Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Freitag, 25. Februar 2000 3 
«Es zeigt sich, dass das neue KVG 
nicht überdacht war» 
Interview mit Helmut Konrad, Abgeordneter der FBPL, zum Rückzug der CSS und der Misere beim Krankenversicherungsgesetz 
Das neue Krankenversicherungs 
gesetz (KVG), welches mit den 
Stimmen der VU und der FL im 
Landtag verabschiedet wurde, 
stösst seit dem Rückzug der CSS 
auf heftige Kritik. Überall macht 
sich Unverständnis breit, weshalb 
die Regierung ein Gesetz prokla 
mierte, welches Prämienerhöhung 
und den Rückzug der ausländi 
schen Krankenkassen mit sich 
bringt. Der FBPL-Abgeordnete 
Helmut Konrad äussert sich zu 
der neuesten Entwicklung. Er be 
tont, dass sich nun zeige, wie un- 
überdacht das neue KVG sei. 
Mit Helmut Konrad sprach 
Alexander Batliner 
VOLKSBLATT: Die CSS hat nun defi 
nitiv ihren Rückzug aus Liechtenstein 
auf den 31. März angekündigt. Wie be 
urteilen Sie generell diese Ankündi 
gung? 
Helmut Konrad: Der RUckzug der 
CSS ist keine Überraschung mehr und 
man musste diesen Entscheid schon 
längere Zeit befürchten. Nachdem 
schon einige kleine Schweizer Kran 
kenkassen Liechtenstein verlassen ha 
ben, hat jetzt nun auch eine grosse Kas 
se unserem Land den Rücken gekehrt. 
Für mich ist dies ein erster Schritt in 
Richtung einer Einheitskasse. Noch im 
März 1999 hat die Regierung betont, 
dass man dies unter allen Umständen 
vermeiden wolle, und dass Konkurrenz 
im Kranken kassenbereich ein wichtiger 
Lösungsansatz für die Kostenprobleme 
im Gesundheitswesen sei. Nun trifft ge 
nau das Gegenteil ein. Dass diese Ent 
wicklung die Regierung überrascht, hat 
auch der Regierungschef im Volksblatt- 
Interview geäussert. Dort gab er zu, 
dass er sich keine Gedanken über die 
Auswirkungen des neuen KVG für aus 
ländische Krankenkassen gemacht ha 
be. Es zeigt sich immer mehr, dass das 
neue KVG bezüglich seiner Auswirkun 
gen nicht überdacht war. 
Die CSS übt in ihrer Begründung hefti 
ge Kritik am neuen KVG. Sie sagt un 
ter anderem: «Den Krankenversiche 
rern weist das neue Gesetz eine ganz 
andere Funktion zu als bisher. Sie wer 
den nur noch Zahlsteilen des Gesund 
heitswesens sein und verlieren ihren 
Einfluss auf die Entwicklung der Ge 
sundheitskosten.» Des weiteren spricht 
die CSS von Prämienerhöhung. Kön 
nen Sie diese Kritiken nachvollziehen 
Helmut Konrad, Abgeordneter der FBPL:«Ausser dass die Prämien steigen werden, 
wenigstens das hat man inzwischen von Michael Ritter in Erfahrung gebracht, weiss 
man überhaupt nicht, wie es weitergehen wird.» (Bild: Brigitt Risch) 
und welche Schlüsse ziehen Sie daraus? 
Die Aussage, dass die Krankenkassen 
nur noch als Zahlstellen fungieren wür 
den, ist für mich schwierig zu beurteilen. 
Ich kann nicht abschätzen, wie weit sie 
vorher effektiv Einfluss auf das Gesund 
heitssystem und damit auf die Prämien 
entwicklung genommen haben.Tatsache 
ist aber, dass man im neuen Gesetz ver- 
passt hat, den Krankenkassen vermehrt 
Möglichkeiten zur Einflussnahme auf 
die Gesundheitskosten zu geben. 
