Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Bestand an Grundrechten Die Frage ist von praktischer Bedeutung im Blick auf späteres (jünge­ res) konventionswidriges Recht. Auch wenn ein Teil der sich insoweit ergebenden Konfliktfälle im Wege einer harmonisierenden, völkerrechts­ freundlichen Auslegung gelöst zu werden vermag,44 muss doch auch der "Ernstfall" bedacht werden. Wegen der besonderen völkerrechtlichen Qualität der EMRK wird man im Ergebnis - trotz ihres grundsätzlich lediglich einfachrechtlichen Ranges innerhalb der liechtensteinischen Rechtsordnung - davon ausgehen müssen, dass ein späteres Gesetz die EMRK nicht wird derogieren können.45 c) Die liechtensteinischen Vorbehalte Liechtenstein ist neben Portugal derjenige Mitgliedstaat, der die meisten Vorbehalte zur EMRK formuliert hat. Diese nach Massgabe von Art. 64 EMRK erklärten Vorbehalte46 betreffen Art. 2 (Notwehr), Art. 6 (Öffentlichkeit des Verfahrens und der Urteilsverkündung) sowie - gleich in dreifacher Hinsicht - Art. 8 (Homosexualität, Stellung der nichtehelichen Kinder und Familiennachzug). Insoweit ist die EMRK weder völkerrechtlich bindend noch geltendes nationales Recht.47 Diese Praxis ist zwar als "ganz besonders fragwürdig" kritisiert wor­ den,48 dürfte aber keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begeg­ nen.49 Die verbindliche Entscheidung hierüber treffen allerdings die EMRK-Organe.50 Im übrigen bleibt anzumerken, dass das Fürstentum Liechtenstein seit der Ratifikation der EMRK im Jahre 1982 seine Rechtsordnung in zahlreichen Bereichen dem EMRK-Standard ange- passt hat. Deshalb - so forderte mit Nachdruck schon Vorjahren 
G. Bat- liner - könnte ein Grossteil der Vorbehalte zurückgenommen und auch einige der Zusatzprotokolle zur EMRK ratifiziert werden.51 Nach Mit­ 44 Vgl. etwa BGE 94 I 678. 45 So für die Rechtslage der Bundesrepublik Deutschland etwa Stern, Staatsrecht III/l, S. 278 m.w.N.; für Ubergesetzesrang plädieren Wille/Beck, in: LPS 10 (1984), 227 (247 f.); eher für Verfassungsrang wohl G. Batliner, in: LPS 14 (1990), 91 (150). 44 S. LGBI. 1986 Nr. 60; ferner Bericht der Regierung, Anhang I. 47 S. auch G. Batliner, in: LPS 14 (1990), 91 (150 f.). So Jochen A. Frowein, in: Frowein/Peukert, Kommentar zur EMRK, Einleitung Rn. 487 f. 49 Dazu Claudia Westerdiek, Die Vorbehalte Liechtensteins zur Europäischen Menschen­ rechtskonvention, EuGRZ 1983, 549 ff. » S. Urteil Belios, GH 132, 24 (§ 50). 51 S. G. Batliner, aaO, S. 153. 28
	        

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