Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

4 Donnerstag, 16. März 2000 LANDTAG Liechtensteiner Volksblatt 
«Organisierte Unverantwortlichkeit» 
Der Landtag nahm den PUK-Bericht über die LKK zur Kenntnis - Diskussion um politische Verantwortung 
Helmut Konrad (FBPL): «Versagt haben alle Beteiligten, die Verantwortung aber hat niemand übernommen.» (Bilder: bak) 
«Aufgrund der eruierten Fakten 
lage wäre es nun endlich an der 
Zeit, dass die Regierung zu ihrer 
Verantwortung steht», meinte der 
FBPL-Abgeordnete Johannes 
Matt gestern im Landtag. Sein 
Fraktionskollege Alois Beck 
sprach von einer «organisierten 
Unverantwortlichkeit». Zur Dis 
kussion standen die Ergebnisse 
der PUK, die mit der Untersu 
chung der damaligen LKK-Affäre 
beauftragt worden war. 
Manfred öhri 
Die Quintessenz des Berichtes der par 
lamentarischen Untersuchungskom 
mission zum seinerzeitigen Desaster 
der Liechtensteinischen Krankenkasse 
dürfte inzwischen bekannt sein: Die 
PUK gelangte zur Ansicht, dass sämtli 
che involvierten staatlichen Organe 
(Regierung, Landtag und Amt für 
Volkswirtschaft) die ihnen zugewiese 
nen Aufgaben nicht in genügender Wei 
se erfüllt haben. Die PUK weist ihnen 
denn auch gewisse Kausalanteile an der 
negativen Entwicklung der LKK zu. 
Der Löwenanteil der Ursächlichkeiten 
wird den nichtstaatlichen Stellen, insbe 
sondere der LKK und deren Kontroll 
stelle, zugesprochen. 
«Das Ergebnis stimmt nachdenklich, 
ist beunruhigend und wirft kein gutes 
Licht auf den Staat», meinte gestern der 
FBPL-Abgeordnete Helmut Konrad. 
Die staatlichen Organe hätten in dieser 
Sache versagt, schwerwiegende Mängel 
in der Versicherungs-Aüfsicht seien 
festgestellt worden. 
Auf gut Deutsch... 
Zusammenfassend ist die PUK der 
Ansicht, dass die Kontrolle über die 
Krankenkassen im Untersuchungszeit 
raum von 1991 bis 1996 äusserst re 
formbedürftig war. «Auf gut Deutsch 
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heisst dies nichts anderes», bemerkte 
Johannes Matt (FBPL), «als dass das 
LKK-Debakel hätte vermieden werden 
können, wenn die Führungsaufgabe 
und die Aufsichtspflicht seitens der Re 
gierung und ihrer Amtsstellen wahrge 
nommen worden wären, bevor Spital 
verwalter und Ärzte auf die Zahlungs 
schwierigkeiten bei der LKK aufmerk 
sam machten.» Nach übereinstimmen 
der Meinung von Marco Ospelt bleibt 
es bei der Regierung, für Fragen im Zu 
sammenhang mit dem Finanzskandal 
der LKK die politische Verantwortung 
zu tragen. «Man mag das als parteipoli 
tische Querele abtun, dennoch führt 
kein Weg daran vorbei», unterstrich der 
FBPL-Abgeordnete.' 
Den Ausführungen von Marco 
Ospelt zufolge hat die Regierung seit 
Erlass des Krankenversicherungsgeset 
zes keine gestaltende, leitende Funkti 
on im Bereich der Krankenversiche 
rung übernommen. So habe sie es ver 
säumt. die Regelungen, insbesondere 
was die Kontrolle der Krankenversi 
cherer angehe, den veränderten Gege 
benheiten anzupassen. Während in der 
Schweiz die Bestimmungen laufend 
verfeinert und Entwicklungen und Er 
kenntnisse der Sozialversicherung um 
gesetzt worden seien, sei unsere Regie 
rung untätig geblieben. 
«Sie hat», so Marco Ospelt, «weder 
organisatorisch noch personell für eine 
Anpassung an die sich verändernden 
Bedingungen gesorgt. Sie hat einfach 
nicht reagiert.» 
Politisches Sittengemälde 
Für Johannes Matt gleicht der Be 
richt einem «politischen Sittengemälde, 
in welchem exemplarisch aufgezeigt 
wird, wie politisches Wursteln und nai 
ver Pragmatismus über die Jahre hin 
weg zum Debakel führen, weil die ge 
schaffenen Gesetze nicht konsequent 
umgesetzt werden». Dass die Hauptver 
antwortlichen in der Regierung ihre 
Hände jetzt in Unschuld zu waschen 
versuchten, sei zu erwarten gewesen. 
Diese Haltung präge seit Jahren den 
politischen Diskurs im Gesundheitswe 
sen. Der vorliegende Untersuchungsbe 
richt sei allerdings der «eindrückliche 
Beweis für enorme Führungsmängel 
seitens der Regierung», stellte Johannes 
Matt fest. 
