Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

4 Samstag, 11. März 2000 
Inland 
Liechtensteiner Volksblatt 
Quotenregelung eröffnet den Frauen 
die Möglichkeit des Einsteigens» 
Völksinitiative für eine gerechtere Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden: Meinung von fünf Liechtensteiner Frauen 
Sollen in der Regierung, dem Par 
lament und den Gerichten Frau 
enquoten eingeführt werden? Die 
Schweizerinnen und Schweizer 
entscheiden an diesem Wochen 
ende über eine Initiative, welche 
eine gerechtere Vertretung der 
Frauen in den Bundesbehörden 
verlangt. Das Volksblatt hat die 
Meinung von fünf Liechtensteiner 
Frauen zur «Quotenregelung» 
eingeholt. 
Adi Lippuner 
In der Schweiz stellen sich die Parteien 
links der Mitte, speziell die Sozialdemo 
kraten und die Grünen, hinter die For 
derung einer Frauenquote. Auch Frau 
en aus dem bürgerlichen Lager, insbe 
sondere der CVP, unterstützen dieses 
alte Frauenanliegen. Die Volksinitiative 
will die Umsetzung der Gleichstellung 
von Mann und Frau, welche als Grund 
satz bereits seit 1981 in der Verfassung 
verankert ist. So nimmt zwar der Anteil 
der Frauen in den eidgenössischen Rä 
ten seit der Einführung des Frauen 
stimmrechts im Jahre 1971 in kleinen 
Schritten zu. 1999 lag der Frauenanteil 
im Nationalrat (Grosse Kammer) bei 
23,5 Prozent, im Ständerat (Kleine 
Kammer) bei 19,6 Prozent. 
Die Initiative will, dass die Frauen an 
gemessen vertreten sind und verlangt 
folgende Quoten: Im Nationalrat darf 
die Differenz zwischen den in einem 
Kanton gewählten Frauen und Män 
nern nicht grösser sein als eins. Kanto 
ne, welche Anspruch auf zwei Sitze im 
Ständerat haben, müssen je eine Frau 
und einen Mann delegieren. (Halbkan 
tone haben einen, alle anderen Kanto 
ne zwei Sitze in der Kleinen Kammer). 
Im Bundesrat sollen, geht es nach dem 
Willen der Initianten, inskünftig mindes 
tens drei der sieben Mitglieder Frauen 
sein. Gegenwärtig sind mit Ruth Drei 
fuss und Ruth Metzler zwei Frauen in 
der Exekutive tätig. Beim Bundesge 
richt wird ein Frauenanteil von mindes 
tens 40 Prozent verlangt. 
Klar hinter die Forderung, Ein 
führung einer Frauenquote, stellt sich 
Karin Jenny, Geschäftsführerin der 
Freien Liste. Auf die Frage, ob sie sich 
eine ähnliche Regelung für Liechten 
stein vorstellen könnte lautete die Ant 
wort: «Die Quotenregelung wäre zum 
jetzigen Zeitpunkt wohl das einzig 
wirksame Instrumentarium, um Frau 
enpräsenz in den politischen Gremien 
massiv zu erhöhen. Quoten gibt es in 
Liechtenstein bereits auf verschiede 
nen Ebenen. Ich erinnere an die Quo 
tenregelung nach Parteifarbe. In Kom- 
Kurin Jenny, Geschüftsfiihrerin der Frei 
en Liste. (Bild: Ingrid Delacher) 
missionen werden nach einem Quoten 
schlüssel Personen nach Parteifarbe be 
stimmt. In Gremien, wo diese Quoten 
regelung nicht angewendet wird, 
kommt z. B. die Freie Liste nicht vor. 
Um eine echte Ausgewogenheit der In 
teressen aller zu erreichen, ist es also 
notig, das Instrument der Quote zu nut 
zen. Es wird gerne damit argumentiert, 
dass bei der Quotenregelung Frauen 
präsenz vor Kompetenz gelten würde. 
