Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

38 Samstag, 4. März 2000 
Ausland 
Liechtensteiner Volksblatt 
Nachrichten 
Tote bei Bomben 
explosion in Indien 
NEU DELHI: In Nordindien sind bei einer 
Bombenexplosion auf einen Bus aus Kaschmir 
mindestens neun Menschen getötet und zwölf 
schwer verletzt worden. Der Sprengsatz explo 
dierte am Freitag in einem Fernbus im Bundes 
staat Punjab. der 28 Fahrgäste aus der Region 
Jammu und Kaschmir nach Neu Delhi bringen 
sollte. Das berichteten die indischen Medien. 
Die Polizei vermutet militante Rebellen aus 
dem zwischen Indien und Pakistan geteilten 
Kaschmir als Täter. Erste Ermittlungen hätten 
ergeben, dass der Sprengstoff nach Delhi trans 
portiert und dort verwendet werden sollte, sag 
te ein Polizeisprecher, Das explosive Material 
sei im Gepäckfach des Busses versteckt gewe 
sen. Der hintere Teil des Fahrzeugs sei durch die 
Wucht der Explosion vollständig weggerissen 
worden. 
45 Jahre Haft für 
Kriegsverbrecher 
DEN HAAG: Wegen Verbrechen gegen die 
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Bos 
nienkonflikt ist gestern der kroatische General 
Tihomir Blaskic in Den Haag zu 45 Jahren Haft 
verurteilt worden. Der Anwalt von Blaskic kün 
digte Berufung gegen das Urteil an. Damit ver 
hängten die Richter ihr bislang höchstes Straf 
mass. Nach Überzeugung des UNO-Kriegsver- 
brechertribunals war Blaskic als Armeekom 
mandant zwischen 1992 und 1994 für die syste 
matische Vertreibung und Tötung der muslimi 
schen Zivilbevölkerung in Zentralbosnien ver 
antwortlich. Im April 1996 stellte sich Blaskic 
dem UNO- Kriegsverbrechertribunal. Die An 
klage forderte eine lebenslange Haftstrafe für 
den heute 39-Jährigen. Der Angeklagte plädier 
te dagegen auf unschuldig und argumentierte, er 
habe keine wirkliche Kontrolle über die von 
ihm kommandierten Milizen gehabt. Sein An 
walt beantragte einen Freispruch. 
Polnischer Botschafter 
in Jemen entführt 
SANAA/KAIRO: Mit einem Grossaufgebot 
von Armee und Geheimdienst sowie einem 
Sondervermittler versucht die jemenitische 
Führung, die Entführung des polnischen Bot 
schafters Krzysztof Suprowicz rasch zu been 
den. Das rund 50 Kilometer östlich der Haupt 
stadt Sanaa gelegene Gebiet der Entführer vom 
Clan der el-Qairi sei weiträumig abgesperrt 
worden, teilten Sicherheitskräfte am Freitag in 
Sanaa mit. Unter Hinweis auf die Bemühungen 
zur Freilassung von Suprowicz gab die polni 
sche Botschaft in Sanaa Journalisten keine Aus 
kunft mehr. Der polnische Staatspräsident 
Aleksander Kwasniewski sagte im polnischen 
Radio, der Verkauf von Waffen und Militärgerät 
sei einer der Hauptgründe für die Aufrechter 
haltung der polnischen Botschaft in Sanaa. 
Nach der Entführung des Diplomaten am Don 
nerstag müsse das Aussenministerium jedoch 
prüfen, ob es sinnvoll und sicher sei, noch eine 
diplomatische Vertretung im Jemen zu unter 
halten. 
Koalitionsverhandlungen 
in Schleswig-Holstein 
KIEL: Fünf Tage nach dem Wahlsieg der Sozi 
aldemokraten in Schleswig-Holstein haben in 
Kiel die Koalitionsverhandlungen für die ge 
plante Neuauflage der rotgrünen Regionalrc- 
gierung begonnen. Sie sollen innerhalb von zwei 
Wochen abgeschlossen werden. Am 28. März 
soll Ministerpräsidentin Heide Simonis im 
Landtag vereidigt werden und das neue Kabi 
nett vorstellen. Simonis muss bei der Regie 
rungsbildung den überraschenden Rückzug von 
fünf bisherigen Ministern verkraften. Zudem 
beharren die Grünen auf dem Umweltministe 
rium und auf einem weiteren Ressort. Teile der 
SPD wollen dem Koalitionspartner nur noch 
ein Ministerium zubilligen. 
Weiiig Chancen für Koch-Weser 
Steht der deutsche Kandidat für den IWF-Chefposten vor dem Aus? 
BERLIN: Der umstrittene 
deutsche Kandidat für den 
Chefposten des Internationa 
len Währungsfonds (IWF), 
Caio Koch-Weser, konnte sich 
bei einer Probeabstimmung 
nicht durchsetzen. 
