Volltext: Kleinstaat

Gerard Batliner allen zu akzeptierenden Positionsbezug im Verhältnis zu den mitinvolvier- ten verantwortlichen Staatsorganen, wird die Staatsform strapaziert. 2. Ein zweites Spannungsfeld betrifft das Verhältnis von Normsetzung und Normenkontrolle. 1921 wurden die direktdemokratischen Rechte (Initiative und Referendum) ausgebaut. Das Volk, oder der Landtag, und der Fürst zusammen bilden einen politisch überaus starken Gesetzgeber. Im gleichen Zuge wurde 1921 der Staatsgerichtshof mit aussergewöhnlichen Kompetenzen eingerichtet und ausgestattet: der Befugnis gleich einem Ver­ fassunggeber die Verfassung authentisch mit Wirkung gegenüber jeder­ mann auszulegen; der Befugnis, von Volk bzw. Landtag und Fürst erlassene Gesetze bei Verfassungswidrigkeit wie ein negativer Gesetzgeber aufzuhe­ ben; der Befugnis, die in der Verfassung niedergelegten Grundrechte gegen jeden behördlichen und gesetzlichen Widerspruch durchzusetzen. Welches Gewicht ist nun stärker? In Ländern wie der Schweiz mit ungebrochener demokratischer Tradition und dem Gedanken der Volkssouveränität neigt sich die Waagschale auf die Seite des Gesetzgebers. Vom Volk oder Parla­ ment erlassene Bundesgesetze können vom schweizerischen Bundesgericht nicht auf deren Verfassungsmässigkeit überprüft werden. In Grossbritan­ nien mit der Suprematie des Parlamentes fehlt eine Verfassungsgerichtsbar­ keit überhaupt. Liechtenstein dagegen hat dem starken Normsetzer das ins­ besondere aus Österreich mit schwächerer demokratischer Tradition übernommene und eher von Misstrauen gegenüber der politischen Staats­ gewalt geprägte Institut der umfassenden verfassungsgerichtlichen Nor­ menkontrolle gegenübergestellt. Spannungen zwischen Normsetzung und Normenkontrolle werden womöglich dadurch verschärft, dass manche Texte der Verfassung unterbestimmt und vage oder aus verschiedensten Schichten zusammengefügt oder vom Verfassunggeber ungenügend weiter­ entwickelt sind, so dass dem Staatsgerichtshof, wenn er sich keine judizielle Selbstbeschränkung auferlegt, enorme Auslegungs- und Vetomacht zuwächst und die Grenzen zur Normsetzung fliessend werden. Die elliptische Staatsform fordert die Pflege der politischen Kultur, Umsicht, Verständnis und Takt im Umgang miteinander. Die Koexistenz starker semidirektdemokratischer und monarchischer Normsetzung und starker Normenkontrolle verlangt von den Beteiligten Mass, Rationalität und einen lebendigen Bezug zum Recht. 300
	        

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