Der Rückzug der CSS 
ist ein erster Schritt 
Richtung 
Einheitskasse 
Bezüglich der Prämien hat die FBPL- 
Fraktion immer darauf hingewiesen, 
dass mit diesem Gesetz eine Prämien 
erhöhung zu erwarten sei. Wir verwie 
sen auch auf die enormen Verwaltungs 
kosten, welche dieses System bringen 
werde. Zudem kritisierten wir im Land 
tag, dass das Gesetz kaum Spareffekte 
beinhalte. Diesbezüglich wurden ihm 
mit Erfolg alle Zähnq gezogen. In der 
Summe führt das zu Mehrkosten, die je 
mand bezahlen muss, und das werden 
die Versicherten sein. Neben höheren 
Prämien muss auch bedacht werden, 
dass künftig im Krankheitsfall der 
Selbstbehalt des Versicherten bedeu 
tend höher ausfallen wird. Zusätzlich 
wird auch der Staat noch mehr Geld in 
das Gesundheitswesen investieren 
müssen. Das ganze System wird also 
teurer ohne Verbesserungen bezüglich 
der Qualität und des UmfangS der er 
brachten Leistungen. 
Ihre Aussagen würden bedeuten, dass 
genau das Gegenteil geschieht, als die 
Regierung mit ihrer Gesundheitsre 
form versprach. Sehe ich das richtig? 
Ja, das sehen Sie richtig. Das Ziel, die 
Gesundheitskosten in den Griff zu be 
kommen und die Belastungen für die 
Versicherten zu reduzieren, kann nicht 
erreicht werden. Mittlerweilen hat auch 
Vizeregierungschef Michael Ritter ver 
lauten lassen, dass die Prämien steigen 
werden. Langfristig sollen dann, so wird 
versprochen, die Kosten sinken. Wie bei 
der Telefonie wird an die Geduld der 
Leute appelliert. 
Auch Michael Ritter 
hat verlauten lassen, 
dass die Prämien 
steigen werden 
Die FBPL hat ihre Bedenken im 
Landtag eingebracht und auch aufge 
zeigt, in welchen Bereichen das Gesetz 
geändert werden müsste, damit die 
Fraktion ihm zustimmen könnte. Leider 
hat die Mehrheit der VU zusammen mit 
den beiden Abgeordneten der FL das 
Gesetz in dieser Form durchgedrückt. 
Die CSS hat gemäss eigener Aussage 
auf die kritischen Folgen des neuen 
KVG hingewiesen. Hat die Regierung 
somit ihr neues KVG falsch konzeptio- 
niert? 
Die FBPL-Fraktion hat in allen Le 
sungen des Landtages die Auffassung 
vertreten, dass die Regierung und die 
VU den falschen Weg einschlagen wür 
den. Wir haben schon im Landtag be 
tont, dass die Ziele der Regierung mit 
dieser Vorlage nicht erreicht würden. 
Die Reaktion der CSS und anderer 
Krankenkassen bestätigen nun, dass 
unsere kritischen Anmerkungen richtig 
waren. Dies ist bedauerlich. Es treten 
nun alle die Befürchtungen ein, die wir 
schon damals geäussert haben. 
Die CSS führte nun aus, dass alle Ver 
sicherten zur Concordia wechseln wür 
den, es sei denn, man betont explizit, 
dass man dies nicht wolle. Wie beurtei 
len Sie generell die Ankündigung, dass 
die Concordia, bei welcher VV-Partei- 
präsident Oswald Kranz beschäftigt 
ist, die Versicherten der CSS überneh 
men soll? 
Ganz gewaltig gestört hat mich, dass 
Regierungschef Mario Frick im besag 
ten Volksblatt-Interview ausführte, 
VU-Präsident Oswald Kranz werde die 
8500 Versicherten der CSS aufteilen. 
Nach dem Entscheid der CSS ist nun 
Klarheit vorhanden, dass alle CSS-Ver 
sicherten zur Concordia wechseln kön 
nen - und dies zu den bisherigen Be 
dingungen. Ich bin aber überzeugt, dass 
viele Versicherte über die Entwicklung 
verärgert sind. Viele waren, oft mit der 
ganzen Familie, Uber Jahre und Jahr 
zehnte bei der CSS und müssen nun ih 
re Krankenkasse wechseln. Die Unbe 
dachtheit der Regierung führt dazu, 
dass auch hier, wie schon in anderen Be 
reichen, Beziehungen gekappt werden, 
die bisher unproblematisch und zur 
beidseitigen Zufriedenheit bestanden 
haben. 
