N ) 2 ) OA
Die Verfassung von 1921
Entstehung
Die äusseren Umstände, die zur Entste-
hung der geltenden Verfassung vom
5. Oktober 1921 geführt haben, liegen
im wesentlichen in den Auswirkun-
gen des Ersten Weltkrieges von
1914-1918, welche die Völker Europas
sowohl in wirtschaftlicher als auch in
politischer Beziehung erfassten. Sie fin-
den vor allem ihren Niederschlag in der
Neuordnung Europas, insbesondere
aber in der Neunormierung der Staats-
verfassungen. Selbst ein so kleiner und
damals dem weltpolitischen Geschehen
fernstehender Staat wie Liechtenstein
ist von dieser Entwicklung nicht unbe-
ainflusst geblieben. Das Volk von Liech-
tenstein wurde von der Neuorientierung
miterfasst und forderte nach dem Zu-
sammenbruch Österreich-Ungarns eine
neue Verfassung.
Bei der immer häufiger werdenden
Bewegung gegen die vom Fürsten
Johann Il. verliehene Verfassung vom
26. Oktober 1862 war von entscheiden
der Bedeutung, dass der Fürst nicht
dauernd im Lande lebte, die Verwaltung
von einem vom Fürsten ernannten
Landesverweser geführt wurde und die
oberen Gerichtsinstanzen sich ausser-
halb des Landes befanden, so das Ober
‚andesgericht in Innsbruck und das
Appellationsgericht in Wien. Das Schlag-
wort «Liechtenstein den Liechtensteil-
nern» fand dabei immer mehr Auftrieb.
Dazu kam die auf indirekte Wahlen (zwölf
Mitglieder) und Ernennung durch den
Landesfürsten (drei) beruhende Zusam-
mensetzung des Landtages, die mit den
in anderen Staaten geltenden demo-
kratischen Grundsätzen nicht in Einklang
stand.
Das Volk, von der Zeitströmung erfasst,
forderte eine neue, zeitgemässe
Verfassung und eine aussenpolitische
Neuorientierung, die schliesslich zur
Abkehr von Österreich und zur Hinwen-
dung zur Schweiz führte.
‚nnenpolitisch wirkte sich diese Volks-
bewegung In grossem Umfange aus, als
mit Landesgesetzblatt 1918 Nr. 4 die
direkte Wahl der Abgeordneten über
Parteilisten statt des bisherigen
Wahlmännersvstems eingeführt wurde
Das in der Landtagssitzung vom
7. November 1918 gegen den Landes:
verweser von Imhof eingebrachte
Misstrauensvotum brachte den Regie-
rungssturz und die Bildung eines Regie
‚ungsausschusses. Die Änderung der
Verfassung steht mit diesen Vorgängen
auf das enaste In Verbindung.
Diese sehr friedliche Revolution bewirkte
jedoch eine tiefgreifende Umgestaltung
der liechtensteinischen Institutionen:
Verlangt wurden die Ausarbeitung einer
demokratischen Verfassung, die Betei-
ligung des Volkes an der Regierung
und ein gebürtiger Liechtensteiner als
Regierungschef. Die Abgeordneten
sollten ausnahmslos vom Volk gewählt
und die Gerichte zur Mehrheit mit
5*y