Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Staatsgerichtshof als "Hüter der Grundrechte" nur ausgeräumt werden durch eine Erweiterung der Kompetenzzuwei­ sung in Art. 104 Abs. 1 LV. 2. Selbstverständnis Nicht allein die ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen bestimmen Sta­ tus und Funktion eines Verfassungsgerichts. Auch das richterliche Selbstverständnis entscheidet über die reale Position im staatlichen und gesellschaftlichen Machtgefüge.86 Versucht man, die Selbsteinschätzung des Staatsgerichtshofs zu seiner Rolle im Gefüge der Staatsfunktionen87 kurz zu skizzieren, so wird man dem liechtensteinischen Verfassungsge­ richt in der Tendenz eine eher zurückhaltende Rollenzuschreibung atte­ stieren können. Dieses Bild vermitteln sowohl die wenigen Stellungnah­ men des Staatsgerichtshofs zu seiner Funktion als auch - implizit - die Grundrechtsjudikatur in ihrer Gesamtheit. Zwar versteht sich der Staats­ gerichtshof ausdrücklich als "Hüter der Verfassung".88 Er hält es dem­ entsprechend für angebracht, wichtige legislatorische Reformprojekte auch dann ausführlich und kritisch zu kommentieren, wenn er der ein­ gelegten Verfassungsbeschwerde von vornherein die Berechtigung abspricht.89 Hier wird deutlich, dass der Staatsgerichtshof mit seinen Entscheidungen gelegentlich durchaus dezidiert eine Klärungsfunktion zur Geltung bringen will. Auf der gleichen Linie liegt es, wenn das Gericht sich die Möglichkeit der inhaltlichen Stellungnahme durch eine grosszügige Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eröffnet.90 Auf der anderen Seite sieht sich der Staatsgerichtshof indes auch als Hüter der Verfassung eingebunden "in die im positiven Recht veranker­ 86 Instruktiv zu den faktischen Wirkungen, die von Institution und Spruchpraxis eines Ver­ fassungsgerichts ausgehen, Eberhard Luetjohann, Nicht-normative Wirkungen des Bun­ desverfassungsgerichts, 1991. 87 Dazu s. vor allem die Berichte von Karl Korinek, Jörg Paul Müller und Klaus Schiaich: Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, WDStRL 39 (1981), 7 ff., 53 ff. und 99 ff.; zum Problemkreis s. ferner die VII. Konferenz der europäischen Verfassungsgerichte zum Thema "Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staat­ lichen Funktionen" und die dazu gehaltenen Landesberichte, vor allem Peter Oberndor­ fer, EuGRZ 1988, 193 ff. (Landesbericht Österreich); Wolfgang Zeidler, EuGRZ 1988, 207 ff. (Landesbericht Bundesrepublik Deutschland); Peter Alexander Müller, EuGRZ 1988, 218 ff. (Landesbericht Schweiz); Josef Kühne, EuGRZ 1988,230 ff. (Landesbericht Liechtenstein); Jose Manuel Cardoso da Costa, EuGRZ 1988, 236 ff. (Generalbericht). 88 So StGH 1982/65/V - Urteil vom 15. September 1983, LES 1984, 3 ff. (3). •* S. StGH 1990/15-Urteil vom 2. Mai 1991, LES 1991, 77 (78 ff.). «° Beispielhaft StGH 1990/16 - Urteil vom 2. Mai 1991, LES 1991, 81 (82). 36
	        

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