Bedeutet dies, dass man das neue KVG 
als Schnellschuss bezeichnen kann? 
Ich denke, dass die Regierung durch 
das Agieren der FBPL unter Druck ge 
raten ist. Die Regierung hat grossmun- 
dig und umgehend eine gesündere Lö 
sung angepriesen bzw. propagiert. Die 
se Lösung, das wird jetzt schon offen 
sichtlich, wird die Ziele, welche sich die 
Regierung gesetzt hat, nicht erreichen. 
Die Prämien haben wir bereits ange 
sprochen. Was müssen die Versicherten 
diesbezüglich nach dem 1. April, wenn 
das neue KVG in Kraft tritt, erwarten 
und wie wird die langfristige Entwick 
lung der Prämien aussehen? 
Ausser dass die Prämien steigen wer 
den, wenigstens das hat man inzwischen 
von Michael Ritter in Erfahrung ge 
bracht, weiss man überhaupt nicht, wie 
es weitergehen wird. 
Die Unbedachtheit 
der Regierung führt 
dazu, dass 
Beziehungen, die 
unproblematisch 
waren, gekappt 
werden 
Man weiss nicht, welche Prämiener 
leichterungen im Hausarztsystem zu er 
warten sind, man weiss nicht, wie die 
Prämien in der freien Arztwahl ausse 
hen werden, man weiss nicht, wie die 
Grundversicherung und die Zusatzver 
sicherungen aussehen werden, man 
weiss nicht, wie sich die punktuelle Ab 
schaffung der Kollektivversicherung 
auswirkt (75 Prozent der Versicherten 
sind kollektiv versichert) - man weiss 
also noch überhaupt nichts. Sicher ist, es 
wird Mehrkosten für die Leistungser 
bringer und für die Krankenkassen ge 
ben. Diese müssen von den Versicher 
ten getragen werden, durch Prämiener 
höhungen, den Selbstbehalt und erhöh 
te Subventionen des Staates, also Steu 
ergelder. Und das, es sei nochmals er 
wähnt, ohne Verbesserungen im Leis 
tungsbereich. 
Fragen zum abgeänderten KVG 
Antworten auf die Fragen der Leserinnen und Leser des Volksblatts - Teil 4 
Bsp. Wir haben zwei Kinder und sind 
bei einem Kinderarzt in der Schweiz. 
Das 3. Kind kommt nach dem 1. April 
2000 zur Welt. Müssen wir für das 3. 
Kind einen Kinderarzt im FL aus 
wählen, oder können alle drei in der 
Schweiz zum selben Kinderarzt? 
Gemäss der Übergangsbestimmun 
gen können Ihre zwei Kinder tatsäch 
lich den Kinderarzt in der Schweiz als 
ihren Hausarzt wählen, auch wenn Sie 
die Kinder im Hausarztsystem versi 
chern. Für das dritte Kind, das nach 
dem 1. April 2000 zur Welt kommt, ha 
ben Sie zwei Möglichkeiten: 
a.) Sie können sich für die freie Arzt 
wahl entscheiden. Dann können Sie 
mit diesem Kind auf jeden Fall auch zu 
einem Arzt in der Schweiz, also zum 
Hausarzt der beiden älteren Geschwis 
ter. Allerdings bezahlen Sie dann Prä 
mie (höchstens einen Viertel der Prä 
mie für erwachsene Versicherte), nicht 
hingegen die obligatorische Kostenbe 
teiligung. 
b.) Oder Sie lassen Ihr drittes Kind 
im Hausarztsystem versichern. Sie spa 
ren dann die Prämie, müssen aber in 
diesem Fall einen Arzt innerhalb des 
Hausärztevereins auswählen (z.B. ei 
nen Kinderarzt in Liechtenstein). 
