8 Dienstag, 22. Februar 2000
K ULTUR
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Eine Weltsprache der
Seele
TRIESEN: In ein «Schaumbad» der Gefühle
fallen lassen; in Melancholie baden und die See
le massieren lassen: Das ist Klezmer-Musik. Am
kommenden Freitag, den 25. Februar um 20
Uhr, spielen in der Alten Weberei inTYiesen die
Vollblutmusiker des «Baith Jaffe»-Quartetts
jiddische Musik voller Gefühle. Die «Baith Jaf-
fe» spielt typische Klezmer-Musik, garniert mit
Geist und musikalischer Professionalität. Das
Wort Klezmer ist entstanden aus den aramäi
schen Wortstämmen «Kli» und «Zemer» und
bedeutet ursprünglich «der Mensch macht sich
zum Überbringer des Liedes» (H. Eisel). Heute
bezeichnet Klezmer einen Musikstil und den
Musiker, der diese Musik macht. Klezmer ist im
Ursprung die Musik (ost)europäischer Juden,
dargeboten auf Festen aller Art von umherzie
henden Musikern, den Klezmorim. Die Klez-
mermusik wurde von allen Kulturen der Welt
beeinflusst, und sie hat alle Kulturen der Welt
beeinflusst.
Feurige Musik voller Melancholie spielen die
«Baith Jaffe» am Freitag auch in der Alten We
berei in Triesen. Die Bandmitglieder - Sascha
Schönhaus, Davis Schönhaus, Andreas Wäldele
und Marc Hänsenberger betrachten sich als
Brückenbauer zwischen Einst und Jetzt, zwi
schen Ost und West. Sie erzählen auf ihren In
strumenten Geschichten von Glück und Trauer,
von Liebe und Leid, von Hoffnung und Ver
zweiflung. Gefühle, die überall auf der Welt
gleich sind, deshalb wird Klezmer oft auch die
Weltsprache der Seele genannt.
«Baith Jaffe»: Freitag, den 25. Februar 2000
um 20 Uhr, «Alte Weberei», Spörryfabrik Trie
sen (Eingang Radio L), Vorverkauf: Treff Elec
tronic, Vaduz und Stähauers Gmüeslada, Trie
sen, Eintritt: CHF 25.00, Abendkasse. (Eing.)
Rolf - Premiere in Thusis
THUSIS: Der frischge
backene Ex-Bäcker
verdient seine Bröt
chen nicht mit altem
Käse, sondern mit ei
nem Harass brandneu
er Geschichten. Die
Nachhaltigkeit des Ra
senmähens, philosophi
sche Aspekte des Staubsaugens und andere
brennende Fragen des Urbanen Lebens finden
so endlich gesamtheitliche Antworten. Mit
schwebender geistiger Bodenhaltung erzählt
Rolf seine zeitlosen Aktualitäten im Windschat
ten des neuen Jahrtausends. Vom Schicksal ge
zeichnet, musikalisch untermalt und biologisch
abbaubar.
Rolfs Programm zeigt 15 Nummern, davon
drei gesungen in den höchsten Tönen. Gespannt
darf man auf seine nimmermüden Parodien des
Nimmermögens sein «I mag eifach nid», oder
zum Beispiel auf seine soeben getätigten Lawi
nen-Nachforschungen.
Premiere feiert er am 25. Februar im Kino in
Thusis, Beginn 20 Uhr. Vorverkauf: 651 3420(es
sind nur noch wenige Plätze frei).
Silvio Huonder liest im
Schichtwechsel
VADUZ: Nicht aus «Adalina» und auch nicht
aus dem «Übungsheft der Liebe» wird Silvio
Huonder im Schichtwechsel lesen. Nein, auch er
hat zu Land Sichten, dem Literaturprojekt des
Schichtwechsels, einen speziellen, eigenen Text
verfasst. Silvio Huonder ist der siebte in der
Reihe der Schreibenden/Lesenden, der ver
sucht mit den Mitteln der Literatur Land zu
sichten. Man kann jetzt gespannt sein, was
Huonder zu diesem Land, zu diesem Land
strich, sagt, zumal seine Helden aus «Adalina»
und dem «Übungsheft der Liebe» immer wieder
im Zug am Land vorbeifuhren, dem Rhein ent
lang von Chur nach Zürich und weiter in die
Welt hinaus. Premiere also für diese Texte von
Silvio Huonder, dem BUndner, der sich mit sei
nen beiden Romanen ganz vorne in die Hitlis
ten der schweizerischen Literatur geschrieben
hat. In der Basler Zeitung meint Susanne
Schanda zum «Übungsheft der Liebe»: «Ob
wohl der Roman autobiographisch ist, schwelgt
er nicht in sentimentalen Jugenderinnerungen,
sondern zeichnet ein stimmiges Portrait eines
jungen Schweizer Wilden mit hochfliegenden
Ideen.» Einmal mehr das Missverständnis, dass
Autobiographie selbstredend schwelgt. Auf alle
Fälle kennt Huonder Liechtenstein; wie gut, ist
nicht bekannt. Was er literarisch daraus ge
macht hat, noch nicht. Silvio Huonder liest am
Donnerstag, den 24. Februar um 20 Uhr im
Schichtwechsel, Landstrasse 73,Vaduz. (Eing.)