Ich denke, dass Kompetenz nicht 
zwangsläufig gewährleistet ist, nur weil 
die grosse Mehrheit automatisch Män 
ner sind. Quotenregelungen ermögli 
chen den Frauen erst einmal grundsätz 
lich die Möglichkeit des Einsteigens, ih 
re Kandidatur ist nicht von vornherein 
Makulatur, weil durch die Quote eine 
gewisse Anzahl von Sitzen im Landtag 
quasi garantiert sind. Bei einer allfälli 
gen Quotenregelung wird es auch leich 
ter sein, Frauen für die Kandidatur zu 
gewinnen, weil sie sich echte Chancen 
ausrechnen können.» 
Auf die Frage, was wird in Liechten 
stein ohne Quotenregelung unternom 
men, um Frauen die Mitarbeit in den 
verschiedenen Gremien zu ermöglichen 
oder die Chancen zu verbessern, ant 
wortete die Geschäftsführerin der Frei 
en Liste: «Alles, was in Liechtenstein 
unternommen wird, um die Chancen 
von Frauen zu verbessern, ist zwar 
grundsätzlich zu begrüssen. Wenn man 
allerdings die Präsenz der Frauen im 
Landtag wirklich massiv erhöhen will, 
wird man um eine Quotenregelung 
nicht herum kommen. 
Nichts ist 
hartnäckiger als 
Vorurteile 
So lange es diese nicht gibt, wird der 
jeweilige Bewusstseinsstand der Wäh 
lerinnen und Wähler darüber entschei 
den, ob nun Frauen gewählt werden 
oder nicht. Nichts ist hartnäckiger als 
Vorurteile. Noch sitzen wir zu gerne 
dem Trugschluss auf, Männer seien 
kompetenter und für Politik geeigneter. 
Frauen denken prozessorientierter - al 
lein diese Qualität würde uns vor vie 
lem bewahren, was uns an politischen 
Fehlentscheidungen umgibt. Damit je 
doch der Einfluss von Frauen in der Po 
litik relevant wird, müsste die Hälfte al 
ler Landtagsabgeordneten Frauen sein. 
Ich finde die jetzigen Anstrengungen zu 
wenig konsequent und daher zu wenig 
wirksam. Es wird einmal mehr darauf 
hinauslaufen, dass es ja «alle gewollt» 
haben, aber «die Gesellschaft halt noch 
nicht so weit sei». Das halte ich für eine 
Ausrede,denn die Gesellschaft sind wir. 
Wenn wir wirklich mehr Frauen in der 
Politik wollen, dürfen wir geeignete In 
strumentarien wie die Quotenregelung 
nicht einfach ignorieren oder sie gar 
verteufeln.» 
Die VU-Landtagsabgeordnete Ingrid 
Hassler-Gerner aus Eschen, sie ist die 
einzige Frau im Landtag (nebst zwei 
Stellvertreterinnen), ist gegen eine 
Quotenregelung. Ihre Stellungnahme 
im Wortlaut: «Ich bin gegen eine Quo 
tenregelung der Geschlechter bei den 
Wahlen, die das Volk entscheidet, auch 
wenn ich weiss, dass eine im Gesetz ver 
ankerte Regelung der direkte Weg für 
Männer müssten auch 
in frauenspezifischen 
Bereichen arbeiten 
einen wirksamen Frauenanteil im 
Landtag wäre. Was ich aber sehr befür 
worte ist ein konkreter Beschluss nicht 
nur von der Regierung, sondern auch 
von den Gemeinden, den Parteien und 
vor allem der Verbände, die Organe ih 
rer Institutionen so zu besetzen, dass je 
des Geschlecht zu 40 Prozent oder pa 
ritätisch vertreten sein muss,oder etwas 
diplomatischer gesagt, dass kein Ge 
schlecht mehr als 60 Prozent Anteil hat. 
Damit erreichen wir nicht nur einen an 
gemessenen Frauenanteil, sondern es 
werden dann beide Geschlechter, und 
da ist ja das Ziel, in allen Fachgremien 
Ingrid Hassler-Gerner, VU-Landtagsab- 
geordnete. 
mit einem verantwortbaren Anteil ver 
treten sein. Dadurch würden oder 
müssten auch Männer in politischen, so 
zialen und wirtschaftlichen Bereichen 
arbeiten, die allzu leicht weitgehendst 
nur von Frauen getragen werden. Die 
Arbeit und Erfahrung, auch von Frauen 
auf dieser breiten Basis und deren Ein 
fluss auf die Gesetzgebung und andere 
Entscheidungsträger darf nicht länger 
unterschätzt werden. Paritätische Wahl 
listen der Parteien verbunden mit muti 
gen Kandidaturschritten von möglichst 
vielen Frauen und eine bessere Ent 
schädigung der Landtagsmitglieder im 
Sinne einer Teilzeitarbeit würden das 
Ziel, dass mehr Frauen mitreden und 
auch mitentscheiden können, fördern.» 
