Volltext: Kleinstaat

Peter Häberle des Raumes prägt seit alters Leitbegriffe des politischen Denkens: ich erin­ nere an "polis" und "urbs" oder an den "Territorialstaat" (moderne Staat­ lichkeit wurde über das Territorium definiert), an "Heimat" und "Heimat­ erde", aber auch an "Blut" und "Boden", nicht zuletzt an die Bedeutung der räumlich konkretisierten Stadt, wie sie in manchen Redewendungen anklingt (z.B. "Stadtluft macht frei", die Mauern- und Toremetaphorik, all das, was mit Forum und Marktplatz zusammenhängt). Auf sehr allgemeiner Ebene betrachtet ist der Raum eine Grundstruktur des Seins, ebenso wie die Zeit.78 Nach 
I. Kant79 ist der Raum eine Form der Anschauung. Konkreter, anthropologisch gefasst, begründet die Physis des Menschen seine Räumlichkeit. Die Raumgebundenheit und Raumbezogen- heit des Menschen spiegelt sich wider in der starken Tendenz, in 
räumlichen Metaphern zu denken.80 Eine hervorragende Eigenschaft des Raums besteht in seiner Fähigkeit, als 
(politisches) Ordnungsprinzip zu wirken. Komplexität kann durch Ver­ teilung im Raum aufgegliedert und übersichtlich gemacht werden. Grundlegend für die 
anthropologische Bedeutung des Raumes ist, dass er sich weder im naturwissenschaftlichen noch im geographischen Raum erschöpft. Der Raum des Menschen ist 
mehrdimensional: neben der geogra­ phischen entwickelt sich die 
soziale Dimension81; der soziale Raum kann sich von einer geographischen Basis lösen und verschieben; es kann mehrere soziale Räume auf dem gleichen Territorium geben; der soziale Raum kennt andere Wege und andere Hindernisse ("soziale Barrieren") als der geogra­ phische; man denkt in Begriffen von "sozialer Distanz" und "sozialer Mobilität". 78 Es gibt M. Heideggers "Sein und Zeit", soweit ersichtlich aber kein vergleichbares Werk "Sein und Raum"; grdlgd. aber Halbwachs, a. a. O., S. 127 ff.: Das kollektive Gedächtnis und der Raum. 79 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 37 ff. bes. 39; s. weiter B 120-122, zum Grundsätzli­ chen B 166 f., 305, zit. nach der 2. Aufl. 1787. 80 Jemand steht einem nahe, es gibt Grenzen des Wachstums und juristische Schranken der Grundrechte (dieses Bild wird bis zur Schrankenschranke pervertiert!); ein. entfernter Gedanke oder ein abwegiges Argument finden sich auch an entlegenen Stellen, man setzt an zum grossen Sprung oder macht sich auf einen langen Marsch. 81 Zum Gebiet als Kulturprodukt: R. Smend, a. a. O., Staatsrechtliche Abhandlungen, 1968,2. Aufl., S. 169. Aus der spärlichen Literatur E. Könau, Raum und soziales Handeln, 1977, mit einer guten Darstellung der Analysen von E. Dürkheim und G. Simmel, für die Raumbezo- eenheit ein konstitutiver Aspekt kognitiver und normativer Ordnungen war (S. 15 ff., 214); ders., S. 216, zu den neuen Umweltproblemen als alle (Staats- und andere) Grenzen über­ schreitende Probleme und S. 217 ff. zur Vielschichtigkeit der Raumbezogenheit sozialen Handelns und zur Verschränkung von Raumhorizonten. Weiterführend auch G. Isbary, Raum und Gesellschaft, 1971; Dogmengeschichtliches bei W. Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933. 168
	        

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