Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Dienstag, 29. Februar 2000 31
Nachrichten
2000 Soldaten zu
Manövern ins Kosovo
BRÜSSEL/PRISTINA: Die NATO will im
kommenden Monat 2000 Soldaten zu
Manövern ins Kosovo entsenden. Wie das mi
litärische NATO-Oberkommando in Europa
am Montag erklärte.sollen die Soldaten vom 19.
März bis 10. April an Übungen in der Region
teilnehmen. Sprecher der internationalen Koso
vo-Friedenstruppe KFOR hatten zuvor in Pris
tina mitgeteilt, die Entsendung der Truppen sei
keine Reaktion auf die jüngste Gewalt im Ko
sovo. Sie stehe auch in keinerlei Zusammen
hang mit der Forderung von NATO-Überbe-
fehlshabers in Europa, General Wesley Clark,
nach einer Verstärkung der KFOR um weitere
2000 Mann. Die NATO hatte Clarks Gesuch
vergangene Woche mit der Begründung ange
lehnt, im Kosovo stünden bereits genügend Sol
daten bereit.
Polizei prügelte Falun-
Gong-Mitglied zu Tode
PEKING: Nach Misshandlungen durch die Po
lizei ist eine 60-jährige Anhängerin der chinesi
schen Meditationsbewegung Falun-Gong einer
Menschenrechtsgruppe gestorben. Polizisten
hätten die zu Tode geprügelt, erklärte das Zen
trum für Menschenrechte und Demokratiebe
wegung in China am Montag in Hongkong. Die
Gruppe kündigte an, die Menschenrechtskom-
missarin der Vereinten Nationen (UNO), Mary
Robinson, vor ihrem für Anfang März geplan
ten China-Besuch auf Menschenrechtsverstösse
in der Volksrepublik aufmerksam zu machen.
Auf Aufforderung der Polizei hätten Familien
mitglieder die Leiche am 21. Februar nach vier
Tagen Haft abgeholt, erklärte die Menschen
rechtsgruppe. Die Ohren des Leichnams waren
demnach blutverschmiert, zudem sei die Leiche
mit blauen Flecken übersät gewesen. Ausser
dem seien der Frau Zähne ausgeschlagen wor
den. Sic sei als Mitglied der verbotenen Falun-
Gong-Bewegung unter dem Verdacht festge
nommen worden, sie wolle in Peking ein Ge
such zur Aufhebung des Verbots der Meditati
onsbewegung stellen. Im Juli vergangenen Jah
res hatte die chinesische Regierung Falun Gong
als staatsfeindlich verboten und im Oktober zu
einer illegalen Sekte erklärt.
Premierminister Rwige-
ma zurückgetreten
KIGALI: Der ruandische Premierminister
Pierre Celestine Rwigema ist am Montag
zurückgetreten. Das wurde in Kigali offiziell be
stätigt. Rwigema soll seinen Posten aus Protest
gegen den zunehmenden Einfluss von Lobby
gruppen auf die Regierung des kleinen zentral
afrikanischen Staates zur Verfügung gestellt ha
ben. In der vergangenen Woche war die Armee
spitze neu besetzt worden, und in die nationale
Polizei wurden paramilitärische Verbände ein
gegliedert. Ob der Rücktritt des Regierung
schefs mit diesen Entscheidungen zusammen
hängt, war nicht bekannt. Als «starker Mann» in
Ruanda gilt Vizepräsident und Verteidigungs
minister Paul Kagame, ein Tutsi. Ruanda ist ei
ner der sechs Staaten, die in den Bürgerkrieg in
Kongo verwickelt sind.
Sprengstoffanschlag
auf serbischen Schulbus
KOSOVSKA MITROVICA: Bei einem An
schlag im Kosovo ist ein serbischer Schulbus
schwer beschädigt worden. Der Bus hatie
Schulkinder in den serbischen Nordteil der
Stadt Kosovska Mitrovica gebracht, als er auf
der Rückkehr auf eine Mine fuhr. Der Fahrer
blieb laut Angaben des Belgrader Senders B2-
92 unverletzt. Durch die Wucht der Explosion
entstand ein rund ein Meter breiter und 50 Zen
timeter tiefer Krater in der Strasse. Soldaten der
KFOR-Truppe riegelten die Strasse ab. Ein
KFOR-Vertreter sprach von einem «Akt der
Gewalt».
Prozess gegen Serben
DEN HAAG: Vor dem UNO-Kriegsverbre-
chertribunal für Ex- Jugoslawien in Den Haag
hat am Montag das Verfahren gegen vier bosni
sche Serben begonnen. Sie sind wegen Verbre
chen gegen die Menschlichkeit und Kriegsver
brechen angeklagt. Miroslav Kvocka, Milojica
Kos, Mlado Radic und Zoran Zigic werden be
schuldigt, während des Bosnien-Krieges zwi
schen Mai und August 1992 in den nordwest
bosnischen Lagern Omarska, Keraterm und Tr-
nopolje gefangene Moslems und bosnische Kro
aten gefoltert und ermordet zu haben.