Die einzige Frau in der Regierung, 
Andrea Willi, bezeichnet gesetzlich ver 
ordnete Quotenregelungen grundsätz 
lich als problematisch und im Wider 
spruch zu demokratischen Prinzipien, 
Regierungsrcitin Andrea Willi. 
die einer Wahl zugrunde liegen. «Für 
die Einführung von Quotenregelungen 
auf der Parteiebene hingegen, via ent 
sprechende Zuteilung auf den Wahllis 
ten, kann ich mich sehr erwärmen. Bei 
Landtagswahlen ist es deshalb vor al 
lem im Interesse der Parteien, ihre 
Wahllisten möglichst ausgewogen, idea 
lerweise im Verhältnis von 50 Prozent, 
mit Frauen und Männern zu besetzen. 
Was die Vertretung in die Regierung 
und in die Gerichte betrifft, hängt die 
Besetzung bekanntlich von den Vor 
schlägen der Parteien an den Landtag, 
von der Wahl der Kandidaten und Kan 
didatinnen durch diesen und schliess 
lich von der Ernennung durch den Fürs 
ten ab. Auch hier haben die Parteien 
eine entscheidende Funktion, indem sie 
Für Quoten auf 
Parteiebene kann ich 
mich sehr erwärmen 
bei ihrem Vorschlagsrecht auf eine aus 
gewogene Besetzung der Ämter mit 
Frauen und Männern achten. Um Frau 
en auch auf politische Ämter vorzube 
reiten, achtet die Regierung bei der Be 
stellung von Stiftungsräten und Kom 
missionen auf eine ausgewogene Frau 
envertretung. Seit 1997 gilt für die Re 
gierung bei der Bestellung von neuen 
Mitgliedern der «Zweidrittelsbe- 
schluss», d. h. kein Geschlecht darf zu 
mehr als zwei Dritteln in einem von der 
Regierung bestellten Gremium vertre 
ten sein. Mit dieser Politik hofft die Re 
gierung, eine ausgewogenere Vertre 
tung zu erreichen und die Präsenz und 
Mitarbeit von Frauen in diesen Gremi 
en sicherzustellen.» 
Renate Wohlwend aus Schellenberg 
ist stellvertretende Landtagsabgeord 
nete der FBPL. Ihre Gedanken zur 
Quotenregelung: «Seit ich ein politi 
sches Mandat habe, werde ich immer 
wieder auf die Frage der Frauenquote 
angesprochen. Ich habe mit vielen 
«kämpferischen» Frauen, auch mit 
den landesbekannten Befürworterin 
nen diskutiert,doch sie können mich bis 
heute nicht überzeugen. Ich bin nach 
wie vor der Meinung, dass Frauen im 
elitären Beruf und im politischen Amt 
angemessen berücksichtigt werden, 
wenn sie sich dafür interessieren und 
Es ist paradox, wenn 
sich Frauen 
separieren um über 
Integration zu 
sprechen 
bewerben. Eine Quotenregelung, 
gleich welcher Form, kann nicht den 
Anreiz für gewisse Tätigkeiten, insbe 
sondere für ein öffentliches Amt, 
steigern. Zuerst muss die Frau präsent 
sein, was sonst nützt der für sie bereit 
gestellte Sitz?» 
Gemeinsames Vorgehen von Frauen 
und Männern statt Quotenregelung 
kann die Chancen der Frauen ver 
bessern. Renate Wohlwend: «Durch 
persönliche Gespräche mit Männern 
und Frauen habe ich erfahren, dass die 
Schaffung des Gleichstellungsbüros 
und die Einsetzung einer Gleichstel 
lungskommission Signalwirkung hatten 
- denn, wenn Gleichstellung ein allge 
meines Selbstverständnis wäre müsste 
sie nicht verbürokratisiert werden! So 
sehe ich an den Aktivisten dieser bei 
den «Institutionen» einen sehr wesent 
lichen Beitrag zur Sensibilisierung für 
Gleichstellungsprobleme. Erst wenn 
ein Umdenken oder besser gesagt eine 
Anerkennung unseres langsam vonstat- 
tengehenden gesellschaftlichen Wan 
dels in unseren Köpfen (männlich und 
Männer und Frauen hier zusammenwir 
ken.» 