Die grosse liebe zur Kunst
Erstmalig zeigt die Mezzanin-Stiftung Werke aus ihrer Sammlung
Die Kunst-Sammlerin Hanny
FVick-Ospelt hatte gerufen -
und alles, was Rang und Na
men in der Gesellschaft hat,
folgte am Samstag der «Einla
dung zur Besichtigung von
Kunst, die sich im Laufe der
Jahre zu einer eigentlichen
Sammlung entwickelt hat.»
Gerolf Hauser
«Ich freue mich, wenn meine ge
sammelten und mir lieb geworde
nen Kunstwerke auch anderen
Freude bereiten können», sagt
Hanny Frick. Tatsächlich ist ihre
Liebe zur Kunst und ihren Schöp
fern überdeutlich: Sie kennt jedes
Bild, weiss zu jedem Bild eine Ge
schichte, kennt die Künstler, weiss
die exakten Zusammenhänge, wie
sie zu dem Bild gekommen ist. «Das
muss vom Bauch oder von der See
le kommen», sagt sie.
Die Sammlerin
Hanny Frick: «Die Stiftung habe
ich gegründet, damit die Sammlung
beieinander bleibt», berichtet
Hanny Frick. «Die Stiftungsmitglie
der sind für die finanzielle Seite, ich
bin für das Künstlerische zuständig.
Im Laufe der Jahre wurde für mich
immer deutlicher, dass neben der
Liebe und dem starken Drang zur
Kunst auch noch ein anderer Ge
danke eine Rolle spielt. Denn durch
den Kauf von Bildern ist es manch
mal möglich, einen Künstler zumin
dest für eine gewisse Zeit von einem
finanziellen Druck zu erlösen. Ganz
zu Anfang wollte ich nur Werke
kaufen von Künstlern, die ich per
sönlich kenne. Damit habe ich mir
selbst eine Schranke aufgebaut.
Aber zu den meisten der Künstler
habe ich persönliche Kontakte. Jetzt
kann ich zum ersten Mal einige,
nicht alle, Bilder aus der Sammlung
Hanny Frick-Ospelt hatte am Samstag zur Besichtigung ihrer Kunstsammlung eingeladen.
(Bild: I.D.)
zeigen. Die Auswahl war nicht ein
fach. Manches Bild musste um
gehängt oder durch ein anderes er
setzt werden, um in diesen Fabrik
räumen auf 540 Quadratmetern eine
sinnvolle Ausstellung zu machen.»
Schöpferische Tätigkeit
Rudolf Sagmeister, Kurator des
Kuhsthauses Bregenz, sprach anläss
lich der Eröffnung der Ausstellung
zum Thema «Sammeln». Es gebe
viele private Sammler, die dazu
neigten, ihre Sammlungen der Öf
fentlichkeit zu präsentieren. Dazu
gehöre JV|jit, denn an einer Samm-
lung-kömTC-man viel über den sam-
melftdfeli ,i, Njenschen ablesen. Mu
seumsdirektoren aber seien, um
überiiaupt noch einen Überblick
über zeitgenössische Kunst zu er
halten, auf diese Ausstellungen an
gewiesen. Hanny Frick sammle
nicht aus Ruhm- oder Profitgedan-
ken. «Wenn das Sammeln richtig be
trieben wird, kann es fast zu einer
schöpferischen Tätigkeit werden.»
Die mit zunehmenden Alter abneh
mende physische Energiequelle,
und einer der Anlässe für diese Aus
stellung sei ein runder Geburtstag,
den Hanny Frick feiern kann, könne
sozusagen ersetzt werden durch ei
ne andere Energiequelle: Das
Schaffen von Beziehungen und le
bendigen Gefühlen zu Künstlern,
zur zeitgenössischen Kunst. Bevor
man sich dem in der Einladung an
gekündigten Wein und Brot widme
te, improvisierte der aus Zürich
stammende Komponist, Interpret
und Improvisator Caspar Guyer auf
Flügel, Cembalo und Hammerkla
vier. In der Einladung hiess es, dass
er im Dialog mit dem Ausstellungs
ort improvisieren würde. Zu hören
war dann ein moderner Keith Jar-
rett, der, vor allem zu Beginn, ge
waltige, um nicht zu sagen gewaltsa
me Klänge ertönen liess, gewaltig
wie die Ausstellung und die fast
unüberschaubar grosse Zahl von
Besuchern. Und so fein wie die im
«Kabinett» ausgestellten Grafiken
liess er, vor allem auf dem Hammer
klavier, feine und zugleich span
nungsreiche Melodie- und Akkord
folgen erklingen.