Mit Kredit zugedeckt 
Versagt hätten alle Beteiligten, mein 
te Helmut Konrad, die Verantwortung 
aber habe niemand übernommen - die 
politische sowieso nicht. Der FBPL- 
Abgeordnete dazu wörtlich: «Durch die 
Vergabe des 6-Mio.-Kredites an die 
LKK hat der Landtag 1997 das eigentli 
che Ausmass des Skandals zugedeckt - 
zum Wohle der Versicherten, hat es ge- 
heissen. Geld hat der Staat, und so 
konnte das schlimmste Szenario, der 
Konkurs der LKK, verhindert werden - 
zum Wohle der Versicherten, aber si 
cher auch der politisch Verantwortli 
chen, wäre doch sonst in der Öffentlich 
keit die Frage nach der Verantwortlich 
keit für diesen Schlamassel stärker in 
den Vordergrund getreten. 
Immer die Regierung 
Der zuständige Regierungschef- 
Stellvertreter Michael Ritter nahm die 
Kritik mit der lapidaren Bemerkung 
entgegen: «Das weiss jetzt wirklich je 
der im Land, dass am Schluss immer die 
Regierung schuld ist.» Die Aufsicht 
über die Krankenkassen sei reformbe 
dürftig gewesen, jetzt sei sie reformiert. 
Für die Versicherungsaufsicht seien 
heute acht Stellen zuständig. Aber, so 
der Gesundheitsminister: «Wir könnten 
für die Wahrnehmung der Aufsichts 
pflicht problemlos noch ein paar Leute 
mehr brauchen.» Nach den Worten des 
FBPL-Abgeordneten Alois Beck wer 
de man erst in einigen Jahren beurteilen 
können, ob das Krisenmanagement 
auch tatsächlich erfolgreich gewesen 
sei. Für Oswald Kranz (VU) ist die 
LKK in der Zwischenzeit wieder zu ei 
nem «leistungsfähigen und erfolgreich 
konkurrierenden Versicherer gewor- 
den.dem die Versicherten das volle Ver 
trauen schenken können». 
Der Vorwurf 
Zur kritisierten Vorab Veröf 
fentlichung des PUK-Berichtes 
durch die Regierung hielt der 
PUK-Vorsitzende Peter Spren 
ger folgendes fest: 
«Es war anlässlich der Ab- 
schluss-Sitzung vom 20. Januar 
2000 die erklärte Absicht der 
PUK, den Bericht nach Be 
handlung durch den Landtag 
der Öffentlichkeit zugänglich 
zu machen. Am darauffolgen 
den Tag versandte ich den Be 
richt im Einverständnis mit al 
len PUK-Mitgliedern an den 
Landtagspräsidenten, das 
Landtagssekretariat und die 
Regierung. In der Folge wurde 
ich vom Landtagspräsidenten, 
dem Landtagssekretär und vom 
Regierungschef-Stellvertreter 
Michael Ritter kontaktiert. 
Ich wurde darauf hingewie 
sen, dass das von der PUK ge 
wählte Vorgehen nicht im Ein 
klang mit der Geschäftsord 
nung des Landtags und der bis 
herigen Praxis steht. Obwohl 
ich darauf hinwies, dass die Ver 
öffentlichung erst nach der Be 
handlung im Landtag den In- 
tensionen der PUK entspro 
chen hätte, erklärte ich mich am 
Ende der Diskussion mit einer 
Veröffentlichung einverstan 
den. Aus zeitlichen Überlegun 
gen - ich hatte eine Auslandrei 
se zu absolvieren - versäumte 
ich es, die PUK-Mitglieder über 
die Änderung zu informieren. 
Dies und die Tatsachen, dass 
sich die PUK über die Praxis 
der Veröffentlichungen und den 
Inhalt der Geschäftsordnung 
des Landtages nicht informiert 
hat, dass zudem durch das 
gleichzeitige Verschicken an 
den Landtag und die Regierung 
der Eindruck entstanden ist, 
dass die Regierung und die Öf 
fentlichkeit vor den Landtags 
abgeordneten informiert hätten 
werden sollen, werfe ich mir 
heute vor. Ich übernehme dafür 
auch die volle Verantwortung. 
In der Freude über die beende 
te Arbeit und in der Hektik des 
Alltags habe ich Fehler ge 
macht. Weder die Desavou 
ierung meiner PUK-kollegen 
noch die Geringschätzung des 
Landtages stand in meiner Ab 
sicht. Sollte dieser Eindruck 
entstanden sein, möchte ich 
mich dafür entschuldigen. Die 
meines Erachtens überzogene 
Reaktion der FBPL-Mitglieder 
der PUK und des Volksblattes 
in diesem Zusammenhang 
möchte ich nicht weiter kom 
mentieren.» 
