Volltext: Fragen an Liechtenstein

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Nur durch diesen Einbezug in einen größeren Wirtschaftsraum war 
ein allmähliches Gesunden der liechtensteinischen Wirtschaft mög 
lich. Von 1852 bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs flössen der 
Staatskassa rund sechs Millionen Kronen an Zolleinnahmen zu. Die 
Zolleinnahmen zählten schon vor 1852 zu den wichtigsten Ein 
nahmeposten, überstiegen aber nie 5000 Gulden jährlich. In der 
Zeit der Zolleinigutrj Hirt Österreich betrugen die Zolleinnahmen die 
Hälfte bis zwei Drittel der Gesamteinnahmen. Allein daraus ist 
schon ersichtlich, welch überragende Bedeutung dieser engen wirt 
schaftlichen Bindung an die Donaumonarchie zukam. Zeitweilige 
wirtschaftliche Nachteile, die Liechtenstein aus der Währungsunion 
mit Österreich erwuchsen — gemeint ist die Krise des österreichi 
schen Silberguldens bis zur Errichtung der auf Gold basierenden 
Kronenwährung —, sowie handelspolitische Einbußen usw. fielen 
angesichts der stark überwiegenden Vorteile nie ins Gewicht. 
Für Liechtensteins Außenbeziehungen bedeutete die enge wirtschaft 
liche und weitgehend auch politische Bindung an Österreich Still 
stand und Verlust. Seitdem mit dem Ende des Deutschen Bundes jeg 
liche multilaterale Bindung dahingefallen war, zeigte sich dies be 
sonders deutlich. Fast völlig einbezogen in den wirtschaftlichen und 
politischen Raum des großen Nachbarstaates, kümmerte man sich kaum 
mehr um selbsttätige Kontaktnahmen mit anderen Staaten, man hatte 
auch weitgehend keine Möglichkeiten mehr dazu. Denn von den Ein 
nahmen aus dem Zollverein mit Österreich hing ja praktisch die selb 
ständige Fortexistenz des Landes ab, da die Rheinbau- und Verwal 
tungskosten auf andere Art nicht gedeckt werden konnten. Es war 
unter solchen Umständen kaum anders möglich, als daß das staatliche 
Selbstbewußtsein allmählich dahinschwand. Das Kaisertum Öster 
reich handelte «zugleich auch in Vertretung des Fürstentums Liech 
tenstein». Mit dieser Eingangsformulierung, wie sie in mehreren 
Staatsverträgen verwendet wurde, wird die außenpolitische Situa 
tion Liechtensteins gegen Ende des 19. Jahrhunderts charakterisiert. 
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die liechtensteinische Außen 
politik in der ersten Jahrhunderthälfte nur zum geringsten Teil von 
wirtschaftlichen Motiven her bestimmt war. Die Erhaltung der Sou 
veränität des Landes und der Stellung des Fürsten innerhalb des 
Deutschen Reiches stand im Vordergrund. Eine solche Politik war 
für die Bevölkerung des Landes mit schweren wirtschaftlichen 
Opfern verbunden. Wäre beispielsweise die Selbständigkeit aufge 
geben worden und Liechtenstein im österreichischen Staatsgebiet auf 
gegangen, hätte man damals schon die verschiedenen Vorteile des 
großen Wirtschaftsraumes verspürt. Der Anteil an den zu tragenden
	        

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