Volltext: Kleinstaat

Gerard Batliner nicht durch Übereinkunft zwischen Fürst26 und Landtag beseitigt werden können, der Staatsgerichtshof, der die Verfassung verbindlich mit Wirkung gegen jedermann auslegt. Die Vorstellung, dass Fürst und Landtag die Ver­ fassung durch Übereinkunft verbindlich auslegen könnten, entspringt vor­ konstitutionellem Denken, als man die Verfassung als einen "Vertrag" des Fürsten mit den Ständen auffasste. Es ist unter der geltenden Verfassung 26 Die Verfassung spricht zwar von "der Regierung und dem Landtage". Mit "Regierung" gemeint ist der Fürst. Hiezu Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag vom 8.10.1991 zum Staatsgerichtshof-Gesetz, Nr. 71/ 1991,17ff. Zur Auslegung von Artikel 112 auch Batliner (Anm. 1), 105ff. Wörtlich-grammatisch ist der von der Verfassung verwen­ dete Begriff "Regierung" zunächst äquivok. Vgl. dazu Andreas Schurti, Das Verordnungs­ recht der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Diss. St. Gallen 1989, 15; Ernst Pap­ permann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Diss. Köln 1967, 48. Meist wird unter "Regierung die Regierung als Spitze und Inbegriff der Landesverwaltung (Artikel 78ff.) verstanden, an anderen Stellen ist der Fürst gemeint (Artikel 13 Abs. 1,13bis, 51). Im Zusammenhang mit Kompetenzkonflikten, bei denen auf der einen Seite die Gerichte und auf der anderen Seite primär die Regierung im Sinne von Artikel 78ff. involviert sind, gebraucht die Verfassung für die Regierung den Begriff "Verwaltungsbehörden" ('Artikel 104 Abs. 1). Doch die wörtlich-grammatische Auslegung lässt eine klare Schlussfolgerung nicht zu. In systematischer Hinsicht ist zu beachten: Wenn der Landtag zusammen mit der Regierung als Landesverwaltung (Artikel 78ff.) genannt wird, ist der Landtag übergeordnet (vgl. etwa Artikel 62 lit. e und g, 69, 78 Abs. 1, 80, 92 Abs. 1,93 lit. f und g).Wo der Land­ tag zusammen mit dem Fürsten genannt wird,, steht der Fürst in der Reihung vor dem Landtag (Artikel 64 Abs. 1, 78 Abs. 1,92 Abs. 1); entsprechend ist mit "Regierune" in Arti­ kel 112 aer Fürst gemeint. Dies steht mit einer weiteren systematischen Überlegung im Einklang. Das IX. Hauptstück der Verfassung (Art. 111 - 114) enthält die fundamentalen Normen betreffend die "Verfassungsgewähr und Schlussbestimmungen", d.h. die Bestim­ mungen über die Verfassung als grundlegende Norm (Artikel 111 Abs. 1, 113), über die Verfassungsweiterentwicklung (Artikel 111 Abs. 2) und über Organstreitigkeiten der, vom Volk abgesehen, höchsten Träger der Staatsgewalt Fürst und Landtag vor dem Staatsge­ richtshof bezüglich der Auslegung einzelner Vorschriften der Verfassung (Art. 112; Art. 2). Die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes für die niedrigeren Kompetenzkonflikte ist an anderer Stelle in der Verfassung oder, in fragwürdiger Weise, nur auf Gesetzesstufe gere­ gelt: Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den (meistens in der Regierung zusammengefassten) Verwaltungsbehörden (Art. 104 Abs. 1 Verfassung, Art. 12, 30 Abs. 1 und 32 StGHG); (bejahende) Kompetenzkonflikte zwischen Landtag und Gerichten sowie zwischen Landtag und Verwaltungsbehörden (Art. 30 Abs. 2 StGHG). Art. 112 schliesst somit auch eine Lücke, weil die sonstigen Kompetenzkonflikte weitgehend nach Art. 104 Abs. 1 Verfassung und Art. 12, 30 und 32 StGHG entschieden werden können, nicht jedoch Streitigkeiten zwischen Fürst und Landtag. Die historische Auslegung führt zum gleichen Ergebnis (vgl. Batliner [Anm. 1], 105 -108, besonders dortige Anm. 30). Die teleo­ logische Auslegung stimmt damit überein: Während im Deutschen Bunde die Entschei­ dung von obersten Streitigkeiten zwischen Landesherren und Ständen über die Auslegung der Verfassung durch das Bundesschiedsgericht dem Bundesfrieden wie dem Verfassungs­ frieden in den Gliedstaaten dienen sollte (Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, 3. A. Stuttgart 1988, 616, 621ff., Bd. 2, 3. A. Stuttgart 1988, 180f.), gewähr­ leistet Art. 112 der Verfassung mit der Einsetzung der neutralen, ausschliesslich auf das Recht der Verfassung verpflichteten Instanz des Staatsgerichtshofes und der im Streitfall zwischen Fürst und Landtag bindenden Auslegung der Verfassung die Integration der poli­ tischen höchsten Träger der Staatsgewalt in den Verfassungsstaat, verhindert verfassungs- störende Eigenentwicklungeri, sichert das verfassungsmässige Weiterfunktionieren des staatlichen Apparates und beseitigt mögliche Blockaden durch gerichtlichen Entscheid. Der Staatsgerichtshof ist kraft Art. 112 der Verfassung oberster rechtlicher Integrationsfaktor, ein Schutz für die elliptische Staatsform und ihre Deiden beteiligten Faktoren und für den Verfassungsfrieden, ein Garant für den Verfassungsstaat ('Verfassungsgewähr", IX. Hauptstück der Verfassung). 292
	        

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