6 Samstag, 19. Februar 2000
Abstimmung Preiswerter Wohnungsbau
Liechtensteiner Volksblatt
Fernsehsendung zur Wohnbauförderung:
«Wir sind ein Volk der Eigentümer»
Informative Diskussionsrunde mit den wichtigsten Fakten zur bevorstehenden Volksabstimmung
Diskussionsrunde über das neue Wohnbauförderimgsgesetz ini Landeskanal (v.l.n.r.): Martin Jehle, Daniel Kranz, Franz
Schädler, Wilfried Marxer-Schädler, Lorenz Heeb und Paul Vogt. (Bild: bak)
Informationen zum neuen Gesetz
über die Förderung des preiswer
ten Wohnungsbaues in kompak
tem Rahmen. Unter diesem Ge
sichtspunkt ist die Fernsehsen
dung zu werten, welche am Mitt
woch im Vaduzer Saal aufgezeich
net wurde. Im Hinblick auf die
Volksabstimmung vom kommen
den Wochenende werden die
Stimmbürger auf die wichtigsten
Bereiche in Sachen Wohnbauför
derung sensibilisiert.
Peter Kindle
Einige werden die Fernsehsendung in
Sachen preiswerter Wohnungsbau ge
stern Abend im Landeskanal bereits
verfolgt haben, andere werden dies
heute Samstag um 20 Uhr oder aber am
Sonntag um 17 Uhr sicher nachholen.
In einer Diskussionsrunde standen
sich Martin Jehle, Daniel Kranz und
Franz Schädler als Gegner des neuen
Wohnbauförderungsgesetzes den Be
fürwortern Lorenz Heeb und Paul Vogt
gegenüber. Die Informationssendung,
welche von Wilfried Marxer-Schädler
geleitet wurde, verfolgte das Ziel, die
Argumente der Befürworter und der
Gegner des neuen Wohnbauförde
rungsgesetzes gegeneinander abzuwä
gen. Im Anschluss an die etwa einstün
dige Diskussion wandten sich einerseits
Regierungschef Mario Frick, der hinter
dem neuen Gesetz steht, als auch Franz
Schädler als Vertreter des Referendums
komitees mit Kurzansprachen an die
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Liechtenstein: Volk der
Eigentümer
«Liechtensteiner sind ein Volk der
Eigentümer», bemerkte Diskussionslei
ter Wilfried Marxer-Schädler zu Beginn
der Diskussion. «Warum soll sich die
Gesetzgebung im Bereich der Wohn
bauförderung überhaupt ändern?»
Paul Vogt, Befürworter des neuen
Gesetzes, führte an,dass die Ansprüche
der Menschen im Bereich des privaten
Wohnungsbaues immer weiter anstei
gen. Viele seien bereits hoch verschul
det. Durch eine Redimensionierung
der Bauten ui^d einer erweiterten
Ausgestaltung dessoziaien Wohnungs
baues, wolle man' dieser Entwicklung
nun entgegenwirken. «Der Widerstand
gegen dieses neue Gesetz sei aber
logisch».
Daniel Kranz, Mitglied des Referen
dumskomitees. merkte an, dass es kei
nen Sinn mache, die Förderung des pri
vaten Wohnungsbaues zu reduzieren,
gleichzeitig aber den sozialen Woh
nungsbau, welcher seit seiner Ein
führung im Jahre 1977 ohnehin nicht
funktionierte, weiter auszubauen.
Ist es sinnvoll, die Grösse der
Bauten zu verkleinern?
Auch in dieser Frage wurde sehr kon
trovers diskutiert. Im Idealfall sollen
gemäss neuem Gesetz Eigenheime in
der Grösse von 110m 2 ideal gefördert
werden. Die Befürworter des neuen
Wohnbauförderungsgesetzes sind der
Meinung, diese Grösse sei ideal und
ausreichend. Gegner des Gesetzes
führen im Gegensatz dazu an, dass die
ser Raum zu knapp bemessen sei, um
Familien mit drei oder vier Kindern
ausreichend Platz zum Wohnen ein
zuräumen. «In fünf bis sechs Jahren be
steht akuter Bedarf nach mehr Wohn
raum, welcher dann nur sehr teuer rea
lisierbar ist».
Anlagekosten tiefer ansetzen?
Ein strittiger Punkt im Gesetz bleibt
weiterhin die Ansetzung der Anlageko
sten für Eigenheime. Während die Be
fürworter behaupten, diese Kosten sei
en im neuen Gesetz realistisch bemes
sen, vertreten die Referendumswerber
die Ansicht, dass diese Kosten nur unter
günstigsten topografischen Bedingun
gen und nur bei verdichteter Bauweise
einhaltbar seien.
