Kat. Nr. 50
Nach GIAMBOLOGNA (1529-1608)
«+HERKULES UND ANTÄUS»
(Florenz, Modell nach 1578)
Guß: Werkstatt von Gianfrancesco Susini
Bronze, braune Patina mit rotgoldener Patina
Höhe 40,2 cm
Inv. Nr. S 559
Erworben: vor 1658 vermutlich durch Fürst Karl Eusebius
Der nackte Heros Herkules steht breitbeinig auf der Sockel-
platte, er faßt seinen ebenfalls unbekleideten Gegner Antäus
um die Hüften und hält ihn in die Höhe, während sich dieser
mit der Rechten von der Umklammerung zu befreien versucht
und sich mit der Linken auf das Haupt des Herkules stützt. Der
Kopf des Antäus ist mit schmerzhaft aufgerissenem Mund
nach hinten geworfen,
Das dargestellte Thema gehört nicht zu den zwölf kanonischen
Arbeiten des Herkules; es handelt sich statt dessen um ein Neben-
zreignis, das sich allerdings in besonderem Maße für eine pla-
stische Darstellung eignete. Als Herkules auf dem Weg zu
Geryon in Libyen gelandet war, rang er mit dem Riesen Antäus,
der immer wieder neue Kräfte erhielt, sobald er den Erdboden
aerührte, da er ein Sohn der Gäa — der Erde — war. Die Bronze-
gruppe illustriert den Moment, in dem das bevorstehende
Schicksal des Antäus, der Tod durch Erdrücken, sich schon
abzeichnet.
Die Bronzegruppe läßt sich bereits im liechtensteinischen
Sammlungsinventar von 1658 nachweisen: «Item ein Mann, der
ein andern Mann in die Höch auf der Brust hat, undt ihm zu todt
drukhet.» Sie geht auf ein berühmtes Vorbild Giambolognas
zurück, das 1578 entstand. Giambologna hatte von Francesco I.
de’ Medici den Auftrag für sechs Herkules-Darstellungen erhal-
ten, zu denen auch die Herkules-Antäus-Gruppe gehörte. Die
Figuren wurden in Silber ausgeführt und in der Tribuna der
Uffizien aufgestellt. Diese Exemplare sind nicht erhalten, im
Gegensatz zu Bronzegüssen, die nach den gleichen Modellen
entstanden. Eine vorzügliche Bronze der Herkules-Antäus-
Gruppe läßt sich bereits zu Lebzeiten Giambolognas in der
Kunstkammer Rudolfs II. nachweisen (Kunsthistorisches
Museum, Wien).
Güsse nach Giambolognas Modell wurden von Antonio und
Gianfrancesco Susini, aber auch noch in späterer Zeit ausge-
führt. Wie die Nessus-Dejanira-Gruppe (Kat. Nr. 49) dürfte auch
die in ihrer Ausarbeitung sehr ähnliche Herkules-Antäus-
Gruppe in der Werkstatt von Gianfrancesco Susini entstanden
sein. Die bis in das kleinste Detail berechnete, spannungsvolle
Komposition, die das Wiener Exemplar charakterisiert, wird bei
der liechtensteinischen Replik allerdings weniger deutlich.
Im Werk Giambolognas nimmt die Herkules-Antäus-Gruppe
sine zentrale Rolle ein, da der Künstler hier wohl zum ersten
Mal die Verbindung einer tragenden mit einer in die Höhe
gestemmten Figur bildnerisch formuliert hat, ein Motiv, das
wenig später in den Gruppen des Sabinerinnenraubes kulminie-
ren sollte (siehe Kat. Nr. 51). In schwung voller, raumgreifender
Bewegung wird Antäus von seinem Bezwinger regelrecht in die
Luft geschleudert, wobei sich der Heros in kraftvoll sicherer
Eleganz auf dem Boden bewegt.
Herkules-Antäus-Darstellungen waren ein bevorzugtes Thema
der florentinischen Renaissance-Plastik. Giambolognas Bron-
zegruppe entstand insofern in indirektem Wettbewerb mit frühe-
ven Skulpturen. Während das ausgreifende Standmotiv des Her-
kules sich wahrscheinlich auf eine antike Herkules-Antäus-
Gruppe im Palazzo Pitti in Florenz zurückführen läßt, erinnert
die Antäus-Figur an Renaissancebildwerke: Antonio Pollaiuo-
los berühmte Kleinbronze aus dem späten 15. Jahrhundert, die
sich im Besitz der Medici befand (Bargello, Florenz), und auch
an Bartolommeo Ammanatis monumentale Bronzegruppe, die
1559—60 für den Brunnen der Medici-Villa in Castello geschaf-
(en worden war. Letztere stimmt in ihrem Aufbau beinahe spie-
zelbildlich mit Giambolognas Gruppe überein, doch wird sie
von diesem kleinplastischen Werk in der dynamischen Bewe-
zung übertroffen. V.K
Ausstellungen und Literatur: Seite 158