Wenn wir uns homöopathisch behan 
deln wollen, bei einer Naturheilpraxis, 
müssen wir uns vom Hausarzt über 
weisen lassen, damit die Krankenkas 
se bezahlt? Bezahlen wir dann beim 
Hausarzt auch die 30 Franken für die 
Überweisung? 
Die Beantwortung dieser Frage 
hängt davon ab, ob und welche Zu 
satzversicherung («freiwillige Versi 
cherung») Sie abgeschlossen haben 
bzw. abschliessen werden. Jedenfalls 
sind homöopathische Behandlungen 
beim Arzt durch die obligatorische 
Grundversicherung gedeckt. Also: 
Wenn Sie sich für die freie Arztwahl 
entscheiden, können Sie sich ohne 
weiteres bei einem homöopathisch 
tätigen Arzt behandeln lassen. 
Wenn Sie sich für das Hausarztsys 
tem entscheiden, können Sie sich von 
Ihrem Hausarzt zu einem homöopa 
thisch tätigen Arzt überweisen lassen. 
Wenn Sie sich in einer Naturheil 
praxis behandeln lassen wollen, kön 
nen Sie das jederzeit ohne Zuweisung 
tun. Sie müssen allerdings die Kosten 
selbst übernehmen. Wenn Sie eine ent 
sprechende Zusatzversicherung ab 
schliessen, wird sich die Krankenversi 
cherung gemäss den Bedingungen die 
ser freiwilligen Versicherung an den 
Kosten der Behandlung beteiligen. 
Ganz nebenbei: Es ist in jeden Fall 
sinnvoll, Ihren Hausarzt darüber zu in 
formieren, dass Sie sich .'einer alterna 
tivmedizinischen Behandlung unter 
ziehen. Er wird dafür Verständnis ha 
ben, und seinerseits die Behandlung 
darauf abstimmen. ; 
Die bisherige Krankenscheingebühr 
von 30 Franken pro Quartal entfällt. 
Sie wird durqn die neue Kostenbeteili 
gung mit festem Betrag pro Jahr von 
200 Franken und prozentualem 
Selbstbehalt von 10 % ersetzt. 
Rechenaufgabe: Wenn die «gesundor 
ganisierte LKK für die Betreuung von 
ca. 6000 Mitgliedern ein Team von 
14 Personen benötigt, die Intras für 
ca. 2500 Mitglieder eine Person 
benötigt - wieviele Personen (Mitar 
beiter) würde die Concordia für ca. 
19 000 Versicherte benötigen? (Foto 
siehe Vaterland vom 15. Februar 
2000, Seite 12) 
Sie sprechen mit dieser rhetorischen 
Frage ein wichtiges Problem an: 
Die «gesündere Lösung», die von 
der VU-Mehrheit im Landtag, sekun 
diert von den Vertretern der Freien 
Liste, beschlossen wurde, wird zu ei 
nem erheblichen Mehraufwand bei 
der Verwaltung der obligatorischen 
Krankenpflegeversicherung führen. 
Viel mehr Aufwand müssen nicht nur 
die Krankenversicherungen treiben, 
sondern auch die Leistungserbringer. 
Und der Vorteil für die Versicherten 
ist nicht abzusehen. 
Warum sind die Medikamente bei uns 
so extrem teuer? Massnahmen gegen 
Chemie-Multi? 
Diese Frage richten Sie am besten 
an die Regierung! Was ist aus dem Ge 
setz über den Verkehr mit Arzneimit 
teln im EWR geworden? Der Gesund 
heitsminister hatte im November 1997 
grossmundig verkündet, mit diesem 
Gesetz könnten die Kosten für Medi 
kamente drastisch gesenkt werden. 
Wie weit ist er heute mit der Verord 
nung zu diesem Gesetz? Wann können 
die Bürger Liechtensteins von den ver 
sprochenen Einsparungen profitieren? 
Bei gleicher Gelegenheit können Sie 
den Herrn Gesundheitsminister auch 
fragen, ob er gedenkt, die Verordnun 
gen zum Gesetz über die Krankenver 
sicherung vor dem 1. April zu erlassen? 
Wir warten alle so dringend darauf?
	        

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