Volltext: Kleinstaat

Verfassungsinterpretation herrschende Meinungen aus den nationalen Verfassungslehren der Nach­ barstaaten für Liechtenstein natürlich nicht unbedingt massgebend sein müssen. Die gemeineuropäische Rechtskultur, jeweils modifiziert durch die Varianten der einzelnen Verfassungstexte, enthält genügend interpretatori- sche Freiräume. Sie allerdings 'wollen durch die Entwicklung einer auf den eigenen Staat zugeschnittenen Verfassungsdogmatik genutzt werden. Darin Hegt die Chance, das Verfassungsrecht des Fürstentums schöpferisch wei­ terzudenken. V. Die Möglichkeiten einer solchen spezifisch liechtensteinischen Verfassungs­ dogmatik seien abschliessend am Beispiel, der politischen Richtlinienkom­ petenz demonstriert. Die Verfassung. kennt diesen Begriff nicht. Gleich­ wohl existiert insofern ein Sachproblem, welches, auch, dann der Lösung bedarf, wenn die Normen des Verfassungstextes schweigen. Denn dem politischen Handeln gehen programmatische Überlegungen und Entschei­ dungen voraus, für die es in jedem politischen System eine letzte Zus tändig­ keit geben muss. Diese .auf der Grundlage der liechtensteinischen Verfas­ sung festzustellen, scheint auf den ersten Blick mit Rücksicht auf die verfas­ sungsrechtliche Stellung des Landesfürsten nicht , einfach. Er ist eben nicht nur gem. Art. 7 Abs. 1 LV "Oberhaupt.des Staates", sondern gem. Art. 9 LV zur Sanktion eines jeden Gesetzes berufen. Unter "Sanktion" ist sprach­ lich nicht nur die Unterschrift und der Erlass des Gesetzes kraft fürstlicher Autorität; sondern gewiss auch die inhaltliche Prüfung des Gesetzestextes zu verstehen. Diese aber schliesst - soll die Regelung nicht funkt ionslos sein - das Recht des Landesfürsten ein, einem Gesetz die Sanktion zu versagen. Eine einfache Schlussfölgerung könnte also lauten: Da gem. Art. 9 LV jedes Gesetz zu seiner Gültigkeit der Sanktion lind damit zugleich, der Zustim­ mung des Landesfürsten bedarf, muss dessen politische Position bei der Gesetzgebung von vorneherein berücksichtigt werden. Denn eine Regie­ rung, die sich dem yerschliessen würde, könnte vom Landesfürsten, indem dieser die Sanktion der vorgelegten Gesetze verweigert, auf seine politische Linie gezwungen werden. • Ist dieser Umkehrschluss wirklich richtig, und lässt sich auf diese Weise die. Richtlinienkompetenz im Staatsoberhaupt verankern? Sicher nicht. Offensichtlich leistet die Logik nicht das, was Art- 9 LV auf den ersten Blick 203
	        

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