Liechtensteiner Volksblatt
Schweiz
Montag, 13. März 2000 9
Nachrichten
Massives Ja zur kleinen
Justizreform
BERN: Die im Parlament abgemagerte Justiz
reform hat die Hürde von Volk und Ständen
souverän genommen. Sämtliche Kantone und
das Volk mit 86,4 Prozent Ja gegen 13,6 Prozent
Nein stimmten ihr zu. Jetzt wird der Ruf nach
weiteren Reformschritten laut. Die Justizre
form - ein separates Paket der umfassenden
Verfassungsreform - soll den Rechtsschutz ver
bessern, das Bundesgericht entlasten und die
Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozess
rechts ermöglichen. Auf eine Verfassungsge
richtsbarkeit und neue Zugangsbeschränkun
gen hatten die Räte verzichtet. 1609109 Ja stan
den 255348 Nein gegenüber. Am deutlichsten,
nämlich mit 92.3 Prozent, hiessen die Stimmbe
rechtigten im Kanton Genf die Vorlage gut, vor
jenen in Basel-Stadt mit 91,7 Prozent. Um die
90-Prozent-Marke lagen auch dasTessin (90,1)
und Zürich (89,9). Am geringsten war die Be
geisterung in den Kantonen Obwalden (69,2),
Wallis (70,7) und Uri (73,7). Die Vorlage hatte
praktisch keine Gegner. Entsprechend löste de
ren klare Annahme durch die Bevölkerung
zwar kaum Überraschung, aber durchgehend
Zufriedenheit aus. Jetzt wird der Ruf nach wei
teren Reformschritten laut. «Hocherfreut» über
die deutliche Annahme der Justizreform ist das
parlamentarische Komitee «Ja zu einer moder
nen Justiz». Auch mit Annahme des neuen Ver-
.. l , i r j ^ >. , . ff
■\t 'V? •; r
l I
) A
fassungsartikels seien aber noch Fragen offen,
hicss es im Komitee. Während die Schaffung ei
ner ersten Instanz im Strafbereich auf Bundes
ebene unbestritten erscheint, stehe für das Ko
mitee eine entsprechende Instanz im Verwal
tungsrecht oder im Bereich der Sozialversiche
rungen erst zur Diskussion. Für den Präsidenten
des Bundesgerichts, Martin Schubarth, kann das
Bundesgericht nun rasch die dringend nötige
Entlastung erfahren, indem ihm richterliche In
stanzen vorgeschaltet werden. Die FDP hofft,
dass das deutliche Ja zur Justizreform den Weg
zu weitergehenden, «echten» Reformen ebnet
und gibt sich nur bedingt enthusiastisch über die
«Mini-Reform». Sie findet dabei Unterstützung
bei der SP, die auch gerne weitergehende Re
formen hätte. Zurückhaltender reagiert die
CVP. Sie gibt sich mit dem Erreichten zufrieden
und will zuerst damit Erfahrungen sammeln.
Die SVP schliesslich glaubt, dass mit der Justiz
reform die Voraussetzungen geschaffen wur
den, damit Einsatz und Arbeitsweise der Justiz
«bedürfnisgerecht und zeitgemäss» werden.
Stimmbeteiligung
wieder leicht gesunken
BERN: Mit knapp 42 Prozent lag die gesamt
schweizerische Stimmbeteiligung am Wochen
ende etwas tiefer als beim letzten Urnengang.
Nach Kantonen reichte sie von 30,1 Prozent im
Tessin bis 71,9 Prozent in Schaffhausen. Am 13.
Juni 1999 hatten 46 Prozent der Stimmberech
tigten über Asylvorlage, Heroinabgabe, IV-Re-
vision und Mutterschaftsversicherung entschie
den. Diesmal betrug die Beteiligung nach offizi
ellen Angaben je nach Vorlage zwischen 40,2
und 42,0 Prozent. Weit an der Spitze stand dank
«Stimmpflicht» erneut Schaffhausen. In den
Kantonen Uri (52,3 Prozent), Basel-Stadt
(50,8), Schwyz (50,5) und Appenzell A.Rh.
(50,0) nahm zumindest die Hälfte der Stimmbe
rechtigten am Urnengang teil. Nur wenig grös
ser als im Tessin war das Interesse in den Kan
tonen Wallis (33,9 Prozent) und Waadt (34,8).
Wie üblich hatten auch gleichzeitige kantonale
und kommunale Vorlagen oder Wahlen einen
Einfluss auf die Beteiligung an der eidgenössi
schen Abstimmung.
«Freude herrscht» für
Bundesrätin Ruth Metzler
Eidgenössische Abstimmung: Verkehrshalbierungsinitiative deutlich abgelehnt
BERN: Katzenjammer bei den
Initianten, Genugtuung in Wirt-
schafts- und Automobilkreisen
nach dem deutlichen Nein zur
Verkehrshalbierungsinitiative.
Die Gegner sehen darin ein Sig
nal, das Nationalstrassennetz zu
vervollständigen und Engpässe
zu beseitigen.
