Volltext: Kleinstaat

Gerard Batliner der Behauptung, der Fürst habe durch die Setzung der Notrechtsnorm in die verfassungsmässige Zuständigkeit des Landtages oder Volkes als Mit- verfassunggeber oder Mitgesetzgeber eingegriffen (Art. 112 Verfassung).37 Was gilt, wenn der Fürst mit einem Notrechtsakt gleichzeitig auch den Staatsgerichtshof oder die Möglichkeit zur Beschwerdeführung vor dem Staatsgerichtshof und Art. 112 der Verfassung beseitigen würde? Man wird annehmen dürfen, dass die Notrechtskompetenz, die als Ausnahmebestim­ mung nach allgemeinen Auslegungsregeln ohnehin nicht extensiv zu inter­ pretieren ist, vor Art. 112 an eine verfassungsgrammatische, -systematische und -teleologische Grenze stösst. Der Staatsgerichtshof und das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof, die ja, im Unterschied zu den handlungsorien- tierten Vorkehren zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates (Art. 10), gemäss Art. 112 der Verfassung bloss zur Kontrolle und zur Gewähr der Verfassung eingesetzt sind, können auf dem Wege eines Notrechtserlasses nicht beiseite geschafft werden. Das Notrecht bleibt innerhalb des Verfas­ sungsstaates und der zu seinem Schutz eingesetzten verfassungsgerichtli­ chen Kontrolle. -Gegebenenfalls tritt der Landesausschuss anstelle des Landtages als Beschwerdeführer vor dem Staatsgerichtshof auf (Art. 74 lit. a Verfassung). Gelegentlich kommt der Staatsgerichtshof und kommen die Gerichte und Behörden nicht umhin, Staatsverträge in ihrer innerstaatlichen Wirk­ samkeit mittelbar einer Kontrolle über Gültigkeit, Inhalt und Umfang zu unterziehen. Dies ist eine Konsequenz der automatischen Inkorporation von Staatsverträgen ins Landesrecht. Wenn nämlich im Normenkontroll­ verfahren oder bei einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen ist, ob eine untergeordnete Norm oder ein gerichtlicher oder behördlicher Akt verfas­ 37 Vgl. Maunz/Dürig, Kommentar zum (deutschen) Grundgesetz, München, Art. 93 Rdnr. 15f. Auch Friesennahn (Anm. 34), 143f. Während die Notrechtsverordnung vom 18.2.1943, LGB1 1943/4 (Verlängerung der Man­ datsdauer des Landtages), sorgfältig abgestützt war (vgl. Batliner, Gerard, Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments, LPS 9, 33 uncTdortige Lit.), waren oder sind die Notrechtserlasse vom 13.7.1982, LGBl 1982/49 (Betäubungsmittelgesetzgebung), und vom 10.8.1990, LGBl 1990/47 (Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Irak und Kuwait), mitverur­ sacht durch die Passivität des Landtages, verfassungsrechdich fragwürdig. Vgl. Arno Waschkuhn, Politisches System Liechtensteins, 2. Kapitel (Der Lanaesfürst), noch nicht veröffentlicht. Der Notrechtserlass betr. Betäubungsmittel (LGBl 1982/49) wurde mit ein­ fachem Gesetz vom 20.4.1983 (Art. 30 des Betäubungsmittelgesetzes, LGBl 1983/38) for­ mell aufgehoben. Der Notrechtserlass betr. Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Irak und Kuwait (LGBl 1990/47) ist (Ende Januar 1992) zum Teil immer noch aufrecht (LGBl 1991/73), obwohl mit dem neuen Gesetz vom 8.5.1991 über Massnahmen im Wirtschafts­ verkehr mit fremden Staaten (LGBl 1991/41) nunmehr eine gesetzliche Grundlage für den Erlass einer Regierungsverordnung gegeben ist. 296
	        

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