Die Leiterin des Gleichstellungs 
büros, Bernadette Kubik-Risch kann 
sich Listenquoten durchaus vorstellen. 
Die stellvertretende Latultagsabgeord- 
nete Renate Wohlwend. 
weiblich) Platz greift, werden Frauen 
Mut fassen, in verschiedenen Gremies 
mitzuarbeiten, und werden Männer die 
se Frauen in ihrem Tun unterstützen. 
Frauengruppierungen können das Prob 
lem nicht lösen. Es ist ja geradezu para 
dox, wenn Frauen sich separieren, um 
über Integration in der sogenannten 
Männerdomäne zu theoretisieren. Mir 
scheint es ausserordentlich wichtig, dass 
Die Leiterin des Gleichstellungsbiiros, 
Bernadette Kubik-Risch. 
Ihre Ansicht zur Quotenregelung: «In 
Liechtenstein haben wir seit gut 15 Jah 
ren das Frauenstimmrecht. Wie wir bei 
den letzten Landtagswahlen gesehen 
haben, ist es nicht der Faktor Zeit, wel 
cher Frauen in den Landlag bringt. Es 
müssen verschiedene Massnahmen ge 
setzt werden, dass Frauen in allen poli 
tischen Gremien vertreten sind. Die 
Quotenregelung, und hier spreche ich 
von Listenquoten, das heisst, dass bei 
spielsweise auf Wahllisten 50 Prozent 
Frauen vertreten sein müssen, kann ich 
mir persönlich sehr gut vorstellen. Die 
Quote ist ein wirkungsvolles Instru 
ment, um eine ausgewogene Vertretung 
in politischen Gremien zu erreichen. 
Neben der Einführung der Listenquote 
müssten aber auch Rahmenbedingun 
gen verändert werden, damit Frauen in 
die politische Arbeit einsteigen.» 
Auch ohne gesetzlich verankerte 
Quotenregelung wird in Liechtenstein 
einiges unternommen, um den Frauen 
die Mitarbeit in verschiedenen Gremi 
en zu ermöglichen. Bernadette Kubik- 
Risch nennt einige Beispiele: « Im Juli 
1997 hat die Regierung beschlossen, 
dass bei den in der Zuständigkeit der 
Die Quote ist ein 
wirkungsvolles 
Instrument 
Regierung liegenden Bestellungen 
von Gremien wie Kommissionen, Ar 
beitsgruppen und Delegationen, auf ei 
ne ausgewogene Frauenvertretung ge 
achtet werden soll. Nach Möglichkeit 
soll kein Geschlecht mehr als 2 li der 
Sitze des jeweiligen Gremiums zuge 
teilt bekommen. Im Juni 1999 wurde ein 
Frauenpool gegründet. Beim Frauen 
pool handelt es sich um eine Patenbank 
mit möglichst vielen, an einer Kommis 
sionsarbeit interessierten Frauen. Im 
Juni 1999 wurde der erste liechtenstei 
nische Frauenkongress zu 15 Jahre 
Frauenstimmrecht durchgeführt. Ziel 
des Kongresses war es, Frauen zu moti 
vieren, sich gesellschaftspolitisch zu en 
gagieren. 
In den Workshops wurden eine Reihe 
von Bedürfnissen und Forderungen for 
muliert. Unter anderem wurde ange 
regt, dass durch das Gleichstellungs 
büro Kurse zu Frau und Politik angebo 
ten werden. Von Februar bis September 
2000 werden zu diesem Thema ver 
schiedene Kurse angeboten. Obwohl 
mehr als die Hälfte der Bevölkerung 
weiblich ist, kommt der Fraueranteil in 
keinem der politischen Gremien nur in 
die Nähe von 50 Prozent. Für eine De 
mokratie ist eine ausgewogene Vertre 
tung von Frauen in allen politischen 
Gremien unumgänglich.» 
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