Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Grundrecktsschrankert aa) Die polizeiliche Generalklausel als Eingriffsgrundlage In seinem Urteil vom 6.5.1987 hat der StGH die Auffassung vertreten, unter bestimmten Voraussetzungen und aufgrund konkreter Fälle sei ein Grundrechtseingriff auch ohne formelle gesetzliche Grundlage möglich, "wenn sich der Eingriff zum Schutz von Polizeigütern dringend auf­ drängt". In solchen Konstellationen ersetze die polizeiliche Generalklau­ sel, die ihrerseits gemäss Art. 14 der Verfassung gelte, die formelle gesetzliche Grundlage.310 Diese Entscheidung findet ihre Parallele in der Judikatur des schwei­ zerischen Bundesgerichts.3" Dabei wird jedoch der Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel in der jüngeren Rechtsprechung auf sol­ che Fälle beschränkt,'in denen die abzuwendende Gefahr für die öffent­ liche Ordnung unmittelbar, direkt und schwerwiegend ist sowie funda­ mentale Rechtsgüter (wie Leib, Leben, Gesundheit) betrifft.312 Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat es in ihrem Entscheid zu einem generellen Versammlungsverbot offen gelassen, ob. die polizei­ liche Generalklausel als ungeschriebener Rechtsgrundsatz den Anforde­ rungen von Art. 11 Abs. 2 EMRK genüge; nach Auffassung der Kom­ mission fand das Vorgehen der Berner Regierung jedenfalls eine genü­ gende Grundlage in der Kantonsverfassung.313 Die Rechtsprechung sowohl des schweizerischen Bundesgerichts als auch des liechtensteinischen Staatsgerichtshofs begegnet indes Beden­ ken.314 Die Anerkennung der polizeilichen Generalklausel als grund­ rechtsverkürzende Eingriffsbefugnisnorm • relativiert in unzulässiger Weise die autonomiewahrende Funktion der grundrechtlichen Gesetzes­ vorbehalte. Das zitierte Urteil des StGH vom 6. Mai 19873'5 ist im übri­ gen auch kaum vereinbar mit der einen Tag zuvor (!) gefällten Entschei­ dung zum Verhältnis von Staatsaufgabennormen und .grundrechtsge­ währleisteten Freiheitspositionen.316 StGH 1986/11 - Urteil vom 6. Mai 1987, LES 1988, 45 (48). J" S. z.B. BGE 67 1 74 ff.; 80 I 350 ff. 3,1 S. BGE 103 la 310 ff. 3,1 S. dazu EuGRZ 1980, 37; zum Problem vgl. auch J. P. Müller, Elemente, S. 109 f. 314 Kritisch zur bundesgerichtlichen "Grosszügigkeit" auch Saladm, Grundrechte im Wan­ del, S. 246 f. StGH 1986/11, LES 1988, 45 (48). 1,6 S. StGH 1985/11 - nicht veröffentlichtes Urteil vom 5. Mai 1987, S. 7; s. hierzu auch schon oben S. 93. 95
	        

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