Volltext: Kleinstaat

Zusammenfassung der Diskussion Geschichte auch mehr diffuse Gebilde gegeben, und wenn man iri die Ver­ gangenheit zurückgehe, könne man Einflussfelder und Besiedlungsräume finden, die keine sehr klaren Grenzen hätten. Darum fehle dort der Ansatz­ punkt für sein Instrumentarium, das disjunktive Grenzen innen und aussen voraussetze. Dies führe ihn zum ersten Fragenkreis von Hroch, dass näm­ lich die ethnische Tradition und Ausprägung als ein intervenierender Faktor eingeführt werden müsse. Kleinstaaten benötigten in der Tat auch ein Kor­ rektiv gegen Zentrifugalität, die ihrem instrumenteilen Handeln innewohne, wobei nach seiner Ansicht auch ethnisch stark differenzierte Völkerschaften intensive ökonomische Aussenbeziehungen pflegen müssen. Geser machte' ferner darauf aufmerksam, dass Deutschschweizer zum Beispiel auf ein Stück eigener Ethnizität rekurrieren könnten, nämlich auf den Dialekt, der immer reichlicher verwendet werde, je weiter die europäische Integration voranschreite. Ungeachtet ihres Autonomieverlustes auf institutioneller Ebene verfügten sie auf subinstitutionellem Niveau über ein 
kulturelles Ele­ ment ethnischer Identität, das sie von anderen Ethnien unterscheide. Die Westschweizer könnten das nicht, insofern sie nur über das Französische verfügen, das man auch in Frankreich spricht. Das sei wohl auch ein Grund dafür, dass die Westschweizer sehr viel mehr an gewissen Institutionen hän­ gen, insbesondere am Föderalismus, am Kanton. Die Aufgabe des Kantons wäre das Ende ihrer Identität, da sie über keine andere Basis der Integration verfügen. Schliesslich verwies Geser in Beantwortung der gestellten Fragen noch darauf, dass bereits Aristoteles die Verfassungen der griechischen Stadtstaaten (Poleis) gesammelt und eine grosse Varianz festgestellt habe zwischen Demokratie und Diktatur. Früher wurde nicht nur die Demokra­ tie, sondern möglicherweise auch die Diktatur zuerst kleinformatig prakti­ ziert, da die Kontroll- und Kommunikationstechniken nur in bezug auf kleine Territorien wirksam gewesen seien. Heute sei dies auch grossräumig möglich. Kleinstaaten brauchten jedenfalls besondere Sicherungen, um Machtzentralisierung zu verhindern: Föderalismus, Teilung von Macht. Es sei eigentlich ziemlich paradox, dass zahlreiche kleine Staaten intern noch sehr viel kleinere Substaaten ausbildeten, die das Problem der Kleinstaat­ lichkeit noch zusätzlich potenzieren. Man könne dies laut Geser nur verste­ hen, wenn man wisse, dass sie es tun müssen, insofern sie darauf angewiesen seien, auf formelle und geplante Weise der Zentralisierung der Macht Gren­ zen zu setzen, um damit eine Dezentralisierung von Macht zu erreichen,: die sich in Grossstaaten vielleicht allein schon aus faktischer Notwendigkeit ergeben würde. 92
	        

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