M
Haider tritt als FPÖ-Chef ab
Vize-Kanzlerin Riess-Passer soll Nachfolgerin werden
WIEN: Der umstrittene öster
reichische Rechtspopulist Jörg
Haider tritt als Vorsitzender
seiner Freiheitlichen Partei
(FPÖ) ab.
Nur drei Wochen nach dem bisheri
gen Höhepunkt seiner Karriere ist
der österreichische Rechtspopulist
Jörg Haider als Vorsitzender seiner
Freiheitlichen Partei (FPÖ) zurück
getreten. Pünktlich zu seinem 50.
Geburtstag hatte er zuvor stolz sa
gen können: «Mein Lebenswerk ist
vollbracht.»
Das von ihm seit eineinhalb
Jahrzehnten heftig attackierte
«schwarz-rpte Machtkartell», die
Grosse Koalition zwischen Sozial
demokraten (SPÖ) und der konser
vativen Volkspartei (ÖVP), war
nach über 13 Jahren endgültig zer
brochen.
Erstmals in der österreichischen
Geschichte sitzen in der neuen
rechtskonservativen Regierung,
FPÖ-Minister. Der erfolgreichste
Rechtspopulist Europas hatte wie
kein Anderer seit 1986 die öster
reichische Innenpolitik bestimmt.
Damals hatte er die FPÖ als Fiinf-
Prozent-Partei übernommen.
«Robin Hood» und
«Radaubruder»
Mit immer neuen Vorwürfen der
Vettern- und Pfründewirlschaft
setzte er SPÖ und ÖVP unter Dau
erdruck. Die Meinungsführerschaft
Er wolle «der Arbeit tler Regierung nicht im Wege stehen», begründete Jörg
Haider seine Entscheidung. (Bild: Keystone)
bei populären Themen wie die For
derung nach «Stopp dem Asylmiss
brauch, Stopp der Überfremdung»
hat die Haider-Partei zuletzt mit 27
Prozent zur zweitstärksten Kraft
des Landes gemacht. Da die von
Haider aufgeworfenen Sachthemen
ebenso schnell wechselten wie sein
immer wieder umgestyltes modi
sches Äusseres, haben die Medien
den FPÖ-Chef als «der mit sich und
den Wählern tanzt» beschrieben.
«Robin Hood der kleinen Leute,
Rächer der Schlechtweggekomme
nen». wurde er genannt.
Künftig «Aufsichtsrat»
Haider will sich nach diesen In
formationen auf die Position eines
nicht näher beschriebenen «Auf
sichtsrates» zurückziehen. Details
zu seiner Entscheidung wollte Hai
der erst in einer Pressekonferenz
bekannt geben.
Seinen Lebenstraum, einmal
selbst im Sessel des österreichischen
Bundeskanzlers Platz zu nehmen,
muss er nach seinem Rücktritt of
fenbar erneut verschieben.
Die Nachfolge an der Spitze der
FPÖ soll die 39-jährige Vize-Kanz
lerin Susanne Riess-Passer antre
ten. Sie hatte Haider schon 1996 als
geschäftsführende Parteivorsitzen-
de entlastet.
USA: Rücktritt ist «Schritt in
richtige Richtung»
Die USA haben den Rücktritt
Haiders als einen «Schritt in die
richtige Richtung» bezeichnet. Dies
beseitige jedoch noch nicht alle Be
denken gegen die Mitgliedschaft
der FPÖ an der neuen Regierung in
Österreich, sagte US-Aussenamts-
sprecher James Rubin in Washing
ton.
«Spektakuläres Ergebnis»
SPD uncl CDU sehen sich nach Regionalwahl im Norden gestärkt
BERLIN: Die SPD wie auch die op
positionelle CDU sehen sich durch
die Regionalwahl im norddeut
schen Bundesland Schleswig-Hol
stein gestärkt. Jetzt gelte es, die
Landtagswahl am 14. Mai in Nord-
rhein-Westfalen zu gewinnen, be
tonten beide Parteien in Berlin.
Die CDU sprach trotz der Niederla
ge in Kiel angesichts ihres Finanz
skandals von einem «sehr respektab
len Ergebnis». «Ohne die schwcre
Krise» der Partei hätte sie «mit an
Sicherheit grenzender Wahrschein
lichkeit» gewonnen, sagte der schei
dende Parteichef der Christdemo
kraten (CDU), Wolfgang Schäuble.
Nach Schäubles Worten soll auch
jetzt die Diskussion über seine
Nachfolge im Amt des Parteichefs
offen geführt werden. Der Vorstand
werde sich am 20. März wieder mit
der Personalfrage befassen.
Rühe sieht sich gestärkt
Der CDU-Spitzenkandidat für
die Schleswig-Holstein-Wahl, Ex
Verteidigungsminister Volker
Rühe, sprach von einer Entschei
dung der Wähler über die Zukunft
der Partei: «Es ist das Signal von
Kiel, dass sie eine starke CDU wol
len.»
