfarrer Einzelgespräche über 
Lehrmittel führt, dann läuft man doch 
Gefahr, dass dies nicht mehr einheitlich 
ist. Wir haben doch verschiedene Pfar 
rer. Wenn wir nun einen Lehrplan für 
das Land haben, muss man ihn doch 
einhalten. Dann ist auf Gemeindeebene 
keine abweichende Möglichkeit zum 
Lehrplan mehr möglich. 
Markus Walser: Sie wissen auch, dass 
in anderen Ländern wie beispielsweise 
in Deutschland... 
Wolfgang Seeger: Wir müssen doch 
auf Liechtenstein schauen. Wir sind ein 
kleines Land... 
Markus Walser: Ja sicher. Sie wissen 
aber auch, dass wohl kaum ein liechten 
steinisches Buch auf der Liste zum 
Viele Leute unseres 
Landes interessieren 
sich dafür, ob jetzt 
wieder der 
Katechismus 
unterricht kommt. 
Lehrplan Religion aufgeführt ist. Das 
sind alles deutsche, österreichische oder 
Schweizer Bücher. 
Wolfgang Seeger: Man musste sich 
doch auf etwas einigen und festlegen. 
Markus Walser: Dr. Hirschlehner hat 
wohl die Liste gemacht. Das ist eine 
Frage, über die man noch sprechen 
muss oder kann. Es ist doch legitim, 
dass man diese Frage angeht. 
Wolfgang Seeger: Nochmals zurück 
zu meiner Frage: Was ist gegen Stefan 
Hirschlehner einzuwenden? 
Markus Walsen Gegen Stefan Hirsch 
lehner ist grundsätzlich nichts einzuwen 
den, das habe ich ja immer gesagt. Ich ha 
be geschrieben, dass wir ihm für seine 
Dienste danken, und dass wir weiter auf 
eine gute Zusammenarbeit hoffen. 
Wolfgang Seeger: Das heisst: Sie ge- 
MTßtfgong Seegen «Sie siitdi 
noch gar nicht im tanai 
infinit dem Land nockgar:i 
nicht verbunden. Mahfmgt^i 
fßch sowieso, weshalb ftem 
^§$0and aus Untervazalsh 
Generalvikar nach Lieck-; 
tenstelnkommen mus&$ 
Aber bitte, das ist eine Ent- a 
Scheidung des Erzbischofs.», 
Missio Canonica der katholischen Kir 
che braucht. 
Wolfgang Seeger: Sie kennen den jet 
zigen neuen Lehrplan, da ist ein konfes 
sionell katholischer Religionsunter 
richt vorgesehen. Der ist ja auch bewil 
ligt. 
Markus Walser: Der neue Lehrplan 
ist nicht bewilligt. Das ist einer der 
Punkte, über den wir mit Dr. Hirschleh 
ner gesprochen haben. Es sind Beden 
ken vorhanden, die im Priesterrat be 
sprochen wurden und dem Schulamt 
mitgeteilt worden sind. 
kommt? Wird es jetzt wieder nach al 
tem Muster wieder einen Katechismus 
geben, der langweilig heruntergebetet 
wird, ohne weiteres Eingehen auf die 
Fragen der Jugendlichen und Kinder? 
Wie wird der Religionsunterricht ausse 
hen nach dem Willen des Erzbischofs? 
Markus Walser: Ich möchte zuerst die 
vorgängige Frage fertig beantworten. 
Der Erzbischof hat dem Schulamt mit 
geteilt, dass er den Lehrplan in dieser 
Form nicht genehmigt habe. Der Erzbi 
schof hat in der didaktisch-methodi- 
schen Handhabung seine Zustimmung 
TREITGESCHPRÄCH 
±KEI±GE2CHbtfVCH 
Wolfgang Seegen Darf man wissen, 
in welche Richtung die Bedenken ge 
hen? 
Markus Walser: Die Bedenken gehen 
genau in die Richtung, wie ich zuvor ge 
sagt habe. Der Lehrplan geht in Rich 
tung REL-Unterricht. Das ist nicht das 
Ziel der katholischen Kirche. Man darf 
sich sicher mit dieser Frage auseinan 
dersetzen. Und wenn das ... 