Subventionen für verdichtete
Bauten streichen?
«Es muss doch das Ansinnen aller sein,
Boden zu sparen», bemerkte Martin Jeh
le. Im alten Gesetz werden Subventionen,
für verdichtetes Bauen gesprochen.
Gemäss der neuen Gesetzgebung sollen
diese Förderungsbeiträge wegfallen, weil
«sie keine raumplanerische Wirkung er
zielen», betonte Lorenz Heeb.
Kontrovers bis zum Schluss
Aus der Diskussion gingen weder
Gewinner noch Verlierer hervor. Das
Thema «Wohnbauförderung» wurde
ernst, sachlich und frei von Emotionen
erläutert. Die Fronten sind auch nach
der Fernsehsendung klar. Befürworter
des neuen Gesetzes können die Argu
mentationen der Referendumswerber
weiterhin nicht verstehen. Aber auch
das Referendumskomitee wird in der
kommenden Woche alles daran setzen,
dass das neue Gesetz zur Förderung
des preiswerten Wohnungsbaues nicht
in Kraft gesetzt wird.
Einigkeit herrschte nur in einem einzi
gen Punkt: Möglichst viele Stimmbürger
sollen ihre Meinung an der Urne kundtun.
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Mario Frick: Sagen
Sie «Ja»
Auszug aus der Ansprache des Regierungschefs
Liebe Liechtensteinerinnen,
liebe Liechtensteiner,
Landtag und Regierung sprechen sich
für die Annahme des Gesetzes über
die Förderung des preiswerten Wohn
baues aus. Das neue Gesetz setzt ge
genüber heute viele positive Akzente
und merzt die Schwächen des heutigen
Gesetzes aus. Mit dem neuen Gesetz
- und dies ist aus meiner Sicht einer der
zentralen Punkte - wird der Verschul
dung und Überschuldung der im Rah
men des privaten Wohnungsbaues ge
förderten Personen entgegengewirkt.
Auch in Zukunft wird grosszügig ge
fördert werden. Mit klaren Vorgaben
kann erreicht werden, dass in guter
Qualität und preiswert gebaut wird.
Familien mit Kindern erhalten zu den
zinslosen Darlehen gegenüber heule
deutlich erhöhte Subventionen. Das
neue Gesetz ist liberaler und ohne
Zweifel klarer ais das heute geltende
Gesetz. Es nützte den Geförderten
und dem Baugewerbe.
Gestatten Sie mir, dass ich auf zwei
Punkte etwas vertieft eingehe, weil mir
diese als sehr zentral erscheinen:
1. Ein zentrales Ziel des neuen Ge
setzes ist die Reduktion der Verschul
dung der Darlehensnehmer im Rah
men des privaten Wohnungsbaues. Die
Wohnbelastungen für die Darlehens
nehmer haben in den vergangenen
Jahren zum Teil untragbare Ausmasse
angenommen. Anfangs der 90er Jahre
wendeten die geförderten Personen
durchschnittlich mehr als 55 % ihres
Einkommens für die Wohnung bzw. für
das Haus auf. Dies ist eindeutig zu viel.
Das neue Gesetz zur Förderung des
preiswerten Wohnungsbaues will die
ser Entwicklung entgegensteuern. Der
Hypothekarzinssatz ist nach wie vor
niedrig. Dennoch mussten im Jahre
1997 rund 130 Stundungen und Sistie
rungen von Darlehensrückzahlungen
bewilligt werden. Was passiert, wenn
der Hypothekarzinssatz steigt? In der
Vergangenheit wurde offenbar zu teu
er gebaut. Mit dem neuen Gesetz soll
ein qualitativ guter und angemessener
Ausbaustandart gefördert werden. Lu
xuriöse und zu teure Bauten sollten
hingegen in Zukunft nicht mehr geför
dert werden. Dies allein deshalb, um
die Wohnbelastungen für die Förde-
rungsnehmer in Grenzen zu halten.
2. Im Zentrum der Diskussion zum
Gesetz stehen insbesondere auch die
Anlagekosten. Wie teuer darf ein Haus
sein? Vom Referendumskomitee wird
argumentiert, die vorgeschlagenen
Anlagekosten seien zu tief und unrea
listisch. Dies stimmt nicht. Die Land-
tagskomission und die Regierung ha
ben mit Fachleuten geredet. Diese hal
ten die im Gesetz angeführten Zahlen
für realistisch. Für spezielle Baulagen
wie imTriesenberg wird die Regierung
die Anlagekosten erhöhen.
