Volltext: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung

Die Vereins- und Versammlungsfreiheit sen auch die Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber53 zur kollektiven Interessenwahrnehmung. Die Koalitionsfreiheit ist insoweit eine spezifische Erscheinungsform der Vereinsfreiheit.54 Die durch Art. 41 LV geschützten Tätigkeiten sind die Bildung, das Aufrechterhalten, der Beitritt55 bzw. Austritt, die Selbstauflösung und die vereinsspezifische Betätigung.56 Mit anderen Worten: Geschützt sind die individuellen und kollektiven Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gründung, der Sicherung der Existenz- und Funktionsfähigkeit, der organisatorischen Selbstbestimmung sowie dem Verfahren der Willens­ und Entscheidungsbildung.57 Nicht geschützt werden dagegen Tätigkei­ ten eines Vereins, die keinen spezifischen Bezug zur vereinsmässigen Struktur haben und von jedermann vorgenommen werden können. In diesem Fall sind die einschlägigen Individualgrundrechte die richtigen Massstabsnormen. Die Vereinsfreiheit vermittelt nämlich bei einem gemeinschaftlich verfolgten Zweck keinen grösseren Schutz als die Grundrechte einem individuell verfolgten Zweck bieten.58 Das ent­ spricht auch der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs, wonach die Mitgliedschaft in einer Vereinigung "keine weitergehenden Ansprüche" begründet als das primär einschlägige Grundrecht selbst: "Könnte in der Gewerbetätigkeit sowohl die Handels- und Gewerbefreiheit als auch ein besonderer und zusätzlicher Schutz aus der Vereinsfreiheit geltend gemacht werden, würde dies zum Ergebnis führen, dass die gewerbetrei­ bende Vereinigung in ihrer Gewerbetätigkeit einen weitergehenden Schutz gemessen würde als ein einzelner Gewerbetreibender. Dies wäre " An. 11 Abs. 1 EMRK erwähnt explizit nur das Recht, Gewerkschaften zu bilden. * So auch Klaus A. Vallender/Markus Joos, Wirtschaftsfreiheil und begrenzte Staatsver- ancwortung, 2. Aufl. 1991, S. 95; J. P. Müller, Grundrechte, S. 176. 55 Dazu s. auch StGH 1981/9 - Gutachten vom 28. August 1981, LES 1982,119 (121): 'Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 des Industriekammergesetzes, wonach im Streitfall die Regierung über die Frage entscheidet, ob ein Betrieb zur Aufnahme in die Industrie- kammer zugelassen werden kann oder nicht, kann dann noch als nicht im Widerspruch zu der in Art. 41 der Verfassung gewährleisteten Vereinsfreiheit stehend betrachtet wer­ den, wenn sie bei möglichst verfassungskonformer Auslegung sich nur auf die Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft zur Gewerbegenossenschaft bezieht und nicht auf die Mitgliedschaft zur Industriekammer". 56 Dazu mit rechtsvergleichenden Hinweisen Günther Winkler/Bernhard Raschauer, Die Pflichtmitgliedschaft zur Gewerbe- und Wirtschaftskammer im Fürstentum Liechten­ stein, LJZ 1991, 119(128). " Vgl. BVerfGE 50, 290 (354); 80, 244 (253); zu Art. 12 StGG und dessen Schutz s. etwas Heinz Tichy, Die Vereinsfreiheil in Österreich, EuGRZ 1984, 57 (65 ff.). 58 S. auch BVerfGE 30, 227 (243); femer etwa Merten, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, $ 144 Rn. 50. 141
	        

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