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aussetzung war die wirtschaftliche Anlehnung an Österreich, die von
einer politischen begleitet war und daher Voraussetzung und Gefahr
zugleich für die Souveränität wurde. Liechtenstein hat seine inter
nationale Handlungsfähigkeit aber auch nach 1852 immer wieder
durch den Abschluß von internationalen Verträgen dargetan. Trotz
dem assimilierte sich Liechtenstein so sehr an Österreich und trat
bis zum Ersten Weltkrieg mehr und mehr nur noch über Österreich
nach außen auf, daß es aus Distanz auch international als Teil des
habsburgischen Vielvölkerstaats erscheinen mochte.
So können wir abschließend einige Grundlinien der liechtensteini
schen Außenpolitik in dieser Zeit nachziehen:
Als Mitglied des Deutschen Bundes führte Liechtenstein eine multi
laterale Außenpolitik, wenn auch vornehmlich auf den Kreis der
deutschen Staaten begrenzt. Mit dem Wirtschaftsanschluß an Öster
reich begann der Ausbau eines Bilateralismus, der 1866 den Multi
lateralismus ganz ablöste. Im Deutschen Bund war Liechtenstein
faktisch in vielem gebunden; dafür hatte es auch teil an Entschei
dungen, die ganz Deutschland und sogar die europäische Politik be
trafen. Nun war Liechtenstein freier, aber zugleich einflußärmer, ein
samer und gerade darum auf unilaterale Anlehnung angewiesen, so
sehr, daß es nach dem Ersten Weltkrieg bereits wieder in seiner in
ternationalen Glaubwürdigkeit und damit in seiner Souveränität an-
gefochten wurde. Sich in diesem Spannungsfeld der multilateralen
Bindungen, die zur Integration tendieren, und des bilateralen Ver
hältnisses, das zur unilateralen Anlehnung werden kann, zu behaup
ten, war und ist erneut die nicht leichte Aufgabe liechtensteinischer
Politik.