In der benachbarten Schweiz wer
den entsprechende Wohnbauten zum
Teil deutlich kostengünstiger erstellt
als in unserem Land. Dies ist nicht nur
eine Frage der Baukosten, sondern
weitestgehend eine Frage des Ausbau
standards. Abschliessend ersuche ich
Sie, liebe Liechtensteiner und Wähler
im Namen der Regierung, an der
Volksabstimmung vom 25. und 27. Fe
bruar 2000 teilzunehmen. Ich ersuche
insbesondere auch die 18- und 19-
jährigen Liechtensteinerinnen und
Liechtensteiner, die seit dem 11. Fe
bruar dieses Jahres das Stimm- und
Wahlrecht haben, von ihrem neuen
Recht Gebrauch zu machen. Ich ersu
che alle, ein Ja in die Urne zu legen.
h
Franz Schädler: Sagen
Sie «Nein»
Auszug aus der Ansprache der Referendumswerber
Werte Mitbürgerinnen
und Mitbürger,
Das ursprüngliche Eigenheimgesetz
zielte darauf ab, einer möglichst gros
sen Anzahl von Personen zum Besitze
von Eigentum zu verhelfen. Aufgrund
der Verknappung des Baugrundes und
der steigenden Boüenpreise wurden im
Laufe der vergangenen Jahre die För-
derungsmassnahmen vermehrt in
Richtung verdichtete Überbauung aus
geweitet. Das nun vom Landtag im Ok
tober 1999 beschlossene Gesetz über
die Förderung des preiswerten Woh
nungsbaues, über das wir am 25. und 27.
Februar 2000 abstimmen, hat nach
Meinung des Referendumskomitees,
nebst einigen guten /Ansätzen doch so
gravierende Mängel, pass es nach unse
rer Meinung abgelehnt werden muss.
Diese Meinung wird zwischenzeitlich
vom Gewerbe sowie yon vielen Privat
personen aller Altersstufen, Berufsgat
tungen sowie diverser Parteizugehörig
keiten auf breiter Basis geteilt. Die po
sitiven Punkte dieses|Gesetzes sind si
cherlich die sozialen ^spekte, welche
im preiswerten gemeinnützigen Woh
nungsbau vorgesehensind.
Dieser Teil des Gesetzes ist aber
nichts Neues, da diese Möglichkeiten
schon seit 197^ im 'Wohnbauförde
rungsgesetz verankert sind, aber bis
heute unseres Wissens noch nie ange
wendet wurden.
Nachfolgende Fakten sprechen
ganz klar gegen das neue Gesetz.
• Abschaffung der Subvention für
verdichtete Bauweise? bis heute 8 %
der Anlagekosten, ca. ^r- 40 000
• Reduzierung des zinslosen Darle
hens, durchschnittlich Fr. 30 000
• Annahme von unrealistischen Anla
gekosten
i,
• Die Anlagekosten müssen an den
Baukostenindex gebunden werden
• Ebene Baugrundstücke und
Hanglagen bzw. erschwerte Baube
dingungen werden zu wenig differen
ziert bewertet
• Nachteile in der Finanzierung: Bau
willige mit eigenem Grundstück erhal
ten erschwerte Bedingungen und für
solche ohne eigenen Baugrund kommt
ein Kauf aufgrund der notwendigen Ei
genmittel kaum mehr in Frage
• Mit dem neuen Gesetz verfehlt der
Gesetzgeber sein Ziel, dass die Ver
schuldung der Eigenheimbezüger klei
ner wird; aufgrund weniger Förde
rungsmittel wird die Verschuldung
grösser
Die bisherigen Bezüger von Wohn-
bauförderungsdarlehen und allfälli
ger Subventionen sind mit der Wohn
bauförderung meistens gut gefahren.
So konnten viele Familien unseres
Landes keine Luxusbauten, aber qua
litativ gute Wohnhäuser ersteilen
oder Eigentumswohnungen kaufen.
Zwischen 11 und 12 % aller Be
schäftigten sind in der Bauwirtschaft
tätig. Die im neuen Gesetz vorgesehe
nen Kostenreduktionen und die damit
verbundenen Qualitätseinbussen
werden sich in Zukunft negativ auf
das Gewerbe auswirken. Alle diese
negativen Aspekte des neuen Geset
zes führen nach Ansicht des Referen
dumskomitees zu erschwerten Bedin
gungen, um in Zukunft Wohnbauför
derung zu erlangen. Aufgrund der an
geführten Überlegungen und im Hin
blick auf einer auch in Zukunft liech
tensteinischen Wohnbauförderung
empfehlen wir Ablehnung des neuen
Wohnbauförderungsgesetzes.
Das Referendumskomitee empfiehlt
daher, ein Nein in die Urne zu legen.
■ I.