Volltext: Kleinstaat

Dietmar Willoweit Wer sich über den Konstitutionalismus im Bereich des Deutschen Bun­ des und seiner Nachfolgestaaten informieren will, greift heute in erster Linie zu dem grossen Standardwerk von Ernst Rudolf Huber, der als Kern des konstitutionellen Verfassungstyps die Berufung einer eigenverantwort­ lich handelnden Regierung durch den Monarchen ansieht.3 Diese Regierung verkörpert nach Huber ein Programm, für das sie einerseits das fortdau­ ernde Vertrauen des Monarchen benötigt, andererseits aber Mehrheiten in der gewählten Volksvertretung suchen muss, um die Zustimmung zum Budget und zu den für notwendig gehaltenen Gesetzesvorlagen zu bekom­ men. Ist der Monarch mit einzelnen Massnahmen nicht einverstanden, dann hat er nach Huber nur die Möglichkeit, die Regierung zu entlassen und eine neue zu berufen, nicht aber das Recht, im Wege einer monarchischen Selbstregierung politische Kurskorrekturen vorzunehmen.4 Diese Darstel­ lung des konstitutionellen Staatsrechts Hubers erweist sich als Konstrukt, wenn wir zu den einschlägigen Fragen das Staatsrecht des Deutschen Rei­ ches von Paul Laband heranziehen. Danach soll ein Selbstregierungsrecht des Monarchen nach der deutschen Reichsverfassung von 1871 in der Tat nicht ausgeschlossen gewesen sein.5 Man erinnert sich auch der Worte Lud­ wigs I., wonach in Bayern nicht der Minister, sondern der König regiere.6 Doch entspricht Hubers Auffassung etwa der preussischen Verfassungspra­ xis nach 1850, während andererseits Baden nach Beginn der sogenannten "neuen Ära" 1859 die Regierungsbildung aus der Mehrheitsfraktion des Landtages kennt.7 Nicht gelungen ist bekanntlich die Durchsetzung dieses Prinzips im Deutschen Reich. Aber die hier seit dem Ende des 19. Jahrhun­ derts zu beobachtenden Parlamentarisierungstendenzen lassen sich in der < konstitutionellen Theorie Hubers auch nicht unterbringen.8 Das Fazit die­ ser wenigen historischen Andeutungen lautet: Es hat keine einheitliche kon­ 3 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3, 3. A. Stuttgart-Ber­ lin-Köln-Mainz 1988, S. 3 ff. u. passim. Vgl. zum folgenden Text auch Dietmar willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. A. München 1992, §§ 29,32,34-36. 4 Huber (FN 3), S. 20 ff!, 814 f. 5 Paul Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 5. A. Tübingen 1911, S. 232: "Der Kaiser . . . bestimmt die Richtung der Politik, die Zielpunkte der staatlichen Geschäftsführung des Reiches. Wenn auch tatsächlich die Führung der Geschäfte dem Reichskanzler obliegt, so ist derselbe doch rechtlich lediglich das Willenswerkzeug und der Gehilfe des Kaisers. 6 Zitiert von Hanns Hubert Hofmann, Adelige Herrschaft und souveräner Staat, München 1962, S. 431. 7 Vgl. dazu Lothar Gall, Der Liberalismus als regierende Partei - Das Grossherzogtum Baden zwischen Restauration und Reichsgründung, Wiesbaden 1968. 8 Manfred Rauh, Die Parlamentarisierung des Deutschen Reiches, Düsseldorf 1977; Willo­ weit (FN 3) § 36. 194
	        

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