Liechtensteiner Volksblatt
Abstimmung Preiswerter Wohnungsbau Donnerstag, 24. Februar 2000 3
Nachrichten
Liechtensteinische
CEMT-Mitgliedschaft
VADUZ: Die Regierung hat in ihrer Sitzung
vom 22. Februar 2000 den Beitritt Liechten
steins zur Europäischen Konferenz der Ver
kehrsminister (CEMT) beschlossen. Die Eu
ropäische Konferenz der Verkehrsminister de
finiert sich als eine «politische Organisation»,
die für die Transport- beziehungsweise Ver
kehrsminister vor allem wichtig ist, um Kontak
te zu knüpfen. An den Ministertagungen wer
den Verkehrsfragen in den Bereichen Wettbe
werb,Technologie, Kombinierter Verkehr, Um
welt, Sicherheit usw. behandelt (Grundzüge der
Verkehrspolitik, Investitionen auf diesem Sek
tor, Infrastrukturbedarf, spezifische Aspekte
der Verkehrsentwicklung auf Schiene, Strasse
und Binnenwasserwegen, Fragen des kombi
nierten Verkehrs, städtischer Verkehr, Sicher
heit im Strassenverkehr und Verkehrsregeln,
Verkehrszeichen und Signale, Zugang zu Ver
kehrsmitteln für gehbehinderte Personen
usw.). Weitere Themen sind der Umweltschutz
und die Integration der Mittel- und Osteu
ropäischen Staaten in das europäische Ver
kehrsnetz. Die Konferenz tagt mindestens ein
maljährlich auf Ministerebene und regelmässig
auf der Ebene des Ausschusses der Stellvertre
ter der Minister auf Beamtenebene. Die lau
fenden Arbeiten der Konferenz werden von ei
nem Verwaltungssekretariat mit Sitz in Paris
erledigt. Aufgrund der Mitgliedschaft Liechten
steins im EWR und im Hinblick auf verschiede
ne auf der aktuellen Tagesordnung stehende Fra
gen im Bereich des internationalen beziehungs
weise grenzüberschreitenden Verkehrs, ein
schliesslich der Frage der Zuteilung von Kontin
genten für Transporte im grenzüberschreitenden
Verkehr, hat die Frage der Mitgliedschaft Liech
tensteins aktuelle Bedeutung erlangt. (pafl)
Ersatzbestellung
Die Regierung hat in ihrer Sitzung vom 22. Feb
ruar 2000 auf Vorschlag der Gewerbe- und Wirt
schaftskammer (GWK) anstelle des bisherigen
Vertreters der GWK, Manfred Batliner, Oliver
Gerstgrasser als Mitglied des Stiftungsrats der
Stiftung, Erwachsenenbildung Liechtenstein»
bestellt. (pafl)
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Verschuldung: Eigenverant
wortung übernehmen
Interview mit Elmar Kindle, Gegner des neuen Wohnbauförderungsgesetzes
Der FBPL-Abgeordnete El
mar Kindle sprach sich schon
bei der Abstimmung innerhalb
des Landtages gegen das neue
Wohnbauförderungsgesetz
aus. Vor allem die Streichung
der Subventionen für verdich
tete Bauweise ist für Elmar
Kindle nicht nachvollziehbar.
Mit Elmar Kindle
sprach Peter Kindle
VOLKSBLATT: Schon bei der De
batte im Landtag haben Sie sich ge
gen das neue Wohnbauförderungs-
gesetz ausgesprochen. Welche Über
legungen föhrten zu dieser Ent
scheidung?
Elmar Kindle: Es gibt verschiede
ne Argumente, welche klar gegen
das neue Gesetz sprechen. Ich den
ke, dass das neue Gesetz in der Pra
xis nicht handhabbar ist. Dies gilt
vor allem für planende Institute.
Zudem bin ich nicht damit einver
standen, dass aufgrund der geringe
ren Förderungsmittel im privaten
Wohnungsbau die Qualität bei Ei
genheimen reduziert werden soll.
Ein weiterer Grund, warum ich
mich von Anfang an gegen das neue
Gesetz aussprechen musste, ist die
drohende Gefahr für die liechten
steinischen Gewerbetreibenden
und die Rohstofflieferanten.
