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Innenpolitische Voraussetzungen
einer liechtensteinischen Außenpolitik
Hans Brunhart
Vorbemerkungen zur Einleitung
I. Der Referent ist weder Politiker noch Diplomat. Er ist nur inso
fern Fachmann, als er ein Bürger dieses Landes ist. Er bittet daher,
das Folgende als Gedanken eines solchen und weniger als formulierte
Postulate und Rezepte aufzufassen.
II. Man mag mein Vorhaben unter der genannten Voraussetzung als
wenig nützlich bezeichnen, wenn am Schluß Fragen statt Antworten
übrigbleiben und wenn die gegebenen Antworten juristische und poli
tische Eigenheiten unseres Staates nicht in dem vom Praktiker ge
wünschten Maße miteinbeziehen. Das gedankliche Experiment ist
jedoch nötig. Aus dieser Erkenntnis erhält auch diese ganze Vortrags
reihe ihre Berechtigung. Manchem mag dieses Konzept der weiten
und offenen Grundsatzdiskussion als idealistisch, romantisch, uferlos
und utopisch Vorkommen. Grundsatzdiskussionen sind dem Praktiker
a priori verdächtig. Diskussionen über die Zukunft eines Landes ge
raten unter dem Zwang einer festen, meist unbewußten Gewohnheit
oft von Anfang an in eine bestimmte Perspektive, von der man mit
größter Selbstverständlichkeit armimmt, sie sei die einzig vernünftige
— nämlich die praktische. Und Fragen, auch Fragen an Liechten
stein, auf die gefährliche Antworten möglich sind, sollte man gar
nicht erst stellen. So unterbleiben mitunter die wichtigsten Diskussio
nen. — Der Suche nach dem Kompromiß, dem liebsten Kind der Po
litik, sollte eine Phase der Grundsatzdiskussion vorangehen. Vor der
Frage nach der Realisierbarkeit, sollte die Frage nach dem Sinn
stehen.
Freilich, Diskussion darf nicht im luftleeren Raum stattfinden, sie hat
von objektiven Voraussetzungen auszugehen. Eine objektive Voraus
setzung einer Diskussion über Außenpolitik ist etwa, um auf das
Thema zurückzukommen, das Gewicht Liechtensteins im internatio
nalen Raum. Dieses bestimmt sich aus verschiedenen Faktoren. Ich
möchte mich vorerst auf einen einzigen, aber auffälligen, beschränken.
III. Dieses Referat wird in einem Lande gehalten, dessen Größe mit
160 km 2 besser als Kleinheit bezeichnet wird. Auf einer politischen
Karte Europas, dies sogar im Schulkartenformat, fristet Liechtenstein