Die Verantwortung 
Zur Frage der Verantwortlich 
keit für die damalige LKK-Mi- 
sere bemerkte der FBPL-Abge 
ordnete Johannes Matt unter 
anderem: 
«Nach meinem Führungsver 
ständnis fällt aufgrund des vor 
liegenden PUK-Berichtes die 
politische Hauptverantwortung 
für das LKK-Debakel klar und 
eindeutig der Regierung zu und 
nicht dem Landtag und auch 
nicht einer Amtsstelle. Die Re 
gierung und nicht der Landtag 
steht der Verwaltung vor. Die 
Regierung ist die oberste Ver 
waltungsbehörde und führt die 
Aufsicht über die einzelnen 
Ämter: Und wer ist nun dafür 
verantwortlich, wenn das Amt 
für Volkswirtschaft seinen Auf 
gaben nicht nachkommt? In der 
Regel ist es doch so, dass Geset 
zesvorlagen von der Regierung 
erarbeitet und dem Landtag 
vorgelegt werden. Im Gesetzes 
vollzug erkennt die Regierung, 
sofern sie dazu in der Lage ist, 
wo Gesetzeslücken bestehen, 
wo Gesetze nicht mehr zeit- 
gemäss sind, wo mittels Verord 
nungen Gesetzesbestimmungen 
umzusetzen sind. Die zur Um 
setzung des Krankenversiche 
rungsgesetzes erforderlich ge 
wesenen Verordnungen sind 
gemäss PUK-Bericht nie erlas 
sen worden. 
Die politische Verantwortung 
kann niemals einer Amtsstelle, 
einer privaten Revisionsstelle 
oder der LKK selber zugescho 
ben werden. Sie sind keine poli 
tischen Institutionen oder Or 
gane. Aus den Ausführungen 
des neutralen Gutachters geht 
die Verantwortlichkeit der Re 
gierung klar hervor. Allerdings 
muss man hierfür die einzelnen 
Abschnitte jeweils zu Ende le 
sen. 
Um die politische Verantwor 
tung noch genauer eruieren zu 
können, müsste man erheben, 
wer für die Erlassung des KVG 
1972, das vom Gutachter als ris 
kantes Modell bezeichnet wird, 
die Hauptverantwortung trug. 
Wie waren damals die Mehr 
heitsverhältnisse im Landtag? 
Wer war innerhalb der Regie 
rung dafür verantwortlich, dass 
die entsprechenden Verordnun 
gen für die Aufgabenteilung 
zwischen Revisionsstelle und 
Aufsichtsbehörde nicht erlassen 
wurden? Wer hat das Ressort 
Soziales seit 1972 inne gehabt? 
Die Beantwortung dieser Fra 
gen gäbe zusätzliche Hinweise 
über die Verantwortlichkeit.» 
Die Konsequenzen 
Zu den Konsequenzen aus 
den im PUK-Bericht festge 
stellten Missständen meinte ges 
tern der FBPL-Abgeordnete 
Marco Ospelt: 
«Wichtig ist, dass die Bestim 
mungen über Kontrolle und 
Aufsicht der Krankenversiche 
rer durch das Amt für Volks 
wirtschaft (AVW) im revidier 
ten Krankenversicherungsge 
setz die Erkenntnisse des Ex 
perten berücksichtigen. Vor 
schriften über den Inhalt und 
die Durchführung der Aufsicht 
werden konkretisiert, die Auf 
gaben der Revisionsstelle wer 
den umschrieben. Obwohl nur 
einige Tage Zeit bleiben bin ich 
auch zuversichtlich, dass eine 
Verordnung doch noch erlassen 
wird. Wenn sich die Versicherer 
schon nicht im Voraus auf die 
Veränderungen vorbereiten 
konnten, so sollen sie sich we 
nigstens im Nachhinein an die 
Auflagen der Regierung anpas 
sen. Zu hoffen ist, dass mit der 
Zeit auch die Mängel im AVW 
behoben werden, dass die Schu 
lung des Personals ernsthaft in 
den Mittelpunkt gestellt wird, 
und dass den zuständigen Be 
amten genügend Freiraum für 
die zu erledigenden Aufgaben 
eingeräumt wird. Soweit die 
sachliche Ebene betroffen ist, 
sind also die nötigen Schritte 
eingeleitet worden. 
Die politischen Folgen dieser 
Versäumnisse hingegen sind 
spezifisch liechtensteinisch: 
Zunächst -wird eine Expertise 
eingekauft. Dann wird der 
ganze Schlamassel mit Geld zu 
gedeckt. Gleichzeitig zeigt die 
Regierung mit dem Finger auf 
andere: Die Revisionsstelle 
wird beschuldigt, die Organe 
der Liechtensteinischen Kran 
kenkasse, ja sogar der Landtag 
von 1972 sollen schuld sein. 
Schliesslich läuft alles auf ein 
fröhliches «weiter so!» hinaus. 
Mit den eigenen Unterlassun 
gen «könne man leben», wird 
verlautet. Offenbar ist unsere 
Regierung schon an sehr dünne 
Luft gewöhnt. Ich werde dabei 
fatal an Wilhelm Busch erin 
nert. Der sagt über die schöne 
Helene: Ist der Ruf erst ruiniert, 
lebt sich's gänzlich ungeniert! 
Jedenfalls müsste in jedem an 
deren mitteleuropäischen Land 
der politisch Verantwortliche 
für solch gravierende Vor 
kommnisse in seinem Zustän 
digkeitsbereich seinen Hut neh 
men.»
	        

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