Über den sozialen Aspekt des
neuen Wohnbauförderungsgesetzes
sind bis anhin kaum kontroverse
Diskussionen geführt worden. Sind
Sie mit der sozialen Komponente
des neuen Gesetzes auch eimer
standen?
Die soziale Komponente finde ich
grundsätzlich gut. Jedermann hat
Anspruch auf angemessenen Wohn
raum. Dieser Aspekt ist für mich
sehr wichtig, denn man kann auch in
Liechtenstein erkennen, dass das
Lohngefälle frappante Formen an
nimmt.
Sie denken also, dass gemeinnüt-
Elmar Kindle spricht sich gegen das neue Wohnbauförderungsgesetz aus.
zige Institutionen und auch die
Gemeinden vennehrt auf sozialen
Wohnungsbau setzen werden, falls
das neue Gesetz in Kraft tritt?
Man hat gesehen, dass der soziale
Wohnungsbau, [welcher schon seit
1977 im Wohnbauförderungsgesetz
integriert ist, nicht wirklich funktio
niert hat. Ich bin überzeugt, dass der
Anreiz für Gemeinden durch die er
weiterten .Förderungsbeträge nicht
grösser wird. Ich denke, dies ist ganz
einfach von der Nachfrage abhän
gig. Der Verwaltungsaufwand ist für
Gemeinden und andere Institutio
nen sicherlich gross, wenn sie sich
dem gemeinnützigen Wohnungsbau
widmen, doch in dieser Hinsicht las
sen sich auch Synergien zur Privat
wirtschaft, beispielsweise zu Immo
bilienverwaltern, nutzen.
Die Subventionen für verdichtete
Bauweise sollen im neuen Gesetz
gestrichen werden. Wie stehen Sie
zu diesem Ansinnen?
Meines Erachtens widerspricht
diese Streichung von Subventionen
dem raumplanerischen Aspekt, den
wir in Liechtenstein zu erfüllen ha
ben. Ich würde sogar im Gegensatz
zum neuen Wohnbauförderungsge
setz einen ganz anderen Weg be
schreiten: Es wäre sinnvoller, die
Subventionen für verdichtetes Bau
en zu erhöhen, um im Bereich der
Raumplanung wirksame Resultate
zu erzielen. Jedoch wäre für diese
Idee auch eine Anpassung des Bau
gesetzes notwendig. Ich möchte fol
gendes kiar festhalten: Durch die
Streichung der Subventionen im
neuen Gesetz gehen jedem Bau
herrn, der sein Eigenheim in ver
dichteter Bauweise erstellt, zwi
schen 50000 und 60 000 Franken
verloren.
Im benachbarten Ausland, sprich
in der Schweiz und in Vorarlberg,
wird billiger gebaut, proklamieren
die Befürworter des neuen Gesetzes.
Denken Sie, dass es realistisch ist,
auch in Liechtenstein die Kosten
bei Neubauten zu senken?
Meiner Meinung nach ist es nicht
sinnvoll, im Bereich der Wohn-
bauförderung Preisvergleiche zum
benachbarten Ausland anzustellen.
Man soll nicht Äpfel mit Birnen ver
gleichen. Wir brauchen für die
Wohnbauförderung eine liechten
steinische Lösung, die den sozialen
Ansprüchen, der Lohnkomponente
und den hiesigen Gegebenheiten
entspricht.
Wie bewerten Sie das Argument
der Binärwörter, die behaupten, die
Verschuldung des Einzelnen könne
mit dem neuen Gesetz besser unter
Kontrolle gehalten werden?
Ich kann im Bereich der Ver
schuldung keine Unterschiede vom
alten zum neuen Gesetz entdecken.
Das neue Gesetz bietet kein wirksa
mes Instrument, um die Überschul
dung in den Griff zu bekommen. Im
Gegenteil, aufgrund der Kürzung
der Förderungsbeiträge kann die
Verschuldung des Einzelnen gar
nicht kleiner werden. Ich denke je
doch, dass es in der Eigenverant
wortung von jedem einzelnen Bau
herrn liegen sollte, sich Gedanken
Uber die finanziellen Möglichkeiten
und Einschränkungen zu machen,
wenn er sich den Traum der eigenen
vier Wände verwirklichen will.
