Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Gemeindeautonomie H. Gemeindeautonomie: Art. 110 LV Während § 22 der Verfassung von 1862 - entsprechend der Konzeption der Paulskirchenverfassung (§§ 184 f.) die kommunale Selbstverwal­ tung in den Abschnitt über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Landesangehörigen integrierte, vollzog die Verfassung von 1921 insoweit eine Trennung.2 Sie widmet dem Gemeindewesen ein eigenes, nämlich das VIII. Hauptstück (Art. 110,110 bis LV), welches systematisch an das Hauptstück "Von den Behörden" anknüpft. Damit erfolgte eine deutli­ che Separierung gegenüber dem IV. Hauptstück über die Grundrechte. Dessen ungeachtet hat der Staatsgerichtshof in einer grundlegenden Ent­ scheidung3 aus dem Jahre 1986 "die Gemeindeautonomie in ihrem Kern gewissermassen aus der objektiven Verfassungsstellung in die Position eines subjektiven, verfassungsmässig gewährleisteten Rechtes gehoben".4 Der Terminus "verfassungsmässig gewährleistete Rechte" sei bewusst so flexibel gehalten, "dass sich eine Auslegung aufdrängt, die es gestattet, allen wesentlichen Schutzbedürfnissen von Verfassungswesentlichkeit gerecht zu werden. Die Verfassung misst den Gemeinden offenkundig eine wesentliche Bedeutung zu. Ist dem aber so, so erscheint es als rich­ tig, den Gemeinden (zum) Schutz ihrer Autonomie dort die Legitima­ tion zur Verfassungsbeschwerde zuzugestehen, wo sie in verfassungs­ rechtlich gewollten und geschützten Selbstverwaltungsrechten betroffen ist". Für die Richtigkeit dieser Auslegung spreche - so der Staatsge­ richtshof - auch die seit Jahrzehnten feststehende Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts.5 Indes ist der Grundrechtsstatus der Gemeinden, denen im übrigen auch eine Reihe politischer Rechte zusteht,6 durchaus prekär. Dies resul- * Dazu s. auch Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985, S. 169 ff., 433 ff. ^ S. auch G. Batliner, LPS 14 (1990), 91 (123 Fn. 65). 3 Als fundamental bezeichnet sie auch v. Neil, Die politischen Gemeinden im Fümrnium Liechtenstein, S. 217. 4 So G. Batliner, aaO, S. 123. s So SrGH 1984/14 - Urteil vom 28. Mai 1986, LES 1987,36 (38). - Vgl. aber auch die ver­ breitete andersartige Einschätzung von Art. 28 Abs. 2 GG in der Bundesrepublik Deutschland: Auch wenn der subjektiv-rechtliche Charakter der kommunalen Selbst­ verwaltungsgarantie wohl überwiegend anerkannt wird und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG das Institut der kommunalen Verfassungsbeschwerde gewährleistet, wird. doch der Grundrechtscharakter der Norm von zahlreichen gewichtigen Stimmen bestritten; s. mit Nachweisen Sachs, in: Stern, Staatsrecht II1/1, S. 384 f. 4 Vgl. dazu M. Batliner, Volksrechte, S. 193-195. 251
	        

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