Mit 43 Prozent konnte er vor dem 
stellvertretenden IWF-Chef Stan 
ley Fischer aus den USA und dem 
Japaner Eisuke Sakakibara zwar die 
meisten Stimmen sammeln, doch 
gilt wegen des anhaltenden Wider 
standes der USA eine weitere Kan 
didatur Koch-Wescrs als wenig aus 
sichtsreich. 
Das Ergebnis entsprach den Er 
wartungen nach den Auseinander 
setzungen zwischen der EU und den 
USA über den geeigneten Nachfol 
ger des ausgeschiedenen Michel 
Camdessus. Ein neuer IWF-Chef 
muss in der Abstimmung minde 
stens 51 Prozent erhalten. Die Ver 
treter von 36 Prozent des stimmbe 
rechtigten Kapitals - darunter die 
USA mit 17,3 Prozent - hätten sich 
bei der Abstimmung enthalten, 
hiess es in Washington. 
Offen blieb am Freitag, ob Koch- 
Weser weiter als Kandidat zur Ver 
fügung steht oder ob ein anderer 
Bewerber von der Europäischen 
Union ins Rennen geschickt wird. 
Die deutsche Bundesregierung sag 
te am Freitag jedenfalls weiter Ja 
zum Kandidaten für den IWF- 
Chefposten. 
Bundeskanzler Gerhard Schrö 
der, der sich auch gegen anfängli 
chen europäischen Widerstand per 
sönlich für den deutschen Finanz- 
Staatssekretär eingesetzt hatte, be 
zeichnete das Ergebnis von 43 Pro 
zent für Koch-Weser in einer ersten 
Stellungnahme in der Nacht zum 
Caio Koch-Weser wurde von Deutschland für den Chefposten beim Interna 
tionalen Wahrungsfond (IWF) vorgeschlagen. , (Bild: Keystone) 
Freitag als «Resultat europäischer 
Solidarität und daraus folgender 
Handlungsfähigkeit». 
Europa habe damit seine Ent 
schlossenheit unterstrichen, das 
Amt des IWF-Direktors zu beset 
zen. «Ich gehe jetzt davon aus. dass 
ein gemeinsames Ergebnis mit den 
USA und Japan erreichbar ist», sag 
te Schröder in Berlin. 
Der aussenpolitische Berater im 
Kanzleramt,Michael Steiner, werte 
te das Wahlergebnis als «ermutigen 
des Signal». Im ARD-Morgen- 
magazin sagte er. das Ergebnis er 
mutige dazu, «unbeirrbar auf unse 
rem Kurs fortzufahren». Über eine 
Auswechslung des Kandidaten 
Koch-Weser wollte Steiner nicht 
spekulieren. Darüber sei noch nicht 
entschieden. Die weitere Vorge 
hensweise werde in einem Ge 
spräch zwischen Schröder und dem 
Präsidenten der Europäischen Uni 
on festgelegt. 
Aus der Opposition hiess es am 
Morgen, die Chance sei nun so gut 
wie verspielt. Koch-Weser käme 
wahrscheinlich als Kandidat nicht 
mehr in Frage. Der CDU-Europa- 
politiker Friedbert Pflüger sagte: 
«Wenn nicht ein Wunder passiert, 
schafft er es nicht.» Entscheidend 
sei allerdings, dass ein Europäer den 
Posten bekomme. Man müsse nun 
überlegen, ob es nicht gelingen 
könnte, einen Joker aus dem Ärmel 
zu ziehen, der auch die Amerikaner 
überzeugen würde. Nach Ansicht 
des FDP-Europapolitikers Helmut 
Haussmann muss die Bundesregie 
rung auch nach der Probeabstim 
mung zu ihrem Kandidaten halten. 
«Wenn konsequent, dann richtig 
konsequent», sagte Haussmann.. 
Kritik an Amerika kam von Bun 
desverteidigungsminister Rudolf 
Scharping (SPD). Das Vorgehen der 
USA im Konflikt um den neuen 
IWF-Chef schädige das Vertrauen 
im deutsch-amerikanischen Ver 
hältnis. «Es ist nicht nachvollzieh 
bar», sagte Scharping am Donners 
tagabend in Washington. Nach Ge 
sprächen mit US-Sicherheitsberater 
Sandy Berger und führenden Sena 
toren äusserte Scharping sich aber 
überzeugt, dass dieser «sehr ärgerli 
che Vorgang» das hohe Mass an In 
teressengleichheit zwischen den 
USA, Deutschland und der EU 
nicht nachhaltig aus der Balance 
bringen werde. 