Gerechtere und breitere Verteilung
Interview mit FBPL-Fraktionssprecher Gebhard Hoch zum neuen Wohnbauförderungsgesetz
Am kommenden Wochenende wird
das Stimmvolk über das neue
Wohnbauförderungsgesetz abstim
men, FBPL-Fraktionssprecher
Gebhard Hoch, welcher Mitglied
der Landtagskommission war, wel
che das neue Gesetz ausgearbeitet
hat, setzt sich für eine Annahme des
Gesetzes über die Förderung des
preiswerten Wohnungsbaues ein.
Mit Gebhard Hoch
sprach Peter Kindle
VOLKSBLATT: Sie setzen sich für
eine Annahme des neuen Wohn
bauförderungsgesetzes ein. Welche
Argumente sprechen für die In
kraftsetzung des neuen Gesetzes?
Gebhard Hoch: Als Mitglied der
Landtagskommission, die in 30 Sit
zungen dieses neue Gesetz vorbe
reitet und einstimmig dem Landtag
vorgeschlagen hat, ist es selbstver
ständlich, dass ich hinter diesem
Gesetz stehe. Der Landtag selbst
hat dem Gesetz mit grosser Mehr
heit zugestimmt. Das neue Gesetz
bezweckt eine gerechtere und brei
tere Verteilung der Förderungsmit
tel. Generell gesagt will das neue
Gesetz, dass preisgünstiger und ein
facher gebaut wird und die Förde
rungsempfänger sich nur im Rah
men ihrer Möglichkeiten verschul
den. Der Gedanke der Förderung
der Eigentumsbildung bleibt unver
ändert. Ein weiterer Vorzug des
neuen Gesetzes ist, dass es sehr viel
weniger Gestaltungsvorschriften
enthält und dadurch viel liberaler
ist, als das alte.
Das neue Gesetz, über welches
am kommenden Wochenende abge
stimmt wird, verspricht einen besse
ren Schutz vor Uberschuldung. In
wiefern wird dieser Schutz nun ver
bessert? :
Wenn I man sich das Ziel des
neuen Gesetzes vor Augen hält, näm
lich kostensparender und einfacher
zu bauen, wirkt dieses logischerweise
einer Überschuldung entgegen.
Der soziale Aspekt der Wohn
bauförderung wird in der neuen
Gesetzgebung ausgeweitet? Worin
liegt die soziale Komponente? Den
ken Sie, dass vor allem Gemeinden
in Zukunft vermehrt davon Ge
brauch machen werden, gemeinnüt
zigen Wohnraum zu schaffen?
Ja, eindeutig, weil über den ge
meinnützigen Wohnungsbau auch
einkommensschwache Mieter indi
rekt gefördert werden. Ich meine,
dass ein zinsloses Darlehen von 35
Gebhard Hoch plädiert für eine Annahme des neuen Gesetzes.
% für Gemeinden ein Anreiz sein
sollte, sich vermehrt im gemeinnüt
zigen Wohnungsbau zu engagieren.
Denken Sie, es ist von staatlicher
Seite verantwortbar, dem einzelnen
Bauherrn weniger Fördermittel zur
Verfügung zu stellen?
Der Staat hat ein Interesse, För
derungsmittel möglichst effizient
und zweckentsprechend einzuset
zen im Rahmen der leicht veränder
ten Zielsetzung des neuen Gesetzes.
Wird das neue Gesetz negative
Auswirkungen auf die Auftragslage
im heimischen Gewerbe haben?
Das glaube ich nicht, weil eventu
elle geringe Einbussen im privaten
Wohnungsbau kompensiert werden
sollten durch den gemeinnützigen
Wohnungsbau der Gemeinden.
Können sich aufgrund der neuen
Gesetzgebung weiterhin noch Men
schen den Traum eines Eigenheimes
verwirklichen, oder wird der Kreis
der förderungswürdigen Personen
eingeschränkt?
Den Traum eines Eigenheimes
werden sich auch weiterhin viele
verwirklichen können, vielleicht mit
gewissen Einschränkungen in Be
zug auf Grösse und Ausgestaltung,
verglichen mit der bisherigen ge
setzlichen Regelung. So wollte es
aber der Gesetzgeber ausdrücklich.