Volltext: Kleinstaat

Verfassungsstaat räumliche Auswirkungen haben".69 Als Begründer der modernen politi­ schen Geographie gilt 
F. Ratzel mit seinem Begriff der "Anthropogeogra- phie" (1897), Klassiker der Geopolitik sind 
R. Kjellen (1905) ("Die Geopo- litik ist die Lehre über den Staat als geographischen Organismus oder Erscheinung im Raum") und - umstritten - 
K. Haushofer, ein Vorläufer der NS-Geopolitik, die 1945 zusammenbrach.70 Die Raumforschung begreift als ihr "Gegenstandsgebiet" den "durch die Natur dargebotenen bevölker­ ten und durch das menschliche Wirken veränderten Raum", als ihren "Gesichtspunkt der Betrachtung" dessen "optimale Nutzung und ord­ nende Gestaltung". Verlangt wird vor allem, den Komplex "Raum und Bevölkerung" zu behandeln, d. h. neben der Zahlenrelation "Bevölkerungs­ charakter und Kulturzustand, soziales Gefüge und politische Ordnung". Zu Recht wird eine "richtungsweisende Gesamtkonzeption für die zu erstrebende räumliche Ordnung des Staatsgebietes" angemahnt71. Aus fast unerwarteter Richtung kam jüngst ein einschlägiges Stichwort: Frankreichs Präsident 
F. Mitterrand sprach von einer von ihm gewünschten neuen "Mengenlehre der Geopolitik", wonach im Norden und Osten Europas ein "Zentralkörper" als "solider" Pol bestehen solle.72 bb) Das Normenmaterial Betrachten wir zunächst das Normenmaterial: Es lässt sich aufteilen in jene Rechtstexte, meist des Verfassungsrechts, die den Raum als constituens individuellen, gesellschaftlichen und staatlichen Lebens an sich begreifen, 69 K.-A. Boesler, Art. Politische Geographie, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Sp. 540 ff Eine selbst den Juristen provozierende Frage ist die nach dem "genius loci". Historisch ist der Begriff mit Rom verbunden (vgl. Art. Genius in: Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., 8. Bd., 1989, S. 300). Ein Lexikon (Meyers Enzyklopä­ disches Lexikon, B<f 10,1974, S. 63) vermeldet: "Der bis heute üblichen Redeweise vom G. eines Ortes, dem G. loci, eignet keine religiöse Verbindlichkeit mehr, sie dient lediglich zur Charakterisierung u.a. des geistigen Klimas einer lokalen Einheit." - Eine Theorie des "genius loci" müsste heute an alle Bemühungen um eine Theorie des Raumes anknüpfen (dazu vom Verf. erste Versuche in: Kulturpolitik in der Stadt - ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 38 ff.). Der Jurist ist jedenfalls für und dank Rom spezifisch gefordert. Elemente des "genius loci" Roms sind: die "ewige" Präsenz aller Kunstperioden und -richtungen (dank der Kunstförderung), das Spannungsverhältnis Papsttum bzw. Weltkirche und poli­ tisches Gemeinwesen, die Repräsentation vieler (Kultur-) Nationen in Gestalt von Akade­ mien und (Goethe-) Instituten, die Schulenbildune (bis hin zu den "Deutsch-Römern" und dem Thorwaldsen-Kreis) - und nicht zuletzt das Wissen und Können in Sachen "(Juristen- ) Recht". Alles in Rom ist Original oder/und Zitat! 70 Vgl. K. H. Olsen, Art. Raumforschimg, in: Handwörterbuch zur Raumforschung und Landesplanung, Bd. II., 2. Aufl. 1970, Sp. 2447 ff. 71 So G. Müller, Art. Raumordnung, in: E.v. Beckerath u.a. (Hrsg.), HdSW, 8. Bd. 1964, S. 684 (685 f.). S. auch noch A. Benzing u. a., Verwaltungsgeographie, 1978, S. 5 ff. (Wech­ selwirkung zwischen Verwaltung und Raum). 72 Zit. nach FAZ vom 13. Sept. 1991, S. 5. 165
	        

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