Wolfgang Seeger:... Viele Leute un 
seres Landes interessiert... 
erteilt. Herr Dr. Hirschlehner hat nach 
her an alle Katecheten einen Brief ge 
schrieben, ir welchem er betonte, dass 
der Erzbiscliof den Lehrplan geneh 
migt habe. Das trifft nicht zu. Es ist der 
Wunsch des Erzbischofs und des Pries 
terrates, dass Herj Hirschlehner die 
Beschlüsse so wiedergibt, wie sie gefal 
len sind. Ich glaube, das ist nicht zu viel 
verlangt. M,in hat den Lehrplan nie so 
bewilligt, w:e er vorliegt und Herr Dr. 
Hirschlehner an die Katecheten im 
hen davon aus, dass Sie bzw. der Erzbi 
schof ihm die Missio Canonica wieder 
erteilt. 
Markus Walser: Wenn das Schulamt 
sagt, dass das Ziel ein REL-Unterricht 
sei.dereben kein kirchlicher Unterricht 
ist, dann muss man auch sagen, dass 
man für einen REL-Unterricht keine 
Markus Walser:... Darf ich bitte aus 
reden? 
Wolfgang Seeger: Ja das dürfen Sie. 
Ich hätte nur gerne eine Antwort auf 
meine Frage. Viele Leute unseres Lan 
des interessieren sich dafür, und das er 
kennt man aus den Leserbriefen, ob 
jetzt wieder der Katechismusunterricht 
Brief ausgeführt hat.'Der Religionsun 
terricht der Zukunft soll kein Katechis 
musunterricht wie vor 50 Jahren sein. 
Der Katechismus hat zwei Seiten. Die 
eine ist die Form - das Frage-Antwort- 
Prinzip mit Auswendiglernen. Meines 
Erachtens ist klar, dass es nicht mehr so 
gemacht wird. Die zweite Seite ist der 
Inhalt. Das ist die Frage mit dem Zu 
sammenhang zum REL-Unterricht. Ist 
der Inhalt nach wie vor Glaubensver 
mittlung der katholischen Kirche oder 
umgekehrt der reformierten Kirche in 
der Schule oder ist es ein Religionskun 
de- und Ethikunterricht. Je nachdem 
wo es hingeht, ist die katholische Kirche 
oder eben auch die evangelische Kirche 
noch involviert oder eben nicht mehr. 
In diesem Zusammenhang werden wir 
eine Missio Canonica ausstellen oder 
eben allenfalls nicht mehr. Wenn das 
Schulamt Nein sagt und sich für einen 
Religionskundeunterricht entscheidet, 
ist auch eine Missio Canonica nicht 
mehr erforderlich. 
Herr Walser, was macht dann aber das 
Erzbistum, wenn das Schulamt beim 
REL-Unterricht bleiben möchte? 
Markus Walsen Der REL-Unterricht 
ist momentan nicht verfassungs- und 
gesetzeskonform. In der Verfassung ist 
festgelegt, dass der Religionsunterricht 
von den Religionsgemeinschaften er 
teilt wird. Dann müsste man die Verfas 
sung ändern. Dies steht aber in Zusam 
menhang mit der grundsätzlichen Frage 
der Entflechtung des Verhältnisses von 
Kirche und Staat. Das muss man dann 
im Gesamtzusammenhang diskutieren. 
Herr Seeger, Generalvikar Walser be 
tonte soeben, dass der REL-Unterricht 
nicht verfassungskonform sei. Sehen 
Sie das als Jurist auch so? 
