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von Abgaben, zahlte Steuern und verrichtete Frondienste. Der Unter
tan war aber zugleich auch Genosse und hatte als solcher teil am
umfangreichen Gemeinbesitz der Gemeinden und den daraus erwach
senden Verpflichtungen. Neben der Landwirtschaft kamen nur noch
nebenberuflich betriebenes Gewerbe und Rodfuhrwerk als Erwerbs
quellen in Betracht. Liechtenstein war in der Lage, in normalen
Emtejahren mit einer extensiv betriebenen Landwirtschaft seine Be
völkerung zu ernähren. Das Land war noch lebensfähig ohne beson
dere wirtschaftliche Bindungen und Beziehungen zu den benachbar
ten oder weiter entfernt liegenden Staaten.
Außenpolitisch war Liechtenstein zur selben Zeit innerhalb des
Schwäbischen Kreises eingeordnet in das größere Ganze des Deut
schen Reiches. Daß das Fürstentum in diesem Verband von etwa 300
souveränen Staatswesen schon seit langer Zeit mitwirkte, ist sicher
zum geringsten Teil auf wirtschaftliche Beweggründe zurückzufüh
ren. Was hätte ein sich selbst versorgendes Agrarland wirtschaftliche
Hilfe oder Ergänzung suchen sollen? Die liechtensteinische Außen
politik war darauf ausgerichtet, die Stellung als «Souveraines Reichs
fürstenthum» und damit verbunden die Position des Fürsten im Reich
und am kaiserlichen Hof in Wien zu bewahren. Die Bewohner des
Fürstentums hatten die Kosten dieser Politik zu tragen: für die
Stimmvertretung beim Schwäbischen Kreiskonvent in Ulm, für das
zu stellende fünfköpfige Militärkontingent und die anfallenden
Reichsanlagen in Friedenszeiten jährlich rund 500 bis 600 Gulden.
Bei jährlichen Staatsausgaben im heutigen Sinn von etwa 6000 bis
8000 Gulden war dies ein Betrag, der zwar nicht gerne bezahlt wurde,
aber keineswegs eine besonders schwere Belastung darstellte.
Als um die Jahrhundertwende die im Gefolge der französischen Re
volution eingetretenen kriegerischen Ereignisse, Drangsale und Nöte
mit aller Wucht auch über unser kleines Land hereinbrachen und es
in einen wirtschaftlichen Tiefstand ohnegleichen stürzten — : sämt
liche Kriegserlittenheiten betrugen bei einem Bevölkerungsstand von
etwa 5000 Einwohnern rund eine Million Gulden! —, da wurde den
Liechtensteinern mit aller Deutlichkeit klar, was es heißt, starke
außenpolitische Bindungen zu haben. Liechtenstein wurde 1806, aus
dem Reichsverbande losgelöst, ein selbständiger und unabhängiger
Staat. Dieselben Rheinbundakte, die das Land mit der Souveränität
beschenkten, beluden es auch mit neuen schweren Lasten. An den
Rheinbund war nun ein Kontingent von 40 Mann zu stellen. Diese
und weitere Auslagen erforderten eine stärkere Inanspruchnahme der
Steuerkraft, eine Zentralisierung der Verwaltung, ja einen äußerst
schmerzhaften Bruch mit der gesamten alten wirtschaftlichen und