Furcht vor neuem Krieg in Jugoslawien 
BELGRAD: Knapp ein Jahr nach 
Beginn der NATO- Luftangriffe auf 
Jugoslawien befürchten immer 
mehr Bürger Serbiens und Monte 
negros einen neuen Krieg. Sie ha 
ben Angst vor einem Krieg mit der 
NATO oder einem Bürgerkrieg, an 
gezettelt vom Regime des jugosla 
wischen Präsidenten Slobodan Mi 
losevic. 
«Diese Angst des Volkes ist berech 
tigt, denn wir leben zehn Jahre lang 
in einer Kriegspsychose», meint 
Momcilo Perisic, ehemaliger Gene 
ralstabschef und jetzt Führer der 
oppositionellen Bewegung für ein 
demokratisches Serbien. 
«Der Staat befindet sich im Zu 
stand wie unmittelbar vor einem 
Krieg», warnt auch Goran Svilano- 
vic, Vorsitzender der Bürgerallianz 
Serbiens. Befürchtungen vor einem 
Gewaltausbruch schienen berech 
tigt. 
Die tiefe innenpolitische und 
wirtschaftliche Krise in Serbien, der 
vom Regime abgelehnte Dialog mit 
der demokratischen Opposition, 
der Streit zwischen Milosevic und 
der Republiksführung in Montene 
gro sowie die äusserst angespannte 
Lage im Kosovo und im albanisch 
bewohnten Südserbien gäben An- 
lass für tiefe Besorgnis. 
«Alle fragen mich, ob es wieder 
NATO-Bombardierungen geben 
wird, denn es wiire die Fortsetzung 
des psychologischen Krieges gegen 
uns», sagt selbst General Vladimir 
Lazarevic, Befehlshaber der Dritten 
Armee, der Belgrader Zeitung 
«Glas javnosti». Die Dritte Armee 
ist an der Grenze zum Kosovo sta 
tioniert. Staatsmedien und Regie 
rungsvertreter sprechen täglich von 
der «verlängerten NATO-Aggressi- 
on» und dem «inneren Feind», der 
dem Westen diene. Deswegen be 
fürchten viele - mehr noch als et 
waige neue NATO-Bomben - die 
Abrechnung des Milosevic-Regi- 
mes mit politischen Gegnern im 
Lande selbst. Milosevic hatte auf 
dem Parteitag seiner Sozialisten 
Mitte Februar erklärt, dass es in Ser 
bien keine Opposition gäbe und 
alle Regimegegner ausländische 
Söldner und Verräter seien. Sein 
Koalitionspartner, der Extremisten 
führer Vojislav Seselj, drückte die 
Drohung noch direkter aus: «In Ser 
bien wird es keine Opposition ge 
ben». 
Direkte Folgen dieser Drohun 
gen waren Festnahmen von opposi 
tionellen Demonstranten, Übergrif 
fe zivil gekleideter Paramilitärs auf 
studentische Aktivisten, Strafanzei 
gen gegen Oppositionsführer, Geld 
strafen für unabhängige Medien, die 
Verstaatlichung der auflagenstärk 
sten privaten Tageszeitung. 
Die Forderungen der vereinten 
Opposition nach freien Wahlen 
lehnt das Regime natürlich ab. Aber 
selbst gewonnene Wahlen wären 
keine Garantie für einen friedlichen 
Wandel. «Das Ziel von Milosevic 
ist, bis zum Lebensende Präsident 
zu sein. 
Niemand glaubt, dass es, selbst 
nach einem Wahlsieg, im Land 
friedlich einen Machtwechsel geben 
könnte», sagt Zoran Djindjic am 
Freitag als Vorsitzender der Demo 
kratischen Partei dem Belgrader 
Nachrichtenmagazin NIN. Noch 
direkter warnt Ljiljana Nestorovic, 
Pressesprecherin der Sozialdemo 
kraten: «Hier werden eher Geweh 
re als Wahlzettel verteilt werden». 
Russische Elite- 
Soldaten getötet 
Erstmals nach Ausrufung des Parti 
sanenkrieges in Tschetschenien 
durch die Rebellen ist in der Nacht 
zum Freitag eine russische Kampf 
truppe in einem Hinterhalt aufgerie 
ben worden. 20 Angehörige der 
Elite-Einheit OMON des russischen 
Innenministeriums starben beim 
Überfall der Rebellen bei Grosny. 
30 weitere wurden verwundet. Beim 
anschliessenden Gefecht kam auch 
eine nicht genannte Zahl von Rebel 
len ums Leben. Nach dem Überfall 
kündigten die russischen Militärs 
Durchsuchungen und «Säuberun 
gen» der tschetschenischen Siedlun 
gen an, in denen sich ihrer Ansicht 
nach Rebellen «in der Tarnung von 
Zivilisten» versteckt halten. Im süd 
lichen Bergland Tschetscheniens 
gingen die Kämpfe weiter.
	        

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