Kat. Nr. 58 und Kat. Nr. 59
MASSIMILIANO SOLDANI BENZI
(1656-1740)
Nach der Antike
BÜSTE DER FAUSTINA D.J. (Florenz, 1695)
Bronze, rotgoldene Lackpatina
Aöhe 58 cm (mit Sockel)
Auf der bronzenen Kartusche am Sockel die Inschrift: FAVSTINA. IVN
nv. Nr. S 529
Erworben: 1695 nach Auftrag durch
Fürst Johann Adam Andreas I. vom Künstler
BUSTE DES HADRIAN (Florenz, 1695)
Bronze, rotgoldene Lackpatina
Höhe 67,5 cm (mit Sockel)
Auf der bronzenen Kartusche am Sockel die Inschrift: HADRIANVS
iny. Nr. S 571
Erworben: 1695 nach Auftrag durch
Fürst Johann Adam Andreas I. vom Künstler
Den umfangreichsten Komplex innerhalb der liechtensteini-
schen Bronzensammlung bildet das unvergleichliche Ensemble
von Werken Massimiliano Soldanis. Nirgendwo sonst läßt sich
das Schaffen dieses wohl bedeutendsten Florentiner Bronze-
bildners des Barock besser studieren als in der Sammlung
Liechtenstein: Das Spektrum der hier versammelten Arbeiten
reicht von Kopien antiker Bildwerke — Statuen, Statuetten,
Büsten — über Kopien nach Michelangelo, Giambologna und
Bernini bis hin zu eigenen Inventionen, wie der virtuosen
Reliefdarstellung des Bacchanals (Kat. Nr. 61). Zugleich doku-
mentieren Soldanis Arbeiten ein Kapitel liechtensteinischer
Sammlungsgeschichte, das engstens mit der Persönlichkeit des
Fürsten Johann Adam Andreas I. (1657-1712) verbunden ist.
Über einen Zeitraum von vierzehn Jahren erstreckt sich der zum
großen Teil erhaltene, umfangreiche Schriftwechsel zwischen
dem Fürsten und dem Florentiner Bronzekünstler. Er bietet Ein-
blick in das spannungsvolle Verhältnis zwischen Mäzen und
Künstler in der Zeit um 1700.
Fürst Johann Adam hatte als junger Mann eine standesübliche
Kavalierstour nach Italien unternommen und so offenbar auch
Gefallen an repräsentativen Bronzearbeiten gefunden, die er zur
Ausstattung seines Wiener Stadtpalais’ benötigte, wo sie mit
den ebenfalls mit großem Eifer gesammelten Gemälden deko-
:ative Ensembles bilden sollten. Bei der Auswahl bzw. Festle-
zung der Themen konnte sich Johann Adam auf Aufzeichnun-
gen seines Vaters, Fürst Karl Eusebius, beziehen. Dieser hatte in
seinen letzten Lebensjahren ein Traktat, «Werk von der Archi-
t(ektur», zur Anleitung für seine Nachkommen verfaßt. Karl
Eusebius, der den Kernbestand der liechtensteinischen Bron-
zensammlung, vor allem den erstrangigen Giambologna-Susini-
Komplex, zusammengetragen hatte, war im Alter von der Vor-
bildhaftigkeit der antiken Skulptur zutiefst überzeugt. Allein die
Bildhauerei der «Kriechen» habe «in der Skulptur alle iber-
trofen» und sei demzufolge als mustergültig anzusehen. Zeit-
genössische Bildhauer waren diesem Ideal nach seiner Meinung
nicht gewachsen, so daß die erhaltenen Meisterwerke der
Antike zur Richtschnur erhoben wurden. So wünschte er
Abgüsse in Bronze, da dieses Material sich für detailgenaue
Durchbildung besonders eigne: «Dieweilen aber wier die
Antiquen... nicht haben konnen... so kan man nehmen Abgus
von dehnen Antiquiteten und uhralten von Rom und anderst
woher, solche stukweis im Gibs abwerfen... Diesen Abgussen
mues und sol man nacharbeiten und metallene giessen lassen, so
das Allervornehmste wehre...». Ein geschickter Künstler wäre
durchaus in der Lage, eine Antike dermaßen genau nachzubil-
den, daß ein Abguß dem «Original selbsten in allem aufs ahn-
lichste bis aufs geringst Harl» entspreche. Solche Bronzekopien
sollten Karl Eusebius zufolge den Kernbestand einer fürstlichen
Galerie bilden. Vom zeitgenössischen Maler hingegen forderte
ar eigenständige Leistungen. Fürst Johann Adam setzte das Pro-
gramm seines Vaters in die Tat um. In Massimiliano Soldani
fand er den geeigneten Fachmann für kongeniale Nachbildun-
zen repräsentativer antiker Skulptur.
Massimiliano Soldani Benzi, 1656 in Montevarchi geboren,
ıernte während seiner römischen Studienzeit bei Ciro Ferri und
Ircole Ferrata die erste Generation hochbarocker Bildhauer
xennen. Zu dem Rom-Aufenthalt hatte ihm ein Stipendium des
Großherzogs Cosimo II. de’ Medici verholfen. Von Pietro Tra-
vani erlernte er die Kunst des Münzschneidens. 1682 schickte
hn sein Landesherr zur Weiterbildung nach Paris. Nach seiner
Rückkehr nach Florenz leitete er vierzig Jahre lang die groß-
ıerzogliche Münze. Im Unterschied zu seinem gleichaltrigen
Kollegen Giovanni Battista Foggini, der als Hofbildhauer der
Medici vor allem in der Marmorskulptur brillierte, konzentrierte
jich Soldani ganz auf die Bronzeplastik.
5oldanis erste Arbeit für Johann Adam bestand nicht in einer
Antikenkopie, sondern betraf eines der wichtigsten Ensembles
der italienischen Renaissanceplastik, Michelangelos Skulpturen
von der Cappella Medici von S. Lorenzo in Florenz. Der Fürst
natte sie während seiner Italienreise bewundern können und
wünschte Abgüsse der Köpfe der «Tageszeiten» an den Gräbern
LOFreNZOS und Giulianos. Soldani verwies in seinem Antwort-
brief vom 11. Dezember 1694 auf gewisse Schwierigkeiten: So
;eien die Köpfe der Liegefiguren zu stark geneigt und würden
sich daher nicht für eine isolierte Ausstellung auf Postamenten
zignen. Knapp ein Jahrzehnt später, nachdem der Fürst seinen
Wunsch mehrfach wiederholt hatte, bot ihm Soldani — freilich
vergebens — an, Abgüsse der gesamten Figuren vorzunehmen,
nit dem Hinweis, daß sie sich als Schmuck für Galerien, Por-
:ale oder Kamine eignen würden. Als Alternative für die Teilre-
aliken hatte Soldani dem Fürsten Abgüsse nach berühmten anti-
gen Bildnisköpfen vorgeschlagen, die in der Galerie des
Großherzogs aufbewahrt waren. Diese Werke, «cose nobilis-
3ime», seien bislang noch nie in Bronze kopiert worden und «di
vera maniera greca» gearbeitet. Fürst Johann Adam ging auf
liesen Vorschlag ein und bestellte als erstes zwei «teste di fem-
mine», es folgten dann Bildnisse römischer Imperatoren und
Philosophen, die nach den Worten Soldanis natürlich alle von
«straordinaria bellezza» waren. Knapp ein Jahr später, im
November 1695, wurden dann acht Bronzebüsten nach Wien
gesandt. Die Bildnisse auf Sockeln aus farbigem Marmor wei-