«Schwer enttäuscht» ist das Initia-
tiv-Komitee «Umverkehr» über den
Abstimmungsausgang. Es hatte mit
einem Überraschungserfolg ä la Al
peninitiative gerechnet.
Die Initianten sparen indes nicht
mit Selbstkritik: Es sei offenbar
nicht gelungen, den Leuten glaub
haft zu machen,dass mit halb so viel
Autoverkehr die Mobilität nicht
zurückgehe, sondern vielfältiger
und umweltfreundlicher werde.
Kritik auch an den Gegnern: Die
se hätten sich im Abstimmungs
kampf nicht gescheut, unfaire Be
hauptungen zu machen, zum Bei
spiel, man wolle den Leuten ab 65
den Fahrausweis wegnehmen, mo
nierte Beat Ringger vom Initiativ-
Komitee.
Rückenwind für
Avanti-Initiative
Allseits Genugtuung herrschte
bei den Wirtschaftsverbänden. Die
klare Ablehnung sei eine «vernich
tende Niederlage» für «unrealisti
sche und visionäre Planspiele» in
der Verkehrspolitik und ein Zei
chen, die heutigen Engpässe zu be
seitigen, sagte Pierre Triponez vom
Schweizerischen Gewerbeverband
namens des Nein-Komitees.
f.
Erfolg fiir Bundesrätin Ruth Metzler: Die Stimmbiirgerinnen und Stimm
bürger teilten die Meinung der Justizministerin. (Bild: Keystone)
Aus Sicht von Triponez erhält
damit die Idee der Avanti-Initiative
Rückenwind, die einen Ausbau der
AI zwischen Bern und Zürich,Genf
und Lausanne und den Bau eines
zweiten Strassentunnels am Gott
hard verlangt.
Nach Ansicht von Peter Hutzli,
Sekretär vom Schweizerischen
Handels- und Industrieverein (Vor
ort), hätten die Initianten zweifellos
mehr erreicht, wenn sie statt einer
Halbierung des Verkehrs innerhalb
von zehn Jahren nur eine Redukti
on um 25 Prozent gefordert hätten.
Das deutliche Resultat sei ein kla
res Bekenntnis zur freien Wahl der
Verkehrsmittel. Das Volk wolle sich
in seinem Mobilitätsverhalten nicht
einschränken lassen, tönt es bei Au
tomobilverbänden und den Vertre
tern des Autogewerbes.
Die vier Bundesratsparteien ha
ben mit dem Abstimmungsausgang
gerechnet. FDP-Generalsekretär
Johannes Matyassy zeigte sich indes
überrascht,dass die Initiative derart
deutlich abgelehnt wurde. «Das Au
to ist das «Chouchou des Schwei
zer», sieht Matyassy als Grund.
Die SVP hatte sich vor allem über
die wirtschaftlichen Konsequenzen
einer Annahme Sorgen gemacht.
Dies hätte für die gesamte Wirt
schaft einen gewaltigen negativen
Schock bedeutet.
Als einzige Bundesratspartei hat
te die SP ein Ja empfohlen. Trotz
dem ist sie nicht überrascht über das
Abstimmungsresultat. Man habe
den Leuten Angst gemacht mit Ver
boten, die in der Initiative gar nicht
enthalten seien, nannte SP-Präsi-
dentin Ursula Koch als Grund für
das Scheitern des Begehrens.
Verkehrsprobleme in den
Städten lösen
Wie die Initianten sieht auch
Koch darin kein Signal für die Avan
ti-Initiative. Denn damit würden
Engpässe nicht beseitigt, sondern
lediglich verschoben. Vielmehr
müsse jetzt etwas für die Lösung der
Verkehrsprobleme in den Städten
gemacht werden. Dies zeigten die
vergleichsweise hohen Ja-Anteile in
den Städten.
Klare Ablehnung
Denner-Initiative bachab geschickt
BERN: Volk und Stände haben am
Wochenende die Denner-Initiative
«zur Beschleunigung der direkten
Demokratie» klar verworfen. Der
Bundesrat und die Regierungspar
teien zeigen sich mit Ausnahme der
SVP sehr zufrieden mit dem Volks
entscheid.
Mit dem Volksbegehren wäre die
Frist für die Behandlung von Initia
tiven zwischen Einreichung und
Abstimmung um rund zwei Drittel
auf ein Jahr verkürzt worden. Dage
gen legte das Volk mit 1 333 316
Nein (69,8 Prozent) gegen 576 398
Ja (30,2 Prozent) sein Veto ein.
Am höchsten verworfen wurde die
Initiative mit 76,6 Prozent Nein im
Kanton Wallis. Eine Nein-Mehrheit
von gut drei Vierteln.meldeten auch
Appenzell I.Rh. (76,1) und Genf
(75,0). Das beste Resultat erzielte
die von der SVP unterstützte Initia
tive mit «nur» 61,1 Prozent Nein-
Stimmen dank der Lega im Tessin.