Wolfgang Seeger: Artikel 16 der Lan 
desverfassung ist nicht der einzige Arti 
kel, der auf diese Frage eingeht. Artikel 
15 sieht vor, dass der Staat auf das Zu 
sammenwirken mit der Kirche hin 
wirkt. Dieses Zusammenwirken würde 
schon darauf hinweisen, dass man zu 
sammen einen Religionsunterricht ge 
staltet. Das ist auch die Grundlage, wie 
wir sie im Schulgesetz haben. Die Ver 
fassungsbestimmung braucht eine 
Ausgestaltung in einem Gesetz. Sie ist 
die Obernorm, die dann konkretisiert 
werden muss. Persönlich würde ich eher 
den Gedanken von Herrn Walser in die 
sem Bereich Recht geben. Wenn man 
sagt, dass der Religionsunterricht, wie 
er bisher erteilt wurde, von der Schule 
ausgegliedert werden soll und einen 
Religionsunterricht im Sinne eines 
Ethikunterrichts in der Schule erteilt, 
Der REL-Unterricht ist 
momentan nicht 
verfassungs- und 
gesetzteskonform 
muss man die rechtlichen Grundlagen 
entsprechend ändern. Das muss jetzt 
aber noch gar nicht so weit sein. Hier 
gehen wir einen Schritt zu weit, den ich 
mir gerade nicht vorstellen möchte. Wir 
haben einen Vorschlag vorgelegt, der 
eben auf dem bisherigen aufbaut. Das 
wurde von Herrn Walser belächelt und 
als konservativ abgetan. Konservativ 
heisst ja bewahren. Der heilige Paulus 
sagt, dass man das Gute bewahren sol 
le. Wir möchten eigentlich die gute Zu 
sammenarbeit, die Staat und Kirche bis 
1997 hatten, aufrecht erhalten. Die 
Schwierigkeiten gibt es erst, seit Liech 
tenstein zum Erzbistum geworden ist. 
Es ist unbegreiflich, dass aus einer Per 
sonalsituation im Bistum Chur heraus, 
wir in Liechtenstein eine Situation ha 
ben, in welcher alles keine Gültigkeit 
mehr hat und kein Stein auf dem ande 
ren belassen wird. Leute, die früher sehr 
verdienstvoll gearbeitet haben, an den 
Rand der Existenz gebracht wurden. 
Ich denke beispielsweise an die Deka 
natssekretärin, die von einem Tag auf 
den anderen keine Arbeit mehr hatte 
und in ihrem Alter auch so schnell 
nichts gefunden hat. Wenn ein privater 
Arbeitgeber dies gemacht hätte, wäre 
Wir sehen, dass seit 
der Errichtung des 
Erzbistums das 
Kirchenvolk unseres 
Landes gespalten ist 
er vor Gericht gezogen worden. Die 
Kirche leistet sich hier etwas, was kein 
privater Arbeitgeber sich leisten kann. 
Ich möchte nur sagen, dass wir vorläu 
fig und so lange wie möglich an diesem 
einträchtigen Zusammenwirken von 
Staat und Kirche festhalten. Was dann 
ist, wenn dies nicht mehr klappt, muss 
man sich wieder unterhalten. Es geht je 
doch nicht, wie Sie, Herr Walser, letzten 
Herbst am Symposium ausführten, dass 
man in diesem Sinne entflechten müsse, 
dass sich die Kirche alle Vorteile nimmt 
und der Staat einfach zahlt und gibt. Ei 
ne Einbahnstrasse ist diese Sache nicht. 
Da würde es schon noch Modelle ge 
ben, die dem Herrn Erzbischof und 
dem Herrn Walser weh tun würden. 
Markus Walsen Was würde mir weh 
tun? 
Wolfgang Seeger: Ob es Ihnen per 
sönlich weh tut weiss ich nicht. Sie sind 
ja noch gar nicht im Land und mit dem 
Land noch gar nicht verbunden. Man 
fragt sich sowieso, weshalb hier jemand 
aus Untervaz als Generalvikar nach 
Liechtenstein kommen muss. Aber bit 
te, das ist eine Entscheidung des Erzbi 
schofs. Ich stelle mir nur vor, wenn die 
ses Zusammenwirken zwischen Staat 
und Kirche nicht mehr funktioniert, 
dann müssten wir auch etwas schmerz 
lichere Striche im Verhältnis Staat und 
Kirche ziehen. Dann ist es nicht mit ein 
paar freundlichen Worten abgetan, 
durch welche wir der Kirche das über 
lassen, was sie gerne hätte. Ich glaube, 
das wäre keine Lösung, die man sich 
J 
	        

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