Kat. Nr. 43
POMPEO G.BATONI (1708-1787)
«VENUS ZEIGT AENEAS DIE WAFFEN
DES VULKAN» (1748)
Leinwand; 98,7 X 73,5 cm
Inv. Nr. G 163
Monogrammiert und datiert: P.B. 1748. (rechts unten)
Erworben: durch Fürst Joseph Wenzel
Das Pendant zum Herkulesbild (siehe Kat. Nr. 42), «Venus zeigt
Aeneas die Waffen des Vulkan», zeigt anstatt des Rosen-
symboles Venus selbst im Kompositionszentrum: Gleichen
Formates und ähnlichen Aufbaus aus Vorder-, Mittel- und Hin-
tergrund, eröffnet sich schon dem ersten Blick die Zusammen-
gehörigkeit der beiden Gemälde. Die Hauptfiguren sind jeweils
in gleichsam natürliche Nischen aus Felsen, Strauchwerk und
Bäumen gesetzt. Landschaftsraum ist dahinter angedeutet,
wovon ein Drittel der Bildfläche dem Himmel vorbehalten
bleibt. Die verschiedenen Wolkenformationen bei ähnlicher Licht-
stimmung sind kompositionsbedingt, bzw. von der Vorlage des
Vergiltextes abhängig. Doch bewegender noch als die Gleich-
heiten, zu denen auch die Wiederkehr der gerüsteten, blau-
gewandeten Gestalt und die Putten gehören, sind jene Unter-
schiede, die über formale Entsprechungen die Spannung im
Pendantverhältnis begründen. So tritt der männlichen dunklen
Figur des Herkulesbildes nun fast als Gegensatz das Komple-
ment entgegen. Venus, hell leuchtend, offenbart sich auch in der
Bildmitte, ebenfalls frontalansichtig, von ganz ähnlicher Drape-
rie bedeckt und in einem verwandten Sitz- bzw. Thronmotiv.
Sie bietet, dem achten Gesang der Aeneis des Vergil (Vers
508-730) zufolge, ihrem sterblichen Sohn Aeneas die von
Vulkan geschmiedeten Waffen, um ihm auf diese Weise in der
bevorstehenden entscheidenden Schlacht gegen Mezzentius,
seinem grimmigsten Gegner, beistehen zu können. Ganz ähnlich
wie schon in der Herkulesdarstellung erweist sich auch hier
Batonis genaue literarische Kenntnis des Mythos. Er folgt in
allen Einzelheiten dem Text und übertrifft in der Darstellung der
göttlichen Erscheinung — «Venus jedoch zwischen Himmelsge-
wölk stand strahlend als Göttin/Da mit den Gaben...» — und in
der detailreichen Gestaltung des Schildes, der dem Aeneas wie
in einem Spiegel die zukünftige Geschichte des römischen
Volkes aufleuchten läßt, bei weitem den Stich Pietro Testas, der
ihm, wie die grundsätzliche Anordnung zeigt, wohl als Vorlage
gedient hat. In kluger Abänderung der Ikonographie der Vorlage
hat Batoni dem Flußgott zu Füßen des Aeneas die kapitolini-
sche Wölfin zugesellt und damit die Rolle des Helden als Staats-
gründer Roms hervorgehoben. Die Szene der Wölfin, die mit
Romulus und Remus am Tiber lagert, wiederum personifiziert
von einem Flußgott, eröffnet den Historienreigen auf dem
Prunkschild, den Batoni als Sohn eines Goldschmiedes mit
größter Hingabe an das Detail gestaltete. Eine Rötelvor-
zeichnung, die heute in Philadelphia (Museum of Art, Inv.
Nr. 1978—70—-169), aufbewahrt wird und ehemals aus der
Sammlung Anthony M. Clarks, des bedeutendsten Kenners
Batonis stammte, zeigt mit einigen Differenzen die Frontalan-
sicht des Schildes. Edgar P. Bowron und Keith Christiansen
unternahmen anhand des Vergiltextes die Entschlüsselung der
einzelnen Szenen und belegten auch Batonis häufig bezeugte
Kopistentätigkeit, sowohl nach Kunstwerken der Antike, etwa
einem Fresko (Tempeldarstellung am oberen Rand) und einem
Relief (Opferszene links davon), als auch nach den Dekoratio-
nen Raffaels in den Vatikanischen Stanzen (Triumphdarstellung
im unteren Mittelfeld). So fand der Maler, ganz in Entsprechung
zur Aeneisdichtung, für die antiken Relikte der römischen
Geschichte ihre wundervolle mythologische Verknüpfung.
Venus ist die mythische Übermittlerin der Waffen — der rosa
zewandete Putto hält den Helm, auch die Rüstung ist mit einem
-osafarbenen Band am Baum befestigt — und zugleich, mit Blick
auf die kapitolinische Wölfin, die Urmutter Roms. Diese
Abstammung der Gens Julia von Venus wird durch das
Geschenk des szenengeschmückten Schildes symbolisiert und
demnach als eine Gnade der Liebesgöttin dargestellt. Das Prin-
zip der Venus, das schon durch Herkules Anerkennung fand und
in der Aeneasszene die Genealogie begründet, ist der innere
Zusammenhang der Pendants. Hingabe ist die Beziehungsform
der Liebesgöttin, die hier, in diesem fürstlichen Auftragswerk
(9) als herrschaftliche Legitimationsfigur fungiert. Daß Fürst
Joseph Wenzel sein Herrschaftsverständnis in dem mythologi-
schen Ensemble gespiegelt sah, belegt möglicherweise die
Nachricht über den Aufbewahrungsort der Bilder, die laut
inventarmanuskript von 1805 noch in den privaten Gemächern
des Wiener Palais’ in der Herrengasse hingen. Erst 1807 wurden
die beiden Gemälde dann in die Galerie des Gartenpalais’ in der
Roßau aufgenommen.
Neben der schon erwähnten Vorzeichnung bewahrt das
Rijksprentenkabinet in Amsterdam eine vorbereitende Rötel-
zeichnung des Flußgottes (Inv. Nr. 1953:325). Studien zu den
Putten des Herkulesbildes und zum rechten Arm und Gewand-
ärmel der Venus sind in der Sammlung Ratjen, Liechtenstein
(Inv. Nr. R 412), ebenfalls in Rötel, erhalten. Die Vorzeichnung
zu «Virtus» und «Voluptas» bewahrt als Rötelstudien die Yale
University Art Gallery (New Haven, Inv. Nr. 1965.9.16.)
M.H
Ausstellung und Literatur: Seite 156