Rühe sieht sich durch das Resul
tat gestärkt und will jetzt wieder in
der nationalen Politik aktiv sein. Er
und CDU- Generalsekretärin An
gela Merkel gelten als mögliche Be
werber für das Amt des CDU-Par
teichefs. Merkel wurde am Montag
erstmals aus der bayerischen
Schwesterpartei Christlich Soziale
Union (CSU) unterstützt.
Schröder: Erstklassige Vorlage
für Düsseldorf
Der SPD-Vorsitzende, Bundes
kanzler Gerhard Schröder, wertete
das Ergebnis in Schleswig-Holstein
als «grossartig» und als Erfolg der
dortigen rot-grünen Regierung so
wie von Regierungschefin Heide Si
monis. Der «glanzvolle» SPD-Wahl
sieg sei eine «erstklassige Vorlage»
für die Landtagswahl in Nordrhein-
Westfalen. Er hoffe für Nordrhein-
Westfalen auf ein ähnliches Wahler
gebnis wie in Schleswig-Holstein,
sagte Schröder. Nach einer Serie
von Wahlpleiten bei Regionalwah-
len im vergangenen Jahr hatten die
Sozialdemokraten in Schleswig-
Holstein mit 43,1 Prozent (+3,3) ge
wonnen. Die CDU kam auf 35.2
Prozent (- 2,0). Bis zum Bekannt
werden des Finanzskandals im ver
gangene Herbst hatte sie zeitweise
WA
Volker Rühe (rechts) diskutiert mit Jürgen Ruettgers dos Walilresidtat vom
letzten Wochenende.
Widerstand wird schwächer
Gil-Robles besucht Grosny
11 <Wi li« A a.
< MOSKAU/GROSNY: Der inilitäri-
' sehe Widerstand der Tschetschenen
i wird nach Einschätzung der russi-
;s sehen Armee immer schwächer. Das
! sagte der Vize-Kommandant des
■i Kaukasus-Kommandos, General
; Gennadi Troschew, dem Menschen-
rechtskonimissar des Europarates.
Alvaro Gil-Robles zeigte sich bei
seinem Besuch in der tschetscheni
schen Hauptstadt Grosny «beunru
higt über das Ausmass des Lei
dens». Er traf nach russischen An
gaben mit Verantwortlichen der
Verwaltung Grosnys zusammen
und sprach mit Einwohnern in ei
nem Zentrum für Nahrungsmittel
verteilung. Gil-Robles war nach
Tschetschenien gekommen, um
sich von den Lebensumständen der
Zivilbevölkerung ein Bild zu ma
chen, nachdem der russischen Ar
mee Folterungen und andere Men
schenrechtsverstösse vorgeworfen
worden waren. Nach Grosny will er
das Gefangenenlager Tschernoko-
sowo besuchen. Vor der Ankunft
des Vertreters des Europarates
wurden die Gebäudefassaden neu
gestrichen. Die Kämpfe gingen un
terdessen mit unverminderter Hef
tigkeit weiter.
um zehn Punkte vor der SPD gele
gen.
FDP im Aufwind
Die FDP, die mit der CDU ein
Bündnis eingehen wollte, verbesser
te sich auf 7,6 Prozent (+1,9). Die
Grünen schnitten mit 6,2 Prozent (-
1,9) zwar schlechter als 1996, waren
ab froh, problemlos die Fünf-Pro
zent-Hürde zu nehmen. Diese gilt
nicht für den Südschleswigschen
Wählerverband (SSW). Die Partei
der dänischen Minderheit verbes
serte sich auf 4,1 Prozent (+1,6).
Die Grünen auf Bundesebene sa
hen mit dem Resultat ihrer Partei
den Abwärts-Trend «ein Stück ge
bremst, aber noch nicht umge
kehrt».
Vorstandssprecherin Ante Ra-
deke sagte, der Parteirat sei sich ei
nig gewesen, nun den Parteitag vom
März in Karlsruhe zu einem Erfolg
zu machen. «Die FDP ist zurück auf
der Bühne», erklärte deren Partei
chef Wolfgang Gerhardt. Sie wolle
wieder drittstärkste Kraft in
Deutschland werden.
Kiel: Rasche Koalition
Nach ihrem Wahlsieg streben
SPD und Grüne in Kiel einen
schnellen Abschluss der Verhand
lungen über eine Neuauflage der
rot-grünen Koalition an. Simonis
sagte, sie wünsche eine schnelle Ver
einbarung.
Vermittlungen
gescheitert
GAZA: Die Vermittlungs-
bemühungen der USA im Nahost-
Friedensprozess sind vorerst ge
scheitert. Nach einem Treffen mit
Palästinenserpräsident Arafat
sagte US-Vermittler Ross in Gaza,
es sei ihm nicht gelungen, wieder
Bewegung in die festgefahrenen
Gespräche zu bringen. Während
einer Woche hatte Dennis Ross
wiederholt mit Arafat und Israels
Ministerpräsident Barak beraten.