Die Ablehnung der Initiative ha
be der direkten Demokratie eine
massive Schwächung der Volksrech
te erspart, kommentierte Justizmi
nisterin Ruth Metzler den Ent
scheid. Sie gehe davon aus, dass das
Volk zu einer noch drastischeren
Initiative noch viel deutlicher Nein
sagen werde. Sie werte das Nein
nach der «gemeinen» Inseratekam
pagne auch als Vertrauensbeweis
für die Verwaltungen von Bund und
Kantonen, sagte Metzler.
Als Co-Präsidentin des Parlamen
tarierkomitees «Nein zur Denner-
Discount-Demokratie» wertet Stän-
derätin Vreni Spoerry (FDP/ZH)
das Nein zur Denner-Initiative als
Zeichen des gesunden Menschen
verstandes des Schweizer Volks. Das
Volk sei mündig und lasse sich nicht
von Inseratekampagnen kaufen. Die
Denner AG hingegen zeigt sich ent
täuscht, jedoch wenig überrascht.
Gemäss Philippe Gaydoul,dem De
legierten des Verwaltungsrats der
Denner AG, sei es leider nicht ge
lungen, das Volk zu überzeugen.
Achtungserfolg
Fortpflanzungsinitiative abgelehnt
BERN: Die klare Ablehnung der
Initiative «für eine menschenwürdi
ge Fortpflanzung» hat niemanden
überrascht. Das Initiativ-Komitee
spricht von einem «Achtungerfolg».
Das Resultat sei besser ausgefallen
als erwartet. Negativ ausgewirkt ha
be sich insbesondere die Verab
schiedung des Fortpflanzungsmedi
zingesetzes durch die eidgenössi
schen Räte im Dezember 1998.
Nach Ansicht der Initianten blei
ben aber offene Fragen, zum Bei
spiel bezüglich der Forschung an
überzähligen Embryonen. Unge
klärt sei zudem, die mit der künstli
chen Befruchtung verquickte Be
wertung von wertem und unwertem
Leben.
Konsequent sei es nun, dass die
Kosten für die In-Vitro-Fertilisation
von den Krankenkassen übernom
men würden, fordert Walter
Schmied vom Pro-Komitee. Betrof
fene, die sich dies nicht leisten kön
nen, würden sonst benachteiligt.
Bislang übernimmt die Kranken
kasse die Kosten nicht.
Freude bei Betroffenen, Ärzten
und Politikern. Die Initiative habe
Verbote vorgeschlagen, die viel zu
weit gegangen wären. Sie hätte es
Betroffenen verunmöglicht, eigen
verantwortlich zu entscheiden, wie
sie mit der Kinderlosigkeit umge
hen wollen.
Das Nein ermögliche es, dass sich
viele Paare weiterhin bewährten
Behandlungen in der Schweiz un
terziehen könnten und nicht medi
zinische Hilfe im Ausland suchen
müssten, schreibt das Komitee «Be
troffenheit und Solidarität», in dem
über 700 betroffene Eltern und 300
Ärztinnen und Ärzte zusammenge
schlossen sind.
Das Fortpflanzungsmedizinge
setz setze zudem eine ganz klare
und strenge Grenze gegen Miss
brauch. Die Schweiz verfüge damit
über eine der weltweit strengsten
Regelungen in der Fortpflanzungs
medizin.
Bevölkerung gegen Quoten
Volksinitiative für eine Frauenquote massiv abgeschmettert
REKLAME
BERN: Die bürgerlichen Parteien
werten das massive Nein zur Quo
teninitiative als klares Signal der
Bevölkerung, dass sie Quoten als
das falsche Instrument fiir die Frau-
enförderung betrachtet.
«Ein Ja-Anteil von 25 bis 30 Prozent
wäre ein Achtungserfolg gewesen»,
sagte Susanne Rohner vom Initiativ
komitee «für eine gerechte Vertre
tung der Frauen in den Bundes
behörden». Das «radikale Instru
ment Frauenquoten» passe aber
nicht ins aktuelle politische Klima,
das Frauenthemen wenig förderlich
sei. Die Ablehnung der Quoten
initiative sei kein Rückschritt für die
Sache der Frau, betont die Genfer
Ständerätin Christiane Brunner,de
ren Nichtwahl zur Bundesrätin 1993
am Anfang der Initiative stand.
Das Hauptziel, die Bevölkerung
für die ungleiche Verteilung der Ge
schlechter in der Politik zu sensibili
sieren, sei erreicht worden. «Die
Bevölkerung will mehr Frauen, aber
ohne Quoten», sagte Brunner.
Auch bei der Arbeitsgemeinschaft
Frauen 2001 (Argef 2001) hält sich
die Enttäuschung über das klare
Nein der Bevölkerung zur Initiative
in Grenzen. Mit «sehr kleinen
Schritten» taste man sich trotzdem
in Richtung einer besseren Vertre
tung der Frauen in der Politik vor.
Tankrevisionen
Rüdiger Kunststoffe AG