Volltext: Kleinstaat

Peter Häberle Mitte und die grösseren wie die klassischen Nationalstaaten am oberen Ende. Das versinnbildlichte den grossen, 
einen Zusammenhang aller Ver­ fassungsstaaten und die Relativität der Ünterscheidung ihrer Varianten. Wie dem auch sei: Festzuhalten bleibt, dass die kleineren Staaten in Osteuropa sich nicht zuletzt deshalb auf dem Weg zu eigener Staatlichkeit vorkämp­ fen, weil das sozialistische Gehäuse der Bundesstaatlichkeit der UdSSR und Jugoslawiens nur formal war. Der "real geltende Sozialismus" herrschte als ein der Idee des gelebten Föderalismus feindlicher Einheitsstaat totalitär. In Zukunft wird genau zu beobachten sein, ob die hier erarbeiteten Spe- zifika für Kleinstaaten sich gerade bei den neuen bzw. alten kleinen Staaten im Baltikum und in Jugoslawien nachweisen lassen: der - kleine - durch eigene Kultur erfahrene und gestaltete 
Raum dürfte ebenso ein Grund für die Herausbildung des "kleinen Staates" sein wie sich die Offenheit für die Rezeption fremder Rechte und ihre eigenwüchsige Integration in das Eigene als unverzichtbar erweisen wird. Speziell die Baltenrepubliken sollten nicht nur auf Rechtsschichten ihrer europäischen 
Nachbarn zurückgreifen, vor allem auf Prinzipien gemeineuropäischen Verfassungsrechts103, sie können in manchem an ihre 
eigene, vergangene Rechtskultur anknüpfen, also aus der Tiefe ihrer Verfassungs- und Rechtsgeschichte (bis 1939) das rezipieren, was sie selbst vor der Unterjochung durch den Marxismus-Leninismus geschaffen haben.104 IV. Die Zukunft des Kleinstaates Ein letztes Wort gelte der Zukunft des Kleinstaates aus verfassungstheoreti­ scher und verfassungspolitischer Sicht. Der Kleinstaat ist eine Teilgruppe des Typus "Verfassungsstaat" und für diesen eine unentbehrliche Bereicherung. Einerseits unterscheidet er sich von den an Bevölkerungszahl und bewohntem, zur "Kulturlandschaft" gemachtem Raum grösserer Verfassungsstaaten, andererseits ist er ein Respekt erheischendes Beispiel für den Typus "Verfassungsstaat", für des­ sen Anpassungsfähigkeit und Vitalität, Vielfalt und Flexibilität. Dass Klein­ staaten auch und besonders heute friedlich überleben können, bildet eine 103 I. S. meines Beitrags Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, EuGRZ 1991, S. 261 ff. 104 Ein Beispiel ist der vorbildliche Minderheitenschutz im Estland der 20er Jahre, dazu P. Häberle, Die Entwicklungsstufe des heutigen Verfassungsstaates, der polnische Entwurf 1991, in: Rechtstheorie 22 (1991), S. 431 ff. 174
	        

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