Volltext: Kleinstaat

Verfassungsinterpretation also auf eine juristische Barriere insofern, als die Rechte der Verfassungspar- teien zu respektieren sind. "Rückbindung an •Normativität" heisst im Für­ stentum Liechtenstein konkret: Bindung an den geschlossenen Verfas­ sungsvertrag. Diese Struktur wird durch die Regelung der Verfassungsän­ derung in Art. 111. Abs. 2 LV bestätigt. Sie ist dort zwar dem Landtag anheimgegeben. Doch gilt auch für das Änderungsgesetz der Sanktionsvor­ behalt, zugunsten des Landesfürsten gem. Art. 9 LV, so dass eine Verfa- sungsänderung allein aufgrund einer Willensentscheidung der Volksvertre­ tung ausscheidet. Zwischen den beiden Verfassungsparteien besteht ein Dauerrechtsverhältnis, das auf eine völlig neue Grundlage nur durch eine neue Willenseinigung gestellt werden könnte. Diese der Verfassung von 1921 innewohnende Logik kann freilich nicht verhindern, dass der offene Prozess der Verfassüngsinterpretation als eine schlicht zur Kenntnis zu nehmende soziologische Dynamik auch im Für­ stentum Liechtenstein voranschreitet, vielleicht kleinstaatbedingt ver­ langsamt wegen der geringeren Zähl der Interpreten. Der Fürstlich Liech­ tensteinische Staatsgerichtshof hat diesem Gedanken in seinem Gutachten ~ vom 8. 3. 1952 Rechnung getragen, als er feststellte, die von ihm formulier­ ten Rechtssätze hätten über die Entscheidung des Einzelfalles hinaus "nur insofern Bedeutung, als sie durch ihre Begründung überzeugend wirken oder durch die konstante Anwendung seitens des Staatsgerichtshofes sich schliesslich durchsetzen".25 Hier wird die Möglichkeit eines allmählichen Verfassungswandels auch ausserhalb der authentischen Interpretation gem. Art. 112 LV eingeräumt. Nur diese Auffassung ist wirklich realistisch. Mit dem Wandel der sozialen Verhältnisse und dem Wechsel der Generationen werden auch verbindliche Texte , aus. früheren Zeiten mit anderen Augen gelesen und anders verstanden, als dies vordem der Fall war. Damit stellt sich abschliessend doch auch für Liechtenstein die Frage, wie sich offene Verfassungsinterpretation und normative Rückbindung der Verfassung zueinander verhalten. . Nach unseren bisherigen Überlegungen ist für das liechtensteinische Verfassungswesen die Unterscheidung zwischen der empirischen Tatsache eines öffentlichen Diskussionsprozesses und der Frage nach der rechtlichen Erheblichkeit der vorgetragenen Argumente fundamental. Denn dem ver­ traglichen Geltungsgrund der Verfassung entsprechen Verfassungsrechte 25 Zitiert bei Heinz Josef Stotter, Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 1986, S. 107 Ziffer 1 zu Art. 65 LV. 201
	        

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