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Das Gemeinwohl - ein politischer Auftrag
Das Gemeinwohl im Spiegel der
Geschichte
«Die oberste Aufgabe des Staates ist die
Förderung der gesamten Volkswohl-
fahrt». — So heisst es im Artikel 14 der
jechtensteinischen Verfassung, und ähn-
lich wird die Hauptaufgabe eines Staates
in den meisten Verfassungen formuliert
Begriffe wie Volkswohlfahrt oder
Gemeinwohl werden so oft verwen-
det, dass man glauben könnte, dass sie
eine genau definierte Grösse darstellen.
Das stimmt jedoch nicht: Ein Blick In die
Geschichte zeigt, dass unter «Gemein-
wohl» immer wieder etwas anderes ver-
standen wurde
In der Antike und der darauf basierenden
christlichen Lehre des Mittelalters war
das Gemeinwohl die Grundidee pol
tischen Denkens und Handelns.
indem der Staat das Gemeinwohl als
oberste Aufgabe betrachtete, sorgte er
für das nach aussen sichtbare Wohl
seiner Bürger und rechtfertigte zugleich
seine Existenz.
gegen eine solch egoistische Auffassung
vom Gemeinwohl, bei der ein einzelner
bestimmte, was für die Allgemeinheit
von Vorteil sei. Eine allgemein gültige
Definition, was Gemeinwohl sei, gelang
aber auch den Aufklärern des 18. Jahr-
hunderts nicht.
Auch die heutige Zeit mit ihren viel-
schichtigen politischen Formen kann
nicht verbindlich festlegen, was man
unter Gemeinwohl zu verstehen hat.
Moderne Demokratien und auch die
jechtensteinische Verfassung erklärer
aber bestimmte Kernpunkte mensch-
lichen Zusammenlebens (wie z.B. Mer
schenwürde, Freiheit, Gleichheit, das
Prinzip der Rechtsstaatlichkeit) als
Grundwerte, von denen die eigent-
lichen Staatsaufgaben abgeleitet
werden.
Mit dem Selbständigkeitsanspruch der
Staaten seit dem 15. Jahrhundert wurde
das Gemeinwohl nicht mehr auf den
ainzelnen Bürger bezogen, sondern auf
den Staat selber. Das Wohl des
Staates (die Staatsraison) stand im
Mittelpunkt.
Im Absolutismus bestimmte der Mo-
narch, was Gemeinwohl war und was
nicht. Die Aufklärung wehrte sich zwar