Die Ausstellung im Gewerbe
haus, Im alten Riet Nr. 102 in
Schaan dauert bis Sonntag, den 27.
Februar 2000; Öffnungszeiten täg
lich von 16 bis 20 Uhr, Samstag und
Sonntag 14 bis 18 Uhr oder nach te
lefonischer Vereinbarung (232 20 30
oder 079 431 3636).
WeltverschÖnerer und Umweltaktivist
Friedensreich Hundertwasser gestorben
WIEN: Der österreichische Maler,
Architekt und Ökologe Friedens
reich Hundertwasser ist am Sams
tag an Bord eines Kreuzfahrtschif
fes im Pazifischen Ozean an einem
Herzversagen verstorben. Das teilte
der Manager des 71-jährigen Künst
lers am Montag in Wien mit.
Hundertwasser werde seinem
Wunsch entsprechend im «Garten
der glücklichen Toten» in Neusee
land beerdigt. Der streitbare Welt-
verschönerer und Umweltaktivist
lebte und arbeitete in den vergange
nen Jahren meistens in Neuseeland.
Mit seinen Architekturprojekten
war er ein Vorkämpfer für die Öko
logiebewegung und erregte mit
Dachgärten, Zwiebeltürmen,
buckeligen Böden und windschie
fen Fenstern weltweit Aufsehen.
Hundertwassers grosse Zeit wa
ren die 70er und 80er-Jahre. Staats
aufträge aus Deutschland, Öster
reich und von den Vereinten Natio
nen machten Hundertwasser po
pulär. Zahlreiche Friedens- und
Umweltschutzpreise folgten, eben
so wie grosse internationale Aus
stellungen.
«Verhundertwasserung»
Kunst war für den umtriebig Su
chenden verbunden mit einem mo
ralischen Anspruch. Er wollte errei
chen, dass der Betrachter seiner
Werke sein eigenes Verhältnis zur
Natur Uberdenkt und neu gestaltet.
In den 90er-Jahren wurde es still um
diesen bunten Vogel der Kunst. Der
Zeitgeist nüchtern-sachlicher Funk
tionalität arbeitete gegen Hundert
wassers ökologische Romantik.
Dem Theoretiker Hundertwasser
wurde Dogmatismus vorgeworfen,
dem Künstler Dekormalerei. Die
zahlreichen öffentlichen Aufträge
in seinerjHeimat wurden als «Ver
hundertwasserung Österreichs» be
spöttelt.
Hundertwasser wurde als Fried
rich Stowasser, Sohn einer jüdi
schen Mutter, 1928 in Wien gebo
ren. 1948 brach er sein Studium an
der Wiener Akademie der bilden
den Künste bereits nach drei Mona
ten wieder ab. Prägend war für den
jungen Mann eine Wiener Schau mit
Werken Egon Schieies, lebensbe
stimmend wurde die Begegnung mit
dem französischen Maler Rene Bro.
Stowasser folgte dem Freund nach
Friedensreich Hundertwasser starb am Samstag im Alter von 71 Jahren an
Bord der Queen Elizabeth II.
Paris und änderte 1949 seinen Na
men programmatisch in «Friedens
reich Hundertwasser».
«Verschimmelungsmanifest»
In den 50er und 60er-Jahren ent
wickelte er seinen bunten unver
wechselbaren Stil, der im Gegensatz
zu den aufkommenden Strömungen
der Abstraktion und Konzeptkunst
stand. 1959 erschien sein berühmt
gewordenes «Verschimmelungsma
nifest» wider den Rationalismus in
der Architektur. Der geraden Linie,
dem «Werkzeug des Teufels», stellte
er die Spirale entgegen. Mit seinen
Verschönerungsvorschlägen für
Fassaden und Fenster, Dachbegrü
nungen und seinem Feldzug für das
Humusklo und für Klärpflanzen
regte Hundertwasser zu einem Zeit
punkt ökologische Diskussionen an,
als sich noch keine breite Umwelt-
bewegung formiert hatte.
1981 übernahm er eine Professur
an der Akademie der bildenden
Künste in Wien. Anlässlich der Ver
leihung des grossen Österreichi
schen Staatspreises im selben Jahr
plädierte Hundertwasser für «Kul
tur gegen Kernkraft» und wetterte
gegen eine «entartete» zeitgenössi-
. sehe Kunst, der er die Aufgabe des
Künstlers, diese «Welt zu verbes
sern, zu verschönern» entgegen
stellte.
1983 erfolgte die Grundsteinle
gung des Hundertwasserhauses in
Wien, und 1991 eröffnete das Hun-
dertwasser-Museum in Wien- Land
strasse. Beide Bauten wurden heftig
von der Architekturkritik angefein
det und Hundertwasser als «Dekor
maler und Fassadenbehübscher»
bezeichnet.