Volltext: Kleinstaat

Dietmar Willoweit dem Beginn der siebziger Jahre eine ergiebige Diskussion geführt worden, die das Spektrum der heute überhaupt denkbaren Interpretationswege ent­ faltete und gewisse Konvergenzen erkennen liess.17 In Deutschland, weitge­ hend auch in Osterreich, setzte sich die Auffassung durch, dass bei der Ver­ fassungsinterpretation mit den klassischen Regeln der Gesetzesauslegung allein vielfach keine überzeugenden Ergebnisse erzielt werden können - aus den auch hier schon erwähnten Gründen: Einem Verfassungsgesetz liegt regelmässig kein dogmatisches System zugrunde, wie dies bei einem Zivil­ gesetzbuch der Fall ist. Das Verfassungsgesetz schafft vielmehr selbst erst sein Staatsrecht. Es greift dabei zwar auf Prinzipien und Strukturelemente seines verfassungskulturellen Umfeldes zurück, das durch die Geschichte und oft auch durch das Verfassungswesen der Nachbarstaaten konstituiert wird. Aber jede Verfassungsgesetzgebung fügt diese Prinzipien und sonsti­ gen normativen Vorgaben in durchaus eigentümlicher Weise zu einem jeweils besonderen "System" des Staatsrechts zusammen, wobei sich die Systemdichte mit der des ius civile bei weitem nicht messen kann. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - hat der österreichische Verfassungsge­ 17 Zusammenfassend informieren über die erste Etappe der Diskussion Ralf Dreier u. Fried­ rich Schwegmann (Hrsg.), Probleme der Verfassungsinterpretation. Dokumentation einer Kontroverse, Baden-Baden 1976, mit dem Wiederabdruck der wichtigen Arbeiten von Ernst Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungseesetzes (1959), Herbert Krüger, Verfas­ sungsauslegung aus dem Willen des Vefassungsgebers (1961) und Peter Häberfc, Zeit und Verfassung. Prolegomena zu einem "zeit-gerechten" Verfassungsverständnis (1974): Zahl­ reiche Anregungen aus dieser frühen Phase der Diskussion sind den Referaten von Peter Schneider und Horst Ehmke über die "Prinzipien der Verfassungsinterpretation" sowie den dazu abgegebenen Stellungnahmen in den Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer 20 (1963) S. 1 ff. u. 53 ff. zu entnehmen. Grundlegend sodann Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt am Problem der Verfassungsin­ terpretation, Berlin 1967, Peter HäDerle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpre­ ten, in: Juristenzeitung 1975, S. 297-305 und Friedrich Müller, Juristische Methodik, 2. A. Berlin 1976. Eine Zwischenbilanz bietet Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation. Bestandsaufnahme und Kritik, in: Neue Juristische Wochen­ schrift 1976, S. 2089-2099. Weiterführend sodann noch Bernhard Scnlink, Bemerkungen zum Stand der Methodendiskussion in der Verfassungsrechtswissenschaft, in: Der Staat 19 (1980) S. 73 ff. Zur österreichischen Verfassungsinterpretationslehre vgl. vor allem Heinz Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich. Eine kritische Bestandsaufnahme, Wien- New York 1971; ders., Die Interpretation, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Das österreichi­ sche Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, Berlin 1980, S. 57-81 m. w. Nachw. und ebd. S. 67 f mit dem Hinweis, dass sich in Osterreich unter dem Einfluss der Reinen Rechtslehre eine methodisch reflektierte Lehre von der Verfassungsinterpretation erst spät entwickelt habe. Ferner Ludwig. K. Adamovich u. Bernd-Christian Funk, Öster­ reichisches Verfassungsrecht, Wien-New York 1982, S. 32 ff. - Für die Schweiz habe ich eine ähnlich weit vorangetriebene Diskussion der Verfassungsinterpretation, die über eine Reflexion des Verhältnisses von Bundesstaat und Kanton hinausginge, nicht feststellen können. 198
	        

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