Daniel Thürer zu überleben, wehrhaft selbst seine nationale Sicherheit schützen zu suchen.38 Er wird, vor allem im Bereiche der Aussenwirtschaft, möglichst universelle, breitgefächerte, weltweite Beziehungen aufbauen, um so das Risiko einseitiger Abhängigkeit zu minimieren und sich eine gewisse Manövrierfreiheit zu erhalten.39 Auf der Ebene der eigentlichen Aussenpoli- tik wird er bemüht sein, sie geradlinig und konsequent an Prinzipien auszu richten, um dadurch als berechenbar und vertrauenswürdig zu erscheinen. Er wird vor allem eine Zusammenarbeit und Integration in technisch-admi nistrativen Bereichen anstreben, nicht aber auf dem Gebiet der Aussen- und Verteidigungspolitik. Die Stategie I bedeutet vor allem Sicherheitspolitik zur Wahrung der Unabhängigkeit des Staates und der Selbstbestimmung des Volkes.40 Der Kleinstaat darf sich aber nicht mit der defensiv-souveränitätsbeton- ten Strategie begnügen. Er wird zukunftsgerichtet auch eine
komplementäre Strategie der internationalen Solidarität verfolgen.41 Er wird - de lege ferenda - jede Chance zur Fortentwicklung des Völkerrechts,42 zu einer stärkeren Institutionalisierung des politischen Prozesses benutzen.43 Er wird sich solidarisch und mitverantwortlich zeigen. Er wird sich aktiv, auf regio naler und universeller Ebene, für die Anerkennung und Verwirklichung gemeinsamer Interessen und Ziele der Staaten und Völker einsetzen.44 Er wird allenfalls letztlich einen Zustand anstreben, der die Staatlichkeit selbst überflüssig macht und den Menschen unabhängig davon, ob sie in einem kleinen (und gefährdeten) oder in einem grossen und mächtigen Staat leben, gleiche Entfaltungschancen in einer pluralistischen Gesellschaft gewährlei 38 Michael I. Handel, a. a. O., S. 175: 'Freedom of manceuvrability is important for the weak State in all tvpes of international systems'. 39 Michael I. Handel, a. a. O., S. 235. 40 Vgl. eingehend Daniel Frei, Strategien zum Umgang mit Abhängigkeit, Kleine Studien zur Politischen Wissenschaft Nr. 53, Universität Zürich 1975, S. 6-26. 41 In diesem Sinn auch die 'small State
doctrine' von Olaf Palme: vgl. Ole Elgström, a. a. O., S. 273 ff. 42 So auch der Bundesrat im Bericht über die Friedens- und Sicherheitspolitik der Schweiz vom 29. Juni 1989, BBI. 1989 II, S. 679 f. 43 Im Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 1. Oktober 1990 hebt der Bundesrat die Bedeutung der Institutionalisierung des KSZE-Prozesses für die Schweiz hervor: BBI. 1990 III, S. 880. 44 Nach Sean F. Lemass, a. a. O., S. 120, bietet den Kleinstaaten vor allem auch die Mitwir kung in regionalen Organisationen vermehrte Einflussmöglichkeiten und Entwick lungschancen. Ahnlich Thomas Bruha, Die Zukunft des Kleinstaates, Referat gehalten vor dem 'Liberalen Institut' in Zürich am 7. Juni 1991, insbesondere S. 8 f., der im Kleinstaat den 'geborenen Anwalt' des nach Abbruch der Ost-West-Spannungen an Bedeutung zunehmenden internationalen Regionalismus sieht. 230