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Bundeslasten usw. wäre der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Landes viel eher angepaßt gewesen und daher wesentlich niedriger
als tatsächlich ausgefallen. Die Souveränität innerhalb eines großen
Staatenbundes zu erhalten, war nur mit empfindlichen wirtschaft
lichen Einbußen möglich.
Die Zeit der Zoll- und Währungseinheit mit Österreich muß für
Liechtenstein als Epoche eines allgemeinen wirtschaftlichen Aufstiegs
gesehen werden. Die Souveränität des Fürstentums war zwar nie
direkt gefährdet, die zunehmende wirtschaftliche und teils auch poli
tische Abhängigkeit vom großen Nachbarn führte aber fast zwangs
läufig zu einer Verminderung des selbständigen außenpolitischen
Handelns. Für Liechtenstein wurde es immer schwieriger, nach
außen hin selbständig und staatlich unabhängig von Österreich zu
erscheinen. Während des Ersten Weltkriegs konnte das Fürstentum
nur schwer verhindern, von den Alliierten wegen der engen wirt
schaftlichen Bindungen an Österreich zu den kriegsführenden
Achsenmächten gezählt zu werden. Bei der Gründung des Völker
bundes trat dann die Schwäche der außenpolitischen Stellung Liech
tensteins vollends zutage, konnte doch eine Aufnahme nicht erreicht
werden.
Erhaltung staatlicher Selbständigkeit als Ziel liechtensteinischer
Außenpolitik und optimale Bedürfnisbefriedigung des einzelnen, ver
bunden mit stetiger Steigerung des Wohlstandes, als Ziel wirtschaft
lichen Strebens, standen während des ganzen 19. Jahrhunderts in
einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Konfliktsituation. Diese
Feststellung trifft weitgehend auch für das Fürstentum Liechtenstein
des 20. Jahrhunderts zu. Verschiedene Anzeichen deuten sogar dar
auf hin, daß wir in naher Zukunft in einem wachsenden Spannungs
feld von wirtschaftlichen und außenpolitischen Betrachtungsweisen
entscheiden werden müssen, vorausgesetzt die Erhaltung staatlicher
Selbständigkeit